# taz.de -- Kommentar Ungarns neue Verfassung: Die Opposition lebt noch | |
> Solange mehrere Zehntausend gegen die Regierung auf die Straße gehen, | |
> gibt es keine Diktatur in Ungarn. An ihnen hängt die Zukunft des Landes. | |
Bild: Ministerpräsident Orban (Mitte) hat Gesprächsbedarf: Ungarn steht vor d… | |
Der ungarische Premier Viktor Orbán verabschiedet mit Pomp seine neue | |
Verfassung, zehntausende Ungarn demonstrieren gegen den Demokratieabbau in | |
ihrem Land, und im europäischen Ausland fragt sich so mancher, ob es nicht | |
Zeit wäre, von EU-Seite etwas zu unternehmen. | |
Aber: Sollte die EU sich überhaupt einmischen? Viktor Orbán mit Jörg Haider | |
zu vergleichen ist übertrieben. Es gibt derzeit keine politischen Angriffe | |
auf Synagogen, Homosexuelle oder gegen die Roma. Schlimme Ausschreitungen | |
gegen letztere fanden auch unter der sozialdemokratischen Regierung statt. | |
Orbán will eine Zäsur setzen. Während seiner Ära soll alles in Ungarn | |
verändert werden, nicht nur die Verfassung, sondern auch der Namen des | |
Landes. Dieses heißt nun nur noch Ungarn, die Republik wurde aus dem | |
offiziellen Namen gestrichen. Das klingt nach einer kommenden Diktatur. | |
Aber so weit ist es noch nicht. | |
Denn die Demonstrationen im Land gegen die neue Verfassung zeigen auch, | |
dass die zersplitterte Opposition sich wieder zusammenrauft und der | |
Widerstandsgeist lebt. Viele von den Kritikern allerdings halten Orbán | |
schlicht für einen Psychotiker, der wie ein Panzer durch das Land rollt. | |
Diese Psychologisierung ist eine Art Entlastungsdiskurs, mit dem die Ungarn | |
sich beruhigen wollen. Der Mann ist verrückt, strukturelle Diskussionen | |
muss man dann nicht mehr führen. Dabei ist es eine Tatsache: Die Demokratie | |
in diesem Land wird mit Füßen getreten. | |
Trotzdem: Solange mehrere Zehntausend gegen die Regierung auf die Straße | |
gehen, gibt es keine Diktatur in Ungarn. | |
Die Zukunft wird von ihnen und von den vielen kleinen Oppositionsgruppen | |
abhängen. Davon, ob es ihnen gelingt, die Demokratie gegebenenfalls gegen | |
Orbán zu verteidigen. | |
3 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Anna Frenyo | |
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