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# taz.de -- Wo alle SWR-„Tatorte“ gedreht werden: Ein Haus für alle Fälle
> Die Küche von Lena Odenthal, das Stuttgarter Kommissariat, das Büro von
> Klara Blum – in Baden-Baden sind alle Innendrehorte der SWR-„Tatorte“
> unter einem Dach.
Bild: Innenansicht: Rechts schläft Kopper, links lagern Requisiten.
BADEN-BADEN taz | Du musst jetzt erst mal runterkommen. Und dann erzählst
du mir ganz in Ruhe, seit wann du einen Bruder hast und warum die mir zum
Abschied zu meiner coolen Frau gratuliert haben“, sagt Kopper, als alles
vorbei ist. Da schneidet Lena Odenthal gerade die Zwiebeln fürs gemeinsame
Abendessen, nippt am Rotwein und guckt so ein bisschen hilfslos-verwegen,
während die Küche der beiden „Tatort“-Königskinder in mildem gelbem Licht
die ganz große Gemütlichkeit ausstrahlt, die nichts anderes sagen will als:
„Das wird schon wieder.“
Es ist tatsächlich gemütlich in der gemeinsamen Wohnung des Ermittlerteams
aus Ludwigshafen – beziehungsweise muss jetzt, Wochen vor den Dreharbeiten,
gemütlich erst mal werden. Die Küche wird schön gemacht: neue Bilder an die
Wände, auch die gelbe Lampe hinten auf dem Schrank wird in der aktuellen
„Tatort“-Folge „Der Wald steht schwarz und schweiget“ (siehe Kasten) zum
ersten Mal strahlen. Noch toben sich hier die Szenenbildner aus, in Lena
Odenthals Wohnzimmer stehen große Veränderungen an – doch die finden im
neuen Film noch gar nicht statt.
„Sie ist ja auch ein bisschen älter und reifer geworden“, sinniert eine
Szenenbildnerin und räumt derweil die Fünfziger-Jahre-Schätzchen weg, die
bislang die Ludwigshafener Wohnung beherrschten, in der Lena Odenthal mit
ihrem Kollegen Kopper lebt. Jetzt geht’s voll in die 1980er, mit Gelb,
Schwarz und viel Glanz.
„Das kommt eben alles wieder“, sagt ein anderer Kollege, und dass die zwei
Kommissarschauspieler „eigentlich auch mal selber streichen“ könnten.
Allerdings bleibt das feuchter Traum – und die Arbeit klar an ihnen, den
Deko- und Ausstattungsfachleuten, hängen: „Umziehen ist unser Hauptjob,
auch wenn gar keiner auszieht – deswegen helfen wir privat auch bei keinem
Umzug mehr“.
Spricht's, geht einen Raum weiter, links ist Lenas Schlafzimmer, dahinter
das von Kopper, im Schrank liegt ’ne alte taz, dann ist die Wohnung zu
Ende, und man steht auf dem Flur und ist – in Konstanz, bei Klara Blum.
Nicht in der Wohnung, sondern im Kommissariat mit dem schönen TV-Blick auf
Natur unten am Bodensee, dem schicken Sofa und dem Bild des toten Gatten
auf dem Schreibtisch.
„Das Sofa hat sich Eva Mattes explizit gewünscht“, sagt Annette Gilcher vom
Südwestrundfunk, die hier die Fremdenführerin gibt, und warnt dringend vor
dem Verzehr der Gummibärchen in der Tüte auf dem Schreibtisch: sind halt
schon ein bisschen her, die letzten Dreharbeiten zum Bodensee-„Tatort“.
Aber was denn nun? Wo sind wir denn hier? Ludwigshafen am Rhein? Konstanz
am Bodensee?
## Früher waren hier die Franzosen
Nichts von alledem: Egal ob man in der Ludwigshafener Wohnung von Lena
Odenthal (Ulrike Folkerts) und Mario Kopper (Andreas Hoppe) oder dem Büro
von Klara Blum (Eva Mattes) aus dem Fenster schaut – man sieht:
Baden-Baden. Genauer gesagt, den Jägerweg im Ortsteil Cité, der so schön
französisch heißt, weil hier früher die französische Armee ihr
Hauptquartier für ihre in Deutschland stationierten Truppen und deren
Angehörige hatte.
Jetzt ist die Armee ausgezogen, dafür tummeln sich in den 1950er- und
1960er-Jahre-Betonbauten die Europäische Medien- und Eventakademie, die
Volkshochschule. Und das „Tatort“-Haus des Südwestrundfunks (SWR). Denn der
sitzt ebenfalls in Baden-Baden, auch wenn seine drei „Tatorte“ geografisch
ganz woanders spielen, in Ludwigshafen, Konstanz und Stuttgart nämlich.
Weil es aber viel teurer wäre, jedes Mal einzelne Wohnungen anzumieten (wie
man es früher für Lena Odenthals Luwigshafener Butze gemacht hat) und für
jeden Dreh die Kommissariate wieder neu aufzubauen, hat sich der SWR auf
mittlere Sicht hier eingenistet. Das Gebäude, früher eine französische
Schule mit Internat, ist für die Zwischennutzung günstig zu haben. Und die
beim ARD-Sender in Baden-Baden beheimateten Gewerke müssen nicht immer mit
Sack und Pack zu den tatsächlichen „Tat“-Orten pilgern beziehungsweise
nicht mehr ganz so oft, denn die Außenaufnahmen werden natürlich nach wie
vor in den jeweiligen Städten gedreht.
