# taz.de -- die wahrheit: Ich bin im TV, holt mich hier raus! | |
> Leute gibts, die haben für das in Deutschland hergestellte Fernsehen nur | |
> ein resigniertes bis verächtliches "Pffff" übrig. Diese Leute meinen... | |
Leute gibts, die haben für das in Deutschland hergestellte Fernsehen nur | |
ein resigniertes bis verächtliches "Pffff" übrig. Diese Leute meinen, | |
hierzulande würde keine einzige Idee zur Ausstrahlung kommen, die nicht | |
irgendwo im Ausland zusammenstibitzt wäre. Die Fernsehmacher aus Köln oder | |
München würden in Boston oder London hastig Notizen über "The Daily Show" | |
oder "The Office" machen - und hinten raus komme dann frech umlackierte | |
Hehlerware wie die "heute-show" oder "Stromberg". Dabei verhält sich Oliver | |
Kalkofe zu John Stewart wie ein Radiowecker zu einem Hi-Fi-Turm. | |
Genau das ist das Sympathische an einem sonst so unsympathischen Format wie | |
"Ich bin ein Star - holt mich hier raus". Das Dschungelcamp kommt zwar auch | |
aus dem Ausland, ist aber korrekt eingekauft, verzollt und importiert | |
worden. Es läuft in Deutschland unter Lizenz, ist also so etwas wie eine | |
ausstrahlbare McDonalds-Filiale. Selbst eine bessere Welt wäre nicht gut | |
genug, als dass es darin nicht auch einen Markt für Demütigungsfernsehen | |
gäbe. Womöglich würde das in einer besseren Welt aber von Arte statt von | |
RTL ausgestrahlt werden. Schalten wir doch mal live rüber! | |
Es regnet. Die Kamera folgt Richard David Precht, der mehr gleitet als | |
schreitet. Der drahtige Beau ("Wo bin ich - und wenn ja, warum?") will zum | |
Ufer, um sein fettiges Haar zu frisieren. Am Fluss fällt ihm plötzlich ein | |
Zitat von Heraklit ein, der Gedanke an seine Vergänglichkeit lässt ihn | |
versonnen in die Ferne blicken. Im trüben Wasser wäscht sich mal wieder | |
Herta Müller unter den Armen und beklagt, wie seit Tagen schon, mit | |
routiniertem Gemurmel ihre Lage im Lager: "Hier bin ich gut aufgehoben. | |
Weniger als das, was unter den Füßen stinkt, kann ich nicht werden. Erst | |
draußen werde ich ein Stück Menschendreck." | |
Liberal wie immer lümmelt lasziv Silvana Koch-Mehrin auf einer | |
Luftmatratze, nestelt an ihrem String-Tanga und beobachtet misstrauisch | |
Matthias Schweighöfer und Giovanni di Lorenzo, die knapp außer Hörweite am | |
Lagerfeuer gerade darüber lästern, wie faul die Silvana ist. Abseits liegt | |
Slavoj Zizek platt auf dem Bauch und plaudert mit einer schreckstarren | |
Trichterspinne: "Nach Lacan ist Begehren nichts anderes als die Bewegung | |
der Interpretation, der Übergang von einem Signifikanten zu einem anderen, | |
die unendliche Produktion von neuen Signifikanten, die der vorangehenden | |
Kette retroaktiv Bedeutung verleihen." | |
Da brechen aus dem Unterholz Wolf Biermann und Jonathan Meese hervor. Sie | |
haben gerade eine Dschungelprüfung absolviert. Biermann trägt nur ein | |
nachlässig gewickeltes Handtuch um die Hüften, wedelt mit einer | |
durchnässten Ausgabe des "Hyperions" und brüllt, was er immer brüllt: | |
"Hölderlin! Hölderlin! Lest Hölderlin!" Meese schüttelt den Kopf und | |
beginnt, aus einem Schlammklumpen eine Skulptur zu formen, die wie ein | |
Schlammklumpen aussieht. Es regnet. | |
Würde das jemand sehen wollen? Wäre eine solche Welt wünschenswert, | |
vielleicht sogar besser? Wie? Pfffft? Genau. | |
27 Jan 2012 | |
## AUTOREN | |
Arno Frank | |
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