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# taz.de -- Polizeiattacke auf den "Mann in blau": Schwamm drüber
> Das Verfahren gegen zwei Polizisten wegen Körperverletzung im Amt steht
> zwei Jahre nach der "Freiheit statt Angst"-Demo vor dem Ende. Mit einem
> glimpflichen Ausgang für die Angeklagten.
Bild: Direkt ins Gesicht: Polizeibeamter schlägt den "Mann in blau"
In zwei Wochen wollen Datenschützer wieder auf die Straße gehen: gegen
Überwachung, gegen "Datensammelwut", für "Freiheit statt Angst". Vor zwei
Jahren, im September 2009, wurde ihre Demo von einem Vorfall überschattet,
dessen juristische Aufarbeitung nun vor dem Abschluss steht: Die Schläge
zweier Polizisten gegen einen Radfahrer sollen aller Voraussicht nach mit
Strafbefehlen geahndet werden, ohne öffentlichen Prozess.
Die beiden Polizisten hatten Oliver H., blaues Shirt, sein Fahrrad
schiebend, damals am Rande des Aufzugs festgenommen. Angeblich, weil er
Polizeimaßnahmen gestört habe. Videos von Augenzeugen zeigen dagegen, wie
H. einen Polizisten nach seiner Dienstnummer fragt und von einem Beamten
plötzlich nach hinten gezerrt wird. Ein zweiter Polizist schlägt dem
37-Jährigen mit der Faust ins Gesicht. [1][Die im Internet verbreiteten
Bilder] sorgten für Empörung.
Hautabschürfungen, Schwellungen und eine vom Kiefer abgerissene Oberlippe,
stellen Ärzte später fest. Laut seinem Anwalt Johannes Eisenberg ist H.s
unteres Gesichtsfeld bis heute taub, der Mann sei traumatisiert.
Im November 2010 erhebt die Staatsanwaltschaft Anklage gegen die Polizisten
wegen Körperverletzung im Amt. Doch die Prozesseröffnung bleibt aus. Laut
Eisenberg verweist ein Verteidiger auf Termin-Engpässe. Stattdessen schlägt
dieser vor, den Prozess gegen Strafbefehl abzuschließen - wegen der Länge
des Verfahrens. Die zuständige Richterin signalisiert laut einem Vermerk
vom 28. Juli, der der taz vorliegt, Zustimmung: Sofern auch der andere
Angeklagte zustimme, sei ein Strafbefehl möglich. Die Obergrenze bei
Strafbefehlen liegt bei einem Jahr Freiheitsstrafe zur Bewährung. Oft
erfolgen Geldstrafen.
"Der Fall trägt Züge der Strafvereitelung zu Gunsten der Schläger",
kritisiert Eisenberg scharf. Zwar sei die Verteidiger-Offerte ein
Schuldeingeständnis. "Wir reden aber von einer vorsätzlichen,
gemeinschaftlichen Tat, die für das Opfer schwerwiegendste Folgen hatte."
Dies verdiene mehr als eine Geldstrafe. "Die Polizisten haben ihr
Gewaltmonopol missbraucht und gehören nicht in den Polizeidienst."
Das zuständige Amtsgericht konnte sich zu dem Fall am Montag nicht äußern.
Ein Verteidiger der Polizisten wollte das Verfahren nicht kommentieren, der
zweite war nicht erreichbar.
Zwei Beamte wurden wegen des Vorfalls bereits zu Geldstrafen von 4.800 und
1.500 Euro verurteilt. Sie hatten zwei Umstehende mit Fäusten traktiert,
die gegen Oliver H.s Festnahme protestierten. Verurteilungen gegen
Polizisten sind selten: 2009 wurden in Berlin 748 Strafverfahren wegen
Körperverletzung im Amt eingeleitet, nur 5 endeten mit einer Verurteilung.
Ein Verfahren gegen H. wegen Widerstands wurde eingestellt. Mehr noch: Der
Staatsanwalt bemerkte, H. hätte sich wegen der unrechtmäßigen Behandlung
gar "straflos widersetzen dürfen".
Noch ermittelt wird gegen Eisenberg. Die Polizisten klagten wegen
Beleidung, nachdem der Anwalt von "Prügelbullen" und "Schutzbehauptungen"
sprach. Das Verfahren werde demnächst eingestellt, sagt Eisenberg.
Sven Lüders von der Humanistischen Union kritisiert den Umgang mit dem
Polizeiübergriff. Es zeichne sich ab, dass die Tat "keine erkennbaren
Konsequenzen" haben werde - "obwohl es keine Probleme mit der
Täteridentifizierung gab". Wichtig sei daher eine unabhängige Kontrolle der
Polizei, etwa durch einen Polizeibeauftragten. Der Vorfall werde auch auf
der "Freiheit statt Angst"-Demo thematisiert, so Lüders, dessen Verband zu
den Mitorganisatoren gehört. Am 10. September wollen die Datenschützer vom
Brandenburger Tor zum Alexanderplatz ziehen: gegen Vorratsdatenspeicherung,
Massenüberwachung - und Polizeigewalt.
30 Aug 2011
## LINKS
[1] http://ftp.ccc.de/events/freiheit_statt_angst_demo_Sep2009/
## AUTOREN
Konrad Litschko
## TAGS
Polizei
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