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# taz.de -- Polizisten vor Gericht: Verteidiger wollen Freispruch für Faustsch…
> Über zwei Jahre nach dem Polizeiübergriff auf einen Demonstranten hat das
> Verfahren begonnen. Die Polizisten rechtfertigen ihr Verhalten.
Bild: Traditionell im September zieht die Freiheit-statt-Angst-Demo durch Berli…
Richterin Karin Miller spielt das Video ab, dreimal, viermal. Immer wieder
gräbt sich die Polizeifaust ins Gesicht des Mannes mit dem blauen Shirt und
dem Fahrrad. Der Mann geht zu Boden, Demonstranten schreien: "Wir sind
friedlich, was seid ihr?"
Die Youtube-Clips vom Übergriff auf den "Mann in blau" hatten für Empörung
gesorgt. Fast zweieinhalb Jahre nach dem Vorfall auf der "Freiheit statt
Angst"-Demonstration am 12. September 2009 landete der Fall am gestrigen
Montag vor dem Amtsgericht Tiergarten.
Marcus N. und Dirk K., die angeklagten Beamten, erscheinen in Hemd und
Jackett. Körperverletzung im Amt wirft ihnen der Staatsanwalt vor. Als
Oliver H., der "Mann in blau", einem Platzverweis nicht nachgekommen sei,
habe ihn K. zu sich gezogen, mit der Faust geschlagen und einen
"schmerzhaften Nasendruckhebel" angewendet. Auch N. habe dem Opfer zwei
"wuchtige Faustschläge" ins Gesicht versetzt. Beide Polizisten arbeiten
heute im Innendienst.
Die Verteidiger verlesen Erklärungen. Oliver H. habe nach Ende der Demo
einen Platzverweis ignoriert. Als er darauf festgenommen werden sollte,
habe er sich widersetzt. Da habe man "unmittelbaren Zwang" angewendet - die
Faustschläge. "Ich bedaure diese Eskalation und die Verletzungen", heißt es
im Schreiben des 26-jährigen K. Wäre H. seinem Platzverweis gefolgt, "wäre
das nicht passiert".
Oliver H., 40 Jahre, promovierter Biologe, roter Pullover, widerspricht.
Schon vor dem Übergriff habe er sich über die aggressive Polizei geärgert.
Als er mit seinem Fahrrad geschubst worden sei, habe er die Dienstnummer
des Beamten verlangt, erfolglos. Er sei gen Bürgersteig abgedreht,
plötzlich habe ihn K. mit der Faust geschlagen. "Ich bin von ihm vorher
nicht angesprochen worden, konnte gar nicht reagieren." Nervös knetet H.
seine Hände, trippelt mit dem Fuß. "Dann ist die Erinnerung weg, als
nächstes war ich im Polizeiwagen. Ich hatte Angst, Panik."
Der Arzt notierte damals: "Unterlippe zerrissen, Oberlippe zerrissen und
vom Kiefer abgerissen, mehrere rötliche Hautabschürfungen". Bis heute habe
er ein taubes Gefühl in Gesicht und Zähnen, sagt H. Er habe psychologische
Hilfe gebraucht.
Die Verteidiger der Polizisten haben keine Zeit für Mitleid, sie wollen
Freispruch. H. habe sich widersetzt, die Maßnahme sei "klar und rechtmäßig"
gewesen, so Anwalt Peter Zuriel. Er zeigt ein Videozusammenschnitt, auf dem
Oliver H. zwei andere Polizeieinsätze stören soll. Die Botschaft: H., ein
Querulant. H.s Anwalt Johannes Eisenberg poltert: "Selbst wenn, wäre das
kein Grund, jemandem so die Birne einzuschlagen." Er fordert eine
"deutliche" Freiheitsstrafe.
Die Staatsanwaltschaft hatte ihre Ermittlungen mit Strafbefehlen beenden
wollen. K. wäre damit einverstanden gewesen, N. nicht. Briefwechsel
folgten, deshalb der späte Prozessbeginn. Kommenden Montag geht der Prozess
weiter.
16 Jan 2012
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Schwerpunkt Polizeigewalt und Rassismus
Schwerpunkt Überwachung
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