# taz.de -- Neue Tatort-Kommissarin Nina Kunzendorf: "Vor Scham fast vom Stuhl … | |
> Noch vor ihrem "Tatort"-Debüt fand Nina Kunzendorf sich nackt in "Bild" | |
> wieder. Ein Gespräch über ihre neue Rolle und was sie gerade verändert. | |
Bild: Kriminalhauptkommissare Frank