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# taz.de -- Kolumne Fernsehen: Wir können auch die Pest sein
> Das journalistische Genre der Fernsehkritik existiert irgendwo zwischen
> Schnellgericht, Gottschalk und trauriger Effektlosigkeit. Was TV-Kritik
> (nicht) bewegt.
Bild: Wie man es schafft, dauerhaft, permanent und durchgehend kritikresistent …
Diese Woche war keine gute für die deutsche Fernsehunterhaltung. (Mit so
einem Satz startet man doch gern ins neue Kolumnenjahr.) Wer wagt, hat
nicht gewonnen. Und schreckhaft, wie Fernsehmacher hierzulande nun mal
sind, werden sie wohl schnell drauf reagieren - im Zweifel zu schnell. Dass
man dem Zuschauer erst mal eine Chance geben muss, sich an neue Formate zu
gewöhnen, ist eine Binse - außer für Senderchefs.
Los ging es mit der ziemlich verkorksten Premiere von "Gottschalk Live" im
Ersten am Montag, dem Versuch einer "sehr persönlichen Show"
(ARD-Vorabendkoordinator Frank Beckmann), "abwechslungsreich, unterhaltsam
und interaktiv" - gedacht, mit Deutschlands größtem lebenden Entertainer.
So eine Sendung hatte es bislang in Deutschland noch nicht gegeben - und
Thomas Gottschalk hat definitiv das Zeug dazu, solch ein neuartiges Format
zu prägen.
Doch die Premiere war von Werbung zerhackt, der Moderator fahrig und
großspurig und der ganze Social-Media-Hokuspokus wirkte aufgesetzt. Die
Quittung kam prompt: Die zweite Ausgabe von "Gottschalk Live" schalteten am
Dienstag nur noch 2,43 Millionen Zuschauer ein - fast zwei Millionen
weniger als noch am Abend zuvor, die dritte sogar noch mal weniger.
Baden ging am Dienstag auch der Frauenkrimipilot "Hannah Mangold & Lucy
Palm" auf Sat.1, den auch hervorragende Kritiken der jungen Zielgruppe
nicht schmackhaft machen konnten - traurige 1,15 Millionen sahen zu. In der
letzten Woche war schon die Rückkehr des 90er Krimihelden "Wolff" gefloppt.
## Der geringe Effekt der Arbeit macht traurig
Als Fernsehkritiker macht es mich schon traurig, wie gering der Effekt
unserer Arbeit ist. Man kann die Leute nicht zu ihrem Glück zwingen - würde
es aber so gern. Und kann zugleich nicht verhindern, dass das
RTL-Promi-Endlager im australischen Busch ein Quotenrenner ist. Das
Dschungelcamp ist mittlerweile so etabliert, dass ich mich dabei ertappe,
mir bei Kritik daran vorzukommen wie eine Oma, der die Röcke heutzutage
viel zu kurz sind: ziemlich gestrig.
Wir Kritiker können natürlich auch eine Pest sein - etwa wenn wir einmal 30
Minuten Gottschalk gucken und die Premiere dann in einem Text genüsslich
sezieren. Einerseits erwarten das die Leser von uns (glauben wir
zumindest), andererseits ist uns mehr oder weniger insgeheim bewusst, wie
unfair ein solches Schnellgericht ist und wie kontraproduktiv, denn die
erste Sendung ist nie die beste.
## Langzeitbeobachtungen kommen viel zu kurz
Und das Letzte, was ein Kritiker bei einem ihm grundsympathischen Format
will, ist doch, die Kurzatmigkeit der Senderverantwortlichen
herauszufordern. Langzeitbeobachtungen kommen viel zu kurz - nach der
Gottschalk-Premiere ist vor dem nächsten großen Thema. Die Karawane zieht
weiter, immer weiter. Zwischendurch mal umdrehen ist eher nicht vorgesehen.
Und dann soll allen Ernstes auch noch Jörg Pilawa "Wetten, dass ..?"
moderieren. Oder, wenn der nicht will, Markus Lanz. Das ist das Gegenteil
von Wagnis. Nennen wir es ZDF. Diese Woche war wirklich keine gute für die
deutsche Fernsehunterhaltung. Das musste ich mal loswerden - auch wenns
wohl nix bringt.
26 Jan 2012
## AUTOREN
David Denk
## TAGS
NDR
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