# taz.de -- Zehntausende auf Ungarns Straßen: Protest gegen neue Verfassung | |
> Während die politische Führung Ungarns die Einführung des neuen | |
> Grundgesetzes feierte, demonstrierten am Montagabend Zehntausende | |
> dagegen. Und forderten den Rücktritts Orbans. | |
Bild: Schämen sich für ihren Ministerpräsidenten: Demonstranten vor der Staa… | |
BUDAPEST dpa/dapd | Zehntausende Menschen haben am Montagabend vor der | |
Budapester Oper gegen die neue ungarische Verfassung demonstriert. In | |
Sprechchören forderte die Menge den Rücktritt des rechts-konservativen | |
Ministerpräsidenten Viktor Orban. Der ungarische Regierungschef nahm zur | |
gleichen Zeit im Opernhaus mit seinem Kabinett und anderen staatlichen | |
Würdenträgern an einem Festakt für das neue Grundgesetz teil, das am | |
Neujahrstag in Kraft trat. | |
Kritiker sehen in der Verfassung, die von der Zweidrittelmehrheit der | |
Regierungspartei FIDESZ (Bund Junger Demokraten) im Parlament gebilligt | |
wurde, ein Instrument zum Abbau der Demokratie in Ungarn. Mehrere Redner | |
betonten bei der Demonstration, dass die Ungarn ihr Land weiterhin als | |
Republik betrachten würden. Denn mit dem neuen Grundgesetz änderte sich | |
auch der Landesname: Statt "Republik Ungarn" heißt das Land nunmehr einfach | |
"Ungarn". | |
Anhänger der Opposition sowie Bürgerrechtsaktivisten warfen der Regierung | |
von Ministerpräsident Viktor Orban vor, die Gewaltenteilung zu missachten. | |
So wolle Orban mithilfe kürzlich verabschiedeter Gesetze seine Kontrolle | |
über die Justiz, die Zentralbank, religiöse Gruppen und die Medien | |
ausbauen, hieß es aus den Reihen der Protestbewegung. | |
Zu der Kundgebung hatten mehrere Zivilorganisationen und | |
Oppositionsparteien aufgerufen. Als Redner traten keine Parteienvertreter | |
auf. Der ehemalige Datenschutzbeauftragte Laszlo Majtenyi sagte in seiner | |
Ansprache: "In der Oper ist heute die Heuchelei zu Gast. Auf der Straße | |
herrscht die Tugend der Verfassungsmäßigkeit." Er übte harsche Kritik an | |
Orban: "Der Ministerpräsident hat sich mit der Ablegung seines Amtseids zum | |
Schutz der Verfassung verpflichtet, nun hat er sie allerdings über Bord | |
geworfen." | |
Das neue Grundgesetz löst die Verfassung von 1989 ab, die die | |
demokratischen Grundrechte sicherte und Ungarn unter den westlichen | |
Demokratien verankerte. In der neuen Verfassung sind zwar die Grundrechte | |
auch deklariert. Doch sind die Kompetenzen des Verfassungsgerichts stark | |
beschnitten und die Unabhängigkeit der Justiz eingeschränkt. Wichtige | |
Funktionsträger, die von der Regierung Orban ernannt wurden, sind für | |
mehrere Legislaturperioden in ihren Ämtern "einbetoniert". | |
Auch die EU, die USA sowie internationale Aufsichtsbehörden hatten die | |
jüngsten Gesetzesreformen in Ungarn kritisiert. Die Regierung hat hingegen | |
erklärt, dass die neue Verfassung den 1989 eingeläuteten Übergang vom | |
Kommunismus zur Demokratie vollende. | |
3 Jan 2012 | |
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