# taz.de -- Aufrüstung in Russland: Kreml droht Nato mit Cyberwar | |
> Präsident Medwedjew wählt einen martialischen Ton: Russland droht mit der | |
> Stationierung von Raketen und einem Ausstieg aus dem START-Vertrag. | |
Bild: Drohgebärden in Richtung Westen: Russlands Staatspräsident Dmitri Medwe… | |
MOSKAU taz | Das hatte Russland schon seit langer Zeit nicht mehr erlebt. | |
Einen Präsidenten mit versteinerter Miene und martialischem Ton, der per | |
Fernsehansprache dem Volk einschneidende Veränderungen in der | |
Verteidigungsstrategie des Landes mitteilt. | |
Am Mittwoch kündigte Kremlchef Dmitri Medwedjew an, aus dem | |
New-START-Vertrag auszusteigen, sollten die USA und die Nato weiter an | |
ihren Plänen festhalten, in Europa einen Raketenabwehrschirm zu errichten. | |
Der neue START-Vertrag, der die Reduzierung der Nuklearpotenziale regelt, | |
wurde erst 2010 ausgehandelt. Der Abschluss galt als Beleg dafür, dass sich | |
die Beziehungen zwischen Russland und den USA nach der Frostperiode der | |
Bush-Administration unter Präsident Barrack Obama wieder eingependelt | |
hatten. | |
Medwedjew erwog nicht nur den Ausstieg aus dem START-Vertrag. Er kündigte | |
auch an, in Kaliningrad und der Kaukasusregion Iskander-Raketen gegen in | |
Europa dislozierte US-Abwehrsysteme in Stellung zu bringen. Mit einer | |
Reichweite von 500 Kilometern würde die Iskander die geplanten | |
US-Einrichtungen in Polen, Rumänien und Bulgarien im Konfliktfall | |
ausschalten können. | |
Mit der Kurzstreckenrakete Iskander hatte der Kreml auch vorher schon | |
gedroht. Für die Nato enthielt die Philippika des Kremlchefs keine | |
wesentlichen rüstungsrelevanten Neuigkeiten. Der Hinweis indes, | |
technologische Lösungen zu erarbeiten, die eine Zerstörung des | |
Informations- und Leitsystems des Raketenabwehrschirms ermöglichen, war von | |
neuer Qualität. | |
## "Mit entschiedener Härte antworten" | |
"Nimmt der Westen diese Ankündigung wirklich ernst, wird er mit | |
entschiedener Härte antworten. Diese Drohgebärde werden wir dann noch lange | |
bedauern", meint der russische Rüstungsexperte Alexei Arbatow. Der Chef des | |
Zentrums für internationale Sicherheit sieht im Unterschied zu russischen | |
Militärs in der Errichtung des Raketenschilds keine Bedrohung für Russland. | |
Moskaus strategische Waffen seien in der Lage, einen noch viel stärkeren | |
als den geplanten Raketenschirm zu überwinden. Das weiß der Kreml | |
natürlich, genauso wie er einen nuklearen Konflikt mit der Nato | |
ausschließt. | |
Aus den USA und Nato-Kreisen verlautete unterdessen, dass man trotz des | |
russischen Widerstands an den Plänen des gegen Schurkenstaaten gerichteten | |
Schirms festhalten wolle. Moskau behauptet, dass der Schirm auch gegen | |
Russland gerichtet sei. Die Auffassung hat sich noch verhärtet, nachdem die | |
USA es ablehnten, Russland eine juristisch bindende Erklärung zu geben, | |
dass dies nicht der Fall sei. | |
Ursprünglich war von einem gemeinsamen Raketenschild die Rede. Das | |
scheiterte offensichtlich an Widerständen in den USA. Auch der russische | |
Kompromissvorschlag, zwei Systeme zu errichten, die jeweils einen Sektor | |
überwachen, stieß bei der Nato nicht auf Zustimmung. | |
Aus russischer Sicht verbirgt sich hinter der mangelnden | |
Kooperationsbereitschaft des Westens noch das alte Misstrauen gegenüber dem | |
einstigen Kalten-Kriegs-Gegner. Das trifft sicher zu. Auch die russischen | |
Militärs können sich von diesen Ressentiments nicht befreien. Einer engeren | |
Kooperation mit der Nato stehen sie grundsätzlich skeptisch gegenüber. Ihr | |
Denken ist auf die nukleare Parität ausgerichtet als dem letzten Unterpfand | |
der Großmachtrolle. | |
Verärgert reagierte Moskau auch auf die Mitteilung Washingtons diese Woche, | |
die Datenübermittlung über Veränderungen der konventionellen Streitkräfte | |
in Europa (KSE-Vertrag) einzustellen. Russland liefert schon seit 2007 | |
keine Daten mehr. | |
24 Nov 2011 | |
## AUTOREN | |
Klaus-Helge Donath | |
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