Wobei: Im aktuellen Fall spielt der Pfälzer Wald die Hauptrolle,
Deutschlands größtes zusammenhängendes Waldgebiet hat Lena Odenthal
verschluckt. Dabei wollte sie nur mal schnell Kopper einen Gefallen tun,
persönliche Amtshilfe sozusagen. Die wäre im „Tatort“-Haus noch in ganz
anderen Dimensionen möglich.
Denn hier finden sich nicht nur die Odenthal-Kopper-Wohnung, deren Küche
übrigens tatsächlich aus der früher angemieteten Wohnung in Ludwigshafen
stammt, und das Büro von Kriminalhauptkommissarin Karla Blum. Nur ein
Stockwerk tiefer liegt das Luwigshafener Kommissariat. Und eins darüber
natürlich die Dienststelle der Kollegen Bootz und Lannert aus Stuttgart.
Die schwelgt in den wilhelminischen Bögen alter Justizpaläste, die hier in
kulissentechnischer Vollendung neu eingebaut wurden. „Kein Essen und
Trinken im Motiv“, warnt ein Zettel, 2008 ist es mit dem neuen
Kommissarteam Felix Klare (Bootz) und Ritchie Müller (Lannert) eingeweiht
worden. Die Teeküche mit ihren Ravioli-Dosen sieht dabei so aus, als würde
sie auch mal in echt benutzt.
Ansonsten sind die „Gewerkschaft der Polizei“-Kalender original (wenn auch
nicht mehr ganz taufrisch), und auch die Aktendeckel stammen – wie in den
anderen „Tatort“-Haus-Kommissariaten – von der „echten“ jeweiligen
Polizeibehörde. Drinnen finden sich dann allerdings alte Rechnungen der
Wasserwerke Baden-Baden an die französische Garnison. Das „Tatort“-Haus
nutzt also Synergien und macht Recycling-TV im besten Sinne.
Nur mit dem hochauflösenden Fernsehen könnte es demnächst kleine
Schwierigkeiten geben – weil der Zuschauer am heute handelsüblichen
Großflachbildschirm mit gestochen scharfem HD-Bild sehen könnte, dass
Koppers Rolodex-Visitenkartenrollkartei (so der amtliche Name des
Herstellers) vermutlich aus den Siebzigern und einem längst nicht mehr
existierenden Klempnerunternehmen stammt; die Postleitzahlen sind
jedenfalls noch vierstellig. Doch im fertigen „Tatort“ verspielt sich ja so
manches, sagt Frau Gilcher vom SWR.
## Ein Leichenraum im Erdgeschoss
Zum Beispiel auch die Sache mit der Leiche. Denn auch für die ist im
„Tatort“-Haus reichlich Platz, und was für einer: Im Erdgeschoss liegt die
Pathologie, und die ist echt. Beziehungsweise war echt, damals, als sie
noch in Leipzig Dienst tat. Jetzt dient sie den RechtsmedizinerInnen aller
drei SWR-„Tatorte“ gleichermaßen, besonders der große Kühlschrank, bei d…
im Film die Leiche immer im selben der neun Fächer liegt. Dass die anderen
Türen erst gar nicht zu öffnen sind, ist eine Mär, aber die Leiche liegt
trotzdem immer in der Mitte. „Doch auch das kommt im Film nicht so raus,
weil je nach Kamerawinkel und Einstellung solche Details gar nicht so klar
zu erkennen sind“, sagt Gilcher.
Die SchauspielerInnen jedenfalls sind glücklich mit ihrer Filmpathologie
außer Betrieb. „Wenn früher in einer richtigen gedreht wurde, war das
bestimmt ein merkwürdiges Gefühl – zu wissen, dass da vorher wirklich Tote
lagen“, sagt Gilcher und will weiter, noch einmal „nach Stuttgart“. Den
großen Fahrstuhl am Eingang zum Reich der Rechtsmedizin zu nehmen verbietet
sich allerdings: „Der ist Fake, da haben Sie im ’Tatort‘ noch nie jemanden
reinsteigen oder rauskommen sehen“.
Also geht es wieder über die ehemalige Schultreppe rauf, vorbei an der
Luwigshafener Wohnung mit ihrer gemütlichen Küche, in der sich Odenthal und
Kopper auch am Ende von „Der Wald steht schwarz und schweiget“ mal wieder
um Haaresbreite näher kommen. „Selbst gesammelte Steinpilze im besten
Risotto nördlich der Alpen – cremig, aber mit Biss“, schwärmt Kopper. Dazu
leuchtet die gelbe Lampe Gemütlichkeit ins „Tatort“-Haus, Lena Odenthal
weint ganz leise – und der coole Bulle sagt: „Die Zwiebeln, ja nee, ist
klar.“
13 May 2012
## AUTOREN
Steffen Grimberg
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