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# taz.de -- EU-Skepis gegenüber Budapest: Ungarn steht vor der Staatspleite
> Der Forint fällt, die Zinsen sind höher als für Italien, die
> Rating-agentur Fitch stuft die Bonität auf Ramschniveau ab. Nun will die
> rechtsnationale Regierung klein beigeben.
Bild: Ministerpräsident Orban (Mitte) hat Gesprächsbedarf: Ungarn steht vor d…
BRÜSSEL taz | Die massiven Proteste gegen die autoritären Reformen in
Ungarn hat Regierungschef Viktor Orban bisher ignoriert. Doch der drohende
Staatsbankrott scheint nun ein Umdenken bei dem umstrittenen
Rechtsnationalisten einzuleiten.
Nach einer Krisensitzung in Budapest signalisierte Orban am Freitag
erstmals Kompromissbereitschaft. Seine Regierung sei bereit, sich mit der
EU und dem Internationalen Währungsfonds IWF rasch auf neue Finanzhilfen zu
einigen, sagte er. Ungarn braucht dringend Geld, um seine überbordenden
Staatsschulden zu finanzieren.
Sie liegen mit 140 Prozent der Wirtschaftsleistung ähnlich hoch wie in den
Euro-Krisenländern Griechenland oder Italien. Doch Ungarn ist nicht
Mitglied des Euroklubs und deshalb besonders verletzlich. Gestern stufte
die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau herab.
## Zinsen von fast 10 Prozent
Die Währung Forint verlor seit dem Sommer ein Fünftel an Wert, und selbst
kurzfristig kann sich das Land auf dem Geldmarkt nur für Zinsen von fast 10
Prozent neues Kapital leihen - selbst für Italien ist es billiger. Die
Regierung hatte bereits im November den IWF und die EU um Beistand gebeten.
Doch wegen der autoritären Wende in Budapest halten Washington und Brüssel
ihre Hilfe zurück. Für Stirnrunzeln in Brüssel sorgt vor allem, dass Orban
die bisher unabhängige ungarische Notenbank ans Gängelband nehmen will. Die
EU-Kommission prüft aber auch mehrere Verfassungsänderungen, die weite
Teile des Staatsapparates unter Regierungskontrolle stellen und
demokratische Rechte und Freiheiten einschränken.
"Erst wenn die Unabhängigkeit der Notenbank gewährleistet ist, werden wir
die Gespräche wieder aufnehmen", heißt es in der Brüsseler Behörde.
Ursprünglich wollte die EU-Kommission bereits am Freitag entscheiden, ob
ihre Forderungen umgesetzt wurden oder sie Vertragsverletzungsverfahren
gegen Ungarn einleitet. Doch offenbar will sie nun erst einmal prüfen, was
von der überraschenden Wende in Budapest zu halten ist.
## Gespräche in Washington
"Die ungarische Regierung hat alles getan, damit die IWF-EU-Verhandlungen
so bald wie möglich begonnen und abgeschlossen werden können", erklärte
Orban. Der für die IWF-Gespräche zuständige ressortfreie Minister Tamas
Fellegi verfüge über ein weitreichendes Verhandlungsmandat.
Die Gespräche sollen am Mittwoch in Washington beginnen. Fellegi hatte
bereits erklärt, dass er auf die "Bedenken und Einwände" des IWF eingehen
wolle. Allerdings müssten Änderungen "im Einklang mit den Interessen des
Landes" stehen. Erhebliche Zweifel an der Kompromissbereitschaft der
ungarischen Regierung haben die Grünen und die Sozialdemokraten im
Europaparlament.
Sie forderten die EU-Kommission auf, ein Artikel-7-Verfahren einzuleiten,
um zu prüfen, ob Ungarn EU-Grundwerte verletzt. Außerdem solle die
Europäische Volkspartei, der auch die CDU angehört, die ungarische
Fidesz-Partei suspendieren.
6 Jan 2012
## AUTOREN
Eric Bonse
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