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# taz.de -- Serie Digitale Spiele, Teil 4: Endlich einmal Snape sein dürfen
> Als Vater muss man Opfer bringen: Das Videospiel "Lego Harry Potter:
> Jahre 5-7" erweist sich dann aber doch als bezaubernde Welt der
> Pottermännchen.
Bild: Digitales Zauberstabgefuchtel. Szene aus "Lego Harry Potter: Jahre 5-7".
"Kann ich den dritten Teil von Harry Potter sehen?" - "Haben wir dir
gestern und vorgestern schon gesagt. Und letzte Woche auch jeden Tag." -
"Aber... bitte!" - "Der ist erst ab Zwölf, und du bist acht" - "Aber Tobi
hat schon alle Teile gesehen!" - "Das müssen Tobis Eltern mit ihrem
Gewissen abmachen." - "Aber... bitte!" - "Magst du noch Nudeln?" - "Nur
wenn ich den dritten Teil von Harry Potter sehen darf!", usw.
Dies war über Wochen unser Familienleben. Dann kam Lego Harry Potter, unser
Held! Wie von Geisterhand im Posteingang gelandet (Du gute, brave
Games-Industrie!) konnten wir ihn zücken: Harry Potter. Als Legofigur. Und
die als Computerspielmännchen. Frei ab sechs. Aber nicht irgendwelche
Wischiwaschifolgen. Sondern die knallharten, kaum jugendfreien
Thriller-Teile fünf bis sieben, überbordend von Blutrunst, Qualen und
sexueller Gier - also, in unserer elterlichen Fantasie jedenfalls.
Und so sehen unsere Tage heute aus: "Papa?" - "Ja?" - "Können wir heute
noch Lego Harry Potter spielen?" - "Hm..." - "Aber... bitte!" - "Ist dein
Zimmer schon aufgeräumt?" - "Wenn ich ganz schnell mache..." - "Hm..." -
"Können wir dann Lego Harry Potter spielen?" - "Naaa guuut..."
Opfer muss man eben bringen als Vater, muss neben dem Fußballplatz Bälle
jonglieren, muss total widerstrebend Süßkram auf dem Weihnachtsmarkt
einkaufen, muss, auf dieser zufällig im Arbeitszimmer stehenden Playstation
3, also Lego Harry Potter spielen. So lernt man mal die ganze Saga kennen!
## Den lila oder den orangen Blitz?
Harry Potter, aus der Sicht des "Lego Harry Potter: Jahre 5-7"-Spielers,
sieht so aus: Man kann dauernd von einer Legofigur zur nächsten wechseln,
von der süßen Hermine zum knuffigen Ron, zu Rons Papa, zu Chefmagikus
Dumbledore... ja, manchmal durfte ich sogar schon Snape spielen, meinen
Favoriten aus den ersten beiden Filmen, den Berufsbösewicht Alan Rickman so
unwiderstehlich komödiantisch grundiert hat... der bin jetzt ich! Als
Legofigur.
Verträumt verlustiere ich mich zwischen dicken Mauern, derweil meine
Mitspielerin alias Lego-Harry das Geschehen vorantreibt. Und zaubern geht
so: Man zielt mit dem Zauberstab auf ein Lego-Objekt, einen Schreibtisch
etwa, oder eine Blume. Dann schießt ein lila Blitz aus dem Zauberstab, der
Lego-Tisch explodiert, oder die Lego-Blume. Man kann aber auch einen
orangen Blitzstrahl nehmen!
Pädagogisch ausgewogen wird aus den explodierten Legohaufen oft etwas Neues
gebaut. Man nimmt dann einen anderen Knopf, mysteriöses rosa Licht umspielt
die Steine, dann fügen sie sich zusammen: Eine Treppe ist da, die uns
gefehlt hat, oder ein Wasserhahn, oder sonstwas. So ballert und bastelt man
sich voran, und, man muss es sagen, die Welt der Pottermännchen ist
wirklich ganz bezaubernd, so zwischen Hogwartshallen und Verliesen,
zwischen Harrys sepiagefärbten Erinnerungsbrocken und dem Verbotenen Wald.
## Ab ins Zwischenreich
Es wird sogar gestorben. Und wen möchte man eher sterben sehen als eine
Legofigur? Wir in unserer Familie kennen das aus unserer
Lego-Star-Wars-Phase, als Harry Potter noch total doof war. Die filmischen
Zwischensequenzen sind eine echte Belohnung: Jeder Heldentod wird
aufgefangen durch Witz und das Wissen, dass in der Legowelt ja alles wieder
zusammengebaut werden kann.
Etwa stirbt Harrys väterlicher Freund Sirius Black. Und wie seine
Lego-Inkarnation so ins Zwischenreich davonschwebt, will Lego-Harry ihn an
den Beinen festhalten, ein Gezerre beginnt, und - na was wohl? - dann gehen
die Beine natürlich ab. Sirius, schon im Hadesnebel, fordert sie mit
Entschiedenheit zurück. So können wir ihn, den wir im dritten Potter-Film
ins Herz geschlossen haben (Gary Oldman!), dann doch mit einem Lächeln
gehen lassen... ähm. Jetzt ist es raus. Wir haben ihn gesehen.
Wer kann schon einer Tochter widerstehen, die eines Tages überraschend das
selbstkomponierte, gitarrenbegleitete Stück "Darfst du schon den dritten
Teil von Harry Potter sehen" zur Aufführung bringt? Also, wir jedenfalls
nicht. Aber den vierten Teil, den gucken wir wirklich auf gar keinen Fall!
14 Dec 2011
## AUTOREN
Klaus Ungerer
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