Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- "Tatort"-Kommissar über sein neues Leben: "Mit dem Fernsehen bin i…
> Als Saarland-"Tatort"-Kommissar wurde Gregor Weber unehrenhaft entlassen.
> Heute läuft sein letzter Film. Danach wird er Bücher schreiben. Oder
> kochen.
Bild: Ein letztes Mal Kriminalhauptkommissar Stefan Deininger: Gregor Weber in …
sonntaz: Herr Weber, wissen Sie schon, was Sie Sonntag um 20.15 Uhr machen?
Gregor Weber: Na, endlich mal den "Tatort" anschauen, es interessiert mich
schon, wie der Film geworden ist.
Sie haben "Verschleppt", Ihren letzten "Tatort", noch nicht gesehen?
Nein, dieses Mal haben Maxi und ich keine DVD mehr geschickt bekommen,
obwohl davon im Kündigungstelefonat noch die Rede war.
Sie und Ihr Ko-Kommissar Maximilian Brückner wurden im Oktober als
"Tatort"-Duo des Saarländischen Rundfunks (SR) abgesetzt. Sie erfuhren's am
Telefon?
Der Anruf kam, als ich gerade auf der Autobahn unterwegs war. Der
betreuende Redakteur sagte nur: Es werde kein angenehmes Gespräch, der
Saarländische Rundfunk habe beschlossen, die beiden "Tatort"-Kommissare in
Rente zu schicken.
Sie waren überrascht? Dabei wurde doch schon vor einem Jahr mit der Suche
nach Nachfolgern begonnen.
Ich hatte davon keine Ahnung. Der SR wollte, dass alle denken, man habe
sich in gegenseitigem Einvernehmen getrennt – das war natürlich lächerlich.
Es heißt immer: Wenn einem gekündigt wird, sieht man wie ein Verlierer aus,
da ist man sich einig in der Branche. Aber der Meinung waren Maxi und ich
nicht, weder die Quote noch unsere Leistung oder die Kritiken standen
schlecht für uns.
Deininger und Kappl ermittelten seit 2006 als Team, kurz darauf übernahm
mit Christian Bauer ein neuer Redakteur den SR-"Tatort". Was ist passiert?
Wir sind unter anderen Voraussetzungen in diese Zusammenarbeit gegangen.
Von einer offenen Gesprächskultur war die Rede, man wollte auf Augenhöhe
miteinander agieren, ein kleines Kernteam bilden, das sich an einem Thema
abarbeitet. Aber de facto war es eine Abnickrunde. Kunst ist eben Diktatur.
Christian Bauer hat an seine Vorstellung geglaubt und das ohne Diskussion
durchgezogen.
So ein Einfluss von Schauspielern auf die Drehbücher ist doch sowieso eher
die Ausnahme.
Das stimmt schon. Bevor Bauer kam, saßen wir überhaupt nicht mit am Tisch,
sondern erschienen zum Dreh und bekamen die Stoffe übergezogen.
Inwiefern spiegelt sich in Ihrem Wunsch, mitzureden, ein verändertes
Selbstverständnis von Schauspielern?
Es ist eine Machtfrage. Prominente Schauspieler können theoretisch alles
verlangen, auch wenn sie keine Ahnung haben. Aber es ist nicht
grundsätzlich sinnvoll, dass Schauspieler mitreden. Ich maße mir aber an,
zu wissen, wovon ich rede, weil ich selbst Bücher schreibe. Und was die
Autoren ablieferten, war meiner Meinung nach oft einfach handwerklich
schlecht. Und da diskutierte ich dann eben so lange, bis der Plot etwas
taugte. Ich vermute, Bauer hatte irgendwann keine Lust mehr auf diese
Auseinandersetzungen.
Aber Sie konnten sich doch auch mit Vorschlägen durchsetzen. "Heimatfront"
(2011) etwa inszenierte ein Freund von Ihnen, der Oscargewinner Jochen
Alexander Freydank.
