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# taz.de -- Homo-Ehe in Deutschland: Pflichten, immer nur Pflichten
> Auf 50 Seiten listet die Bundesregierung auf, wo eingetragene
> Partnerschaften benachteiligt werden. Einiges davon will sie ändern - bei
> wichtigen Fragen aber kneift sie.
Bild: Glücklich verheiratet (in einem Flugzeug!) aber in Deutschland nicht gle…
BERLIN taz | Es hat sich schon viel verbessert für Schwule und Lesben. Seit
zehn Jahren können sie ihre Partnerschaft amtlich eintragen lassen.
"Eingetragene Lebenspartnerschaft" heißt das Konstrukt, das die rot-grüne
Bundesregierung im Jahr 2001 eingeführt hat. Seitdem wird gemeinhin von der
"Homoehe" gesprochen - ein Begriff, der in die Irre führt. Denn nach wie
vor ist die eingetragene Partnerschaft mit der Ehe nicht gleichgestellt.
Das Lebenspartnerschaftsgesetz von 2001 regelte vor allem Verpflichtungen,
aber kaum Rechte. Seither wurde es mehrfach überarbeitet. So wurde
eingetragene Lebenspartner beim Erbschaftsrecht oder der
Hinterbliebenenrente gleichgestellt. Beim Steuer- und dem Adoptionsrecht
aber werden sie weiter benachteiligt, wie in Dutzenden anderen Gesetzen und
Verordnungen auch.
Mit einer Großen Anfrage baten die Grünen um eine detaillierte Auflistung
aller Bereiche, in denen eingetragenen Lebenspartner benachteiligt werden,
und um eine Begründung dieser Benachteiligung.
Mit der Antwort ließ sich die Bundesregierung über ein Jahr lang Zeit. Nun
listet die Bundesregierung auf 50 Seiten alle Benachteiligungen auf. Sie
reichen vom Steuer- und Adoptionsrecht bis zur Vererbung von
Sprengstoffmeisterlizenzen. In einigen Fällen will die Bundesregierung nach
eigenem Bekunden etwas ändern, in anderen - den wichtigen - aber nicht.
"Union und FDP machen nur das, was die Gerichte verlangen", sagt der grüne
Bundestagsabgeordnete Volker Beck.
## Abwarten bei Steuern
Beim Thema Einkommensteuer verweist die Bundesregierung auf die - seit dem
Jahr 2006 laufenden - Verfahren beim Bundesverfassungsgericht. Bis dahin
werde sich nichts ändern.
Für das Abwarten ist maßgeblich die Union verantwortlich. Der
Koalitionspartner FDP drängt seit Langem auf eine politische Lösung. Der
FDP-Abgeordnete Michael Kauch fordert nach der Entscheidung der Kölner
Richter die Union jetzt dazu auf, "gar nicht mehr abzuwarten und
unverzüglich die überfällige Gleichstellung mit uns zu beschließen."
Denn das Urteil des Finanzgerichts Köln zum Ehegattensplitting für
eingetragene Lebenspartner ist ein weiterer Schritt zur Gleichbehandlung.
"Wir freuen uns natürlich darüber", sagt Manfred Bruns vom Lesben- und
Schwulenverband Deutschland. Eigentlich fordere man aber die Abschaffung
des Ehegattensplittings, weil dies eine "unsinnige Förderung der
Hausfrauenehe und damit unzeitgemäß" sei. Aber solange es solche
"überflüssigen Instrumente" noch gebe, müssten Schwule und Lesben
gleichgestellt werden.
## Adoption unmöglich
Neben dem Steuerrecht ist das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare eines
der wichtigsten bestehenden Bereiche der Ungleichbehandlung. So dürfen
Schwule und Lesben als Einzelperson zwar Kinder adoptieren, nicht jedoch
gemeinsam mit ihrem Partner oder ihrer Partnerin. In einer eingetragenen
Lebenspartnerschaft ist die Adoption eines leiblichen Kindes des Partners,
die sogenannte Stiefkindadoption, erlaubt, nicht jedoch die Adoption eines
bereits vom Partner oder der Partnerin adoptieren Kindes.
Daran soll sich nach dem Willen der Bundesregierung nichts ändern. Zur
Begründung verweist sie lediglich auf ein "für Deutschland verbindliches
Europäisches Abkommen über die Adoption von Kindern von 1967", das eine
"Zweit- oder Kettenadoption" verbiete. Eine Ausnahme besteht nur für
heterosexuelle Ehepaare. Auch zum Adoptionsrecht sind beim
Bundesverfassungsgericht Klagen anhängig.
## Ungleiche Kinderzuschläge
Die Rechte und Pflichten von eingetragenen Lebenspartnern sind ungleich
verteilt. Geht es um die Kürzung staatlicher Leistungen, ist die Ehe mit
der Lebenspartnerschaft gleichgestellt. So ist es unerheblich, ob ein Kind
verheiratet oder verpartnert ist, die Eltern bekommen in beiden Fällen
keinen Kinderzuschlag. Sobald es um vorteilhafte Bestimmungen geht, legt
der Gesetzgeber die Begriffe "Ehegatte" und "verheiratet" dagegen sehr eng
aus. So bekommen etwa Ehepartner von Beamten und anderen Berufsgruppen,
denen Kinderzulagen zustehen, weiter Kindergeld. Bei eingetragenen
Lebenspartnern ist das nicht der Fall.
Auch hier beruft sich die Bundesregierung auf das noch ausstehende Urteile
des Bundesverfassungsgerichts. "Das ist das grundsätzliche Problem: Wo es
um Pflichten geht, verteilt man sie großzügig, wo es um Kompensation dieser
Pflichten durch den Staat geht, ist man sehr präzise", sagt Beck.
## Problem Schornsteinfeger
Die Großteil der bestehenden Benachteiligungen bezieht sich auf spezifische
Rechtsvorschriften, meist für einzelne Berufsgruppen. Viele davon muten
skurril an. So werden etwa verheiratete Schornsteinfeger bei gemeinsamen
Rentenansprüchen gegenüber eingetragenen Lebenspartnern bevorzugt.
Selbstständige Blinde, die verpartnert sind, werden gegenüber verheirateten
bei der Befreiung von der Umsatzsteuer benachteiligt. Die Lizenz zum Umgang
mit explosiven Stoffen, die Sprengstoffmeister innehaben, geht beim Tod des
Ehepartners auf die Witwe oder den Witwer über, nicht aber auf den
eingetragenen Lebenspartner. Auch die Höfeordnung, die den
gemeinschaftlichen Besitz von Land- und Forstwirtschaft nach dem Tod eines
Landwirts regelt, unterscheidet zwischen Ehepaaren und Lebenspartnern.
Einige dieser Bestimmungen will die Bundesregierung nun anpassen. Auf einen
Zeitplan will sie sich aber nicht festlegen.
Eine Lösung für die Benachteiligungen könnte eine Generalklausel sein, die
klarstellt, dass in allen Gesetzen und Verordnungen eingetragene
Lebenspartner mit Eheleuten gleichgestellt sind. Das wäre eine politische
Entscheidung, die schnell getroffen werden kann. In der Antwort der
Bundesregierung ist davon jedoch keine Rede.
29 Dec 2011
## AUTOREN
Paul Wrusch
## TAGS
Bundesverfassungsgericht
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