# taz.de -- Reservisten-Verbandschef über Neonazis: "Wir haben die Gefahr unte… | |
> Der Reservistenverband der Bundeswehr kämpft gegen Neonazis in den | |
> eigenen Reihen. Verbandschef Kiesewetter fordert nun auch Hilfe vom | |
> Verfassungsschutz. | |
Bild: Wollen jetzt ausmisten: Reservisten bei einer Gedenkfeier. | |
taz: Herr Kiesewetter, Sie gehen derzeit gegen NPD-Mitglieder und | |
Rechtsextreme in ihren eigenen Reihen vor und haben bereits einige | |
verbannt. Wie funktioniert ihr Nazi-Scanner? | |
Roderich Kiesewetter: Wir haben keinen Nazi-Scanner. Aber wir haben nun | |
einen Unvereinbarkeitsbeschluss getroffen, der sagt: Wer Mitglied in der | |
NPD ist, der kann bei uns kein Mitglied sein. | |
Das überrascht. Als Anfang Oktober NPDler mit Waffen des | |
Reservistenverbandes auf Ihren Übungsplätzen hantierten, hieß es bei Ihnen | |
noch: "Solange die NPD nicht verboten ist, sind uns die Hände gebunden." | |
Ich habe mich schon lange dafür eingesetzt, dass wir hier rigoroser | |
vorgehen. Aber ich bin auch erst seit vier Wochen Präsident des Verbandes. | |
Nun will ich niemandem einen Vorwurf machen, doch ich hätte mir auch | |
gewünscht, dass es hier früher mehr Sensibilität gegeben hätte. Wer | |
rechtsextremes Gedankengut pflegt und die Verfassung missachtet, hat keinen | |
Anspruch auf eine Ausbildung an der Waffe, wie wir sie ja auch durchführen. | |
Deshalb habe ich erwirkt, dass wir solchen Mitgliedern nun rigoros die | |
Mitgliedschaft kündigen. | |
Mit Erfolg? | |
Bei den zwölf uns bekannten Personen, denen ich die Mitgliedschaft | |
gekündigt habe, gibt es erstaunlicherweise bisher keinen juristischen | |
Gegenwind. Ich würde mir daher wünschen, dass auch andere Vereine den Weg | |
einschlagen, über eine Kündigung rechtsextremer Mitglieder verstärkt | |
nachzudenken. | |
Die Parteimitgliedschaft ist ein rein formales Kriterium. Das heißt, | |
Neonazis, die keiner Partei angehören, dürfen bei Ihnen weiter Mitglied | |
sein? | |
Das ist in der Tat ein Problem: Wie wollen sie als Vereinsvorsteher die | |
Gesinnung ihrer Mitglieder prüfen, wenn sie sie nicht kennen? Wir müssen | |
deshalb in unseren Schießsportgruppen eine andere Sensibilität entwickeln. | |
Leider werden wir damit aber auch alleine gelassen. | |
Was meinen Sie damit? | |
Zu vielen rechtsextremen Organisationen liegen uns nicht hinreichend viele | |
Kenntnisse vor, auf deren Basis wir tätig werden könnten. Mir liegen etwa | |
vier Fälle von Personen vor, wo es zwar Verdachtsmomente gibt, aber nicht | |
mehr. Hier bräuchte ich die Unterstützung des Verfassungsschutzes. | |
Wie soll das aussehen? | |
Ich fordere, dass wir eine Informationspflicht für den Verfassungsschutz | |
einführen: Der Geheimdienst muss Organisationen, die staatliche | |
Gemeinschaftsaufgaben übernehmen, warnen, wenn Verfassungsfeinde sich | |
einschleichen. Es muss verbindlich geregelt werden, dass die | |
Verfassungsschutzbehörden hier besser kooperieren. | |
Sie wollen eine öffentliche Naziliste des Verfassungsschutzes? | |
Natürlich keine, die an Sportvereine verschickt wird. Aber Verbände wie die | |
Freiwillige Feuerwehr, das Rote Kreuz und der Reservistenverband sind | |
Träger öffentlicher Aufgaben. Im Reservistenverband geht es auch um die | |
Anträge zur Genehmigung von Waffenbesitzkarten und wir sind etwa zuständig | |
für die Ausbildung und Förderung militärischer Fähigkeiten. Deshalb ist es | |
nötig, dass der Staat uns hier auch hilft, damit wir nicht die Falschen | |
ausbilden. | |
Gilt die Extremismusklausel Ihres Verbands auch für die Linkspartei? | |
Ich würde mich freuen, wenn Sie mir Mitglieder der Linkspartei nennen, die | |
Mitglieder in Reservistenverband sind. Aber im ernst: Ich habe nicht das | |
Gefühl, dass wir die Gefahr von Links in den letzten Jahren unterschätzt | |
haben. Wir haben aber die Gefahr von Rechts unterschätzt. Durch die | |
Wiedervereingung und die zwischen 1933 bis 1989 fehlende demokratische | |
Kultur im Bereich des Beitrittsgebietes müssen wir heute besonders sensibel | |
sein. Es reicht eben nicht, in der Schule mal vor Rechts zu warnen. Wir | |
waren bei Rechts zu lange großzügig. | |
21 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Martin Kaul | |
Martin Kaul | |
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