Ja, stimmt, ich habe ihn empfohlen. Aber mir ging es doch nie darum,
irgendwelche Autoren oder Regisseure durchzudrücken. Ich kenne ja sowieso
kaum jemanden. Es war einfach mein letzter Versuch, einen Zipfel von dem zu
erwischen, was in dieser Branche möglich ist: nach den Sternen zu greifen,
immer darum zu ringen, großartige Geschichten zu erzählen. Doch nach dem
vorletzten Film war Maxi und mir klar, dass wir uns für den nächsten
"Tatort" nicht mehr so aufreiben. Ich habe da resigniert, mich innerlich
verabschiedet. Die letzten Jahre waren ernüchternd.
Ein Ziel des Redakteurs war es, die beiden Hauptfiguren schärfer zu
profilieren, Deininger rüpeliger zu zeigen. In der letzten Folge sieht man
einiges davon.
Ja, in "Verschleppt" schreit und weint Deininger, Kappl schlägt sogar zu –
nur: Das steht alles nicht im Drehbuch, das haben wir improvisiert. Aber es
war für die Figuren wichtig. Ein deutscher Polizist, der einen Verdächtigen
schlägt, da zuckt mancher schon zusammen. Das Spannende ist ja: Polizisten
sind das personifizierte Gewaltmonopol des Staates, die haben einen
Gummiknüppel und Schusswaffen, dürfen in manchen Situationen legal töten.
Sie erwähnten es: Sie schreiben selbst. Im Sommer erschien Ihr erster
Krimi, "Feindberührung". Welche Eigenschaften waren Ihnen für Ihren
Romankommissar Grewe wichtig?
Er sollte vor allem glücklich sein, damit die Fallhöhe größer ist. Ich
wollte keinen, der seinen Kummer abarbeitet, sondern einen, der von seiner
Arbeit erschüttert wird. Wenn Grewe trinkt, ist das ein Ereignis, keine
Normalität.
Sie waren ein Jahrzehnt "Tatort"-Kommissar und schreiben dann über
Polizeiarbeit. Kennen Sie sich so gut damit aus?
Ich bin mit einigen Polizisten befreundet, die beim "Tatort" beraten, etwa
einem Spurensicherungsspezialisten vom LKA. Es hilft natürlich, wenn man
jemandem Detailfragen stellen kann. Aber anders als beim Fernsehen versuche
ich, nichts zu vereinfachen, sondern die Ermittlungsarbeit und ihre Logik
zu zeigen, wie sie wirklich ist.
"Feindberührung" handelt von Bundeswehrrückkehrern aus Afghanistan, der
"Tatort: Heimatfront" auch. Zufall?
Nein, die Grundidee von "Heimatfront" waren Snipermorde. Der Teil mit den
Afghanistanheimkehrern war meine Idee. Einer der Bundeswehrstützpunkte mit
einer Luftlandebrigade ist im Saarland, das bot sich an. Meine Recherchen
für den Krimi flossen dann ins Drehbuch ein.
Was fasziniert Sie so an dem Thema?
Ich gehöre noch zu der Generation, die während des Kalten Krieges
Wehrdienst geleistet ist. Der Krieg in Afghanistan hat alles verändert, die
Bundeswehr wurde zur Einsatzarmee. Mich interessiert, was passiert, wenn
eine Generation junger Männer nach diesen Kriegserlebnissen in die deutsche
Gesellschaft zurückkehrt. Darüber wollte ich eigentlich ein Sachbuch
schreiben.
Aber?
Der damalige Verlag meinte, verkaufen würde sich da nur ein Sachbuch von
einem Journalisten, nicht von einem Schauspieler. Und einen Krimi wollte
ich sowieso schon immer schreiben. Ich habe mit 14 angefangen, alle
Sherlock-Holmes- und Miss-Marple-Bände zu lesen. Das Genre ist toll, man
kann damit alles erzählen. Außerdem kommt es mir als Autor entgegen.
Inwiefern?
Bei einem Krimi muss ich einen Plot entwickeln. Das hilft mir. Sonst würde
ich am Ende wie Michael Douglas' Figur in dem Film "Wonderboys" mit 5.000
Seiten Manuskript dasitzen und der Verlag würde mich aus dem
Vorschaukatalog streichen, weil das Buch nicht fertig wird. Meine Frau ist
auch Autorin, sie ist da disziplinierter. Gerade sitze ich am zweiten
Grewe-Krimi, es geht um Polizistenmord.
Was werden Sie am "Tatort" vermissen?
