# taz.de -- Piraten am Horn von Afrika: "Kleinunternehmer" auf hoher See | |
> Somalias Seeräuber halten derzeit 44 Schiffe und über 400 Geiseln in | |
> ihrer Gewalt. Ihr Einkommen steigt und das Geld investieren sie in der | |
> gesamten Region. | |
Bild: Britische Soldaten nehmen eine Piratengang fest. | |
BERLIN taz | Somalias Piraten werden immer geschäftstüchtiger. Nahmen sie | |
im Jahr 2010 noch durchschnittlich 3 Millionen US-Dollar Lösegeld pro | |
gekapertem Schiff, liegt die Summe im Dezember 2011 bei 6 Millionen, | |
rechnete kürzlich Konteradmiral Christian Canova, Vizekommandeur der | |
EU-Antipiratenmission Eunavfor Atalanta, in einem Interview vor. | |
Die Piraten seien "Kleinunternehmer des organisierten Verbrechens", die ihr | |
Geld in der gesamten Region investierten. Deswegen sei es auch nicht | |
unbedingt ein Erfolg, wenn die Zahl der von Piraten gehaltenen Schiffe | |
sinke. "Es ist ein klassisches Phänomen des Managements von | |
Lagerbeständen." | |
Die Aufzählung des Admirals, es befänden sich lediglich 8 Schiffe in | |
Piratenhand, war aber falsch. Nach Angaben des unabhängigen | |
Monitoringdienstes Ecoterra halten somalische Seeräuber derzeit mindestens | |
26 große und 18 kleine ausländische Schiffe, dazu 436 Geiseln. Die EU zähle | |
nur in Europa versicherte Schiffe, kritisiert Ecoterra. | |
Zuletzt wurde am Dienstagmorgen der italienische Tanker "MT Enrico Levoli" | |
mit 15.750 Tonnen Natronlauge an Bord auf dem Weg von den Vereinigten | |
Arabischen Emiraten in die Türkei vor der Küste von Oman gekapert. Die | |
Fracht ist mehrere Millionen Dollar wert. | |
## Gekapertes Schiff umfunktioniert | |
Am längsten in der Gewalt somalischer Piraten befindet sich ein iranisches | |
Fischerboot, das am 2. März 2009 gekapert wurde. Die Iraner sind offenbar | |
in Vergessenheit geraten, ähnlich wie die am 29. März 2010 gekaperte "MV | |
Iceberg I", unter panamaischer Flagge von einer Reederei aus Dubai | |
betrieben, mit 24 Besatzungsmitgliedern aus Ländern wie Ghana und Indien. | |
Der jemenitische Reedereichef geriet bald in Verdacht, mit den Piraten | |
unter einer Decke zu stecken, während das Schiff selbst zu einem | |
Mutterschiff für Piratenüberfälle umfunktioniert wurde. Seit Schiffsteile | |
mangels Wartung herunterfielen, der Treibstoff ausging und daher die | |
Kühlhalle mit den Leichen zwischenzeitlich verstorbener | |
Besatzungsmitglieder ausfiel, liegt das Schiff an der somalischen Küste | |
nahe der Stadt Hobyo. Alle Bemühungen, die Gefangenen freizubekommen, sind | |
bisher gescheitert. Ihre Herkunftsländer zahlen keine Lösegelder in | |
Millionenhöhe. | |
30 Dec 2011 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Piraten | |
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