| # taz.de -- Unterbezahlung von Leiharbeitern: CDU will Lohndumper schonen | |
| > Ein Gericht entschied: Firmen müssen die Löhne von unterbezahlten | |
| > Leiharbeitern nachzahlen. Nun wollen CDU-Politiker das Urteil außer Kraft | |
| > setzen. | |
| Bild: Die schlechten Bedingungen sind nichts Neues: Demonstration zu Leiharbeit. | |
| BERLIN taz | Abgeordnete der CDU arbeiten derzeit an einer Amnestie für | |
| Arbeitgeber, die mit Billigtarifverträgen Lohndumping betrieben haben. Die | |
| Arbeitgeber sollen vor Lohnnachzahlungen und Rückforderungen der | |
| Sozialversicherungen bewahrt werden - obwohl die angewandten Tarifverträge | |
| für Leiharbeiter unwirksam sind. | |
| Die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und | |
| Personalserviceagenturen (CGZP) hat ab 2003 Arbeitgeber mit | |
| Dumpinglohntarifverträgen für Leiharbeiter versorgt. Vor allem in den | |
| ersten Jahren schloss sie mehrere hundert Haustarifverträge ab, die Löhne | |
| von knapp 5 oder 6 Euro festschrieben. Rund 3.000 Verleihfirmen sollen das | |
| Billigmodell genutzt haben. | |
| Dann urteilte am 14. Dezember 2010 das Bundesarbeitsgericht (BAG), dass die | |
| CGZP nicht tariffähig ist. Rund 200.000 Leiharbeiter können seither den | |
| höheren Lohn der Stammbeschäftigten einklagen. Aber auch die Sozialkassen, | |
| vertreten durch die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV), haben Anspruch | |
| auf ausstehende Beiträge zur Renten-, Kranken-, Unfall- und | |
| Arbeitslosenversicherung. Rund 2 Milliarden Euro stehen ihnen nach | |
| Schätzungen zu. Können die Verleihbetriebe die Sozialbeiträge nicht | |
| aufbringen, müssen die entleihenden Unternehmen haften. | |
| Geklagt haben bisher nur wenige Leiharbeiter. Gut hundert Verfahren sind | |
| der Gewerkschaft Ver.di bekannt. Auch bei den Kassen läuft das | |
| Geldeintreiben eher schleppend an. Die DRV hat in 130 Fällen insgesamt 7,7 | |
| Millionen Euro angemahnt und 1.700 Betriebsprüfungen eingeleitet. | |
| ## Urteil war keine Überraschung | |
| Doch die Arbeitsgruppe Wirtschaft und Technologie in der CDU/CSU-Fraktion | |
| sähe es am liebsten, wenn die Arbeitgeber gar nicht zahlen müssen. In einem | |
| Papier von Mitte Dezember fordert die AG im Namen ihres Vorsitzenden | |
| Joachim Pfeiffer, Unternehmen mit CGZP-Verträgen Vertrauensschutz zu | |
| gewähren - sie sollen für alle Forderungen bis zum BAG-Urteil 2010, also | |
| für den Großteil, nicht haften. | |
| Die CDU-Parlamentarier stützen sich auf das aktuelle Wirtschaftsgutachten | |
| des Sachverständigenrats. Dort lautet das Argument: Der Vertrauensschutz | |
| müsse greifen, weil die Arbeitgeber nicht mit der Tarifunfähigkeit rechnen | |
| konnten - und weil das BAG neue Kriterien angewandt habe, um die | |
| Tariffähigkeit zu bestimmen. | |
| Für Peter Schüren, Arbeitsrechtsprofessor aus Münster, ist der Vorschlag | |
| des Sachverständigenrats schlecht und fehlerhaft begründet. "Die | |
| Entscheidung des BAG von 2010 war keine Überraschung. Die CGZP war | |
| tarifunfähig, weil alle ihre Mitgliedsgewerkschaften zusammen zu schwach | |
| waren, um das Ausleihen in alle Branchen zu regeln. Dieses Kriterium für | |
| die Tariffähigkeit war lange bekannt." | |
| Auch sei die Entscheidung nicht vom Himmel gefallen, sagt Schüren: "Über | |
| die Tariffähigkeit der CGZP wurde in der juristischen Fachliteratur bereits | |
| seit 2003 diskutiert." TV-Magazine wie Panorama und Report Mainz | |
| berichteten schon 2007 von der Arbeitgeberfreundlichkeit der CGZP. 2007 | |
| liefen die ersten Gerichtsverfahren an - etliche Unternehmen bekamen damals | |
| kalte Füße und sattelten auf DGB-Tarifverträge um. Schüren sagt zudem, dass | |
| die Verleiher selbst die Möglichkeit hatten, die Tariffähigkeit der CGZP | |
| gerichtlich überprüfen zu lassen. "Wer das nicht tat, ging bewusst ein | |
| Risiko ein und muss jetzt die Konsequenzen tragen." | |
| ## Treffen im Bundesarbeitsministerium | |
| Auch Anette Kramme, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, | |
| sagt: "Die Leiharbeitsunternehmer können sich nicht darauf berufen, von | |
| nichts gewusst zu haben." Ihre Oppositionskollegin, Beate Müller-Gemmeke, | |
| Sprecherin für Arbeitnehmerrechte der Grünen-Fraktion, findet den Vorstoß | |
| "dreist": "Der CDU-Wirtschaftsflügel will Leiharbeitern und Sozialkassen | |
| rechtmäßig zustehende Löhne und Beiträge vorenthalten." | |
| Weil die CDUler auch bei den Sozialversicherungsträgern keine Unterstützung | |
| finden, haben sie die Bundesregierung aufgefordert, den Vertrauensschutz | |
| per Gesetz herzustellen. Auf Drängen des Parlamentskreises Mittelstand der | |
| Union fand am Dienstagnachmittag ein Treffen im Bundesarbeitsministerium | |
| (BMAS) statt. "Konkrete Ergebnisse gibt es noch nicht", sagte die | |
| stellvertretende BMAS-Sprecherin Marina Küchen der taz. | |
| Mitte Januar soll nun ein weiteres Treffen folgen. Glücklich ist man im | |
| Ministerium jedoch nicht über den Vorstoß aus eigenen Reihen: "Unsere Sicht | |
| ist klar. Die Gelder stehen den Sozialversicherungsträgern rechtlich zu", | |
| sagte Küchen. | |
| 21 Dec 2011 | |
| ## AUTOREN | |
| Eva Völpel | |
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