Finanziell ist es natürlich unschön, das Spielen wird mir aber nur begrenzt
fehlen. Ich habe mich ja schon vor gut sechs Jahren davon verabschiedet;
diesen Prozess habe ich hinter mir, seit ich die Kochlehre gemacht habe.
Damit wollten Sie Ihrer Familie Sicherheit verschaffen, als nach dem Umzug
nach Berlin die erhofften Rollenangebote ausblieben. Umso mehr
Aufmerksamkeit brachte Ihnen nun das Ende Ihres "Tatort"-Duos ein. Wie
überrascht waren Sie von dem Ausmaß des Medieninteresses?
Man sollte sich in der eigenen Bedeutung nicht vertun, wir sind ja nicht
wichtig für den Fortbestand der Bundesrepublik Deutschland oder so. Aber
diese Anerkennung war schon schön für uns. Wir wollten, dass die Kündigung
so schnell wie möglich öffentlich wird, alles andere wäre für uns schlicht
geschäftsschädigend gewesen. Wer eine feste Rolle beim "Tatort" hat, kommt
für eine Reihe anderer Figuren nicht infrage. Gerade weil man oft gerne
immer wieder als Bulle besetzt wird, wenn man einmal einen gespielt hat.
Aber parallel zum "Tatort" geht das natürlich nicht.
Und hat schon jemand angerufen?
Nein, ich bemühe mich aber auch nicht, einen Agenten habe ich schon lange
nicht mehr. Das Thema ist für mich abgeschlossen. Es ist auch nicht gerade
zuträglich, eine querulantische Aura zu haben in einer Branche, in der
immer alle happy sind. Aber vor allem kann der Schreibprozess keine
Erschütterungen vertragen – zu Castings zu gehen, auf Zusagen zu hoffen,
das schaffe ich nicht. Als Autor brauche ich geradezu spießige Ordnung, ich
will fünf Seiten am Tag schreiben. Und ich bin von Beruf nun eben Autor.
Und "Tatort"-Kommissar a. D.
Saarland-Tatort: "Verschleppt"; Sonntag, 20.15 Uhr, ARD
22 Jan 2012
## AUTOREN
Anne Haeming
## TAGS
Geburtstag
## ARTIKEL ZUM THEMA
Mit der taz ins Kino: „Für Freunde, Fans, Feinde“
Die taz.bremen hat Geburtstag. Zum 30. laden wir die Stadt zu Sekt,
Vorträgen und Filmen ein, die alle etwas mit Zeitungsmachen zu tun haben
Wo alle SWR-„Tatorte“ gedreht werden: Ein Haus für alle Fälle
Die Küche von Lena Odenthal, das Stuttgarter Kommissariat, das Büro von
Klara Blum – in Baden-Baden sind alle Innendrehorte der SWR-„Tatorte“ unt…
einem Dach.
Kolumne Fernsehen: Wir können auch die Pest sein
Das journalistische Genre der Fernsehkritik existiert irgendwo zwischen
Schnellgericht, Gottschalk und trauriger Effektlosigkeit. Was TV-Kritik
(nicht) bewegt.
Kolumne Fernsehen: Im kollektiven Wohnzimmer
Bei Tee mit Ingwerstückchen und Orangina kann Public Viewing mitunter sehr
privat und einfach öde sein: Szenen eines "Tatort"-in-der-Kneipe-Guckens.
Neuer "Tatort" aus dem Ruhrgebiet: Dortmunder Duett für vier
Es wird einen neuen "Tatort" im Ruhrgebiet geben. Das Privatleben der
KommissarInnen soll keine große Rolle spielen, die Seele des Potts dafür
umso mehr.
Neue Tatort-Kommissarin Nina Kunzendorf: "Vor Scham fast vom Stuhl gefallen"
Noch vor ihrem "Tatort"-Debüt fand Nina Kunzendorf sich nackt in "Bild"
wieder. Ein Gespräch über ihre neue Rolle und was sie gerade verändert.
Saarbrücken-Tatort: Boxen gegen die Vergangenheit
Mit schockbewussten Bildern zeigt der Saarländische Tatort "Heimatfront"
Heimkehrer aus Afghanistan. Und die Kommissare gewinnen an Persönlichkeit.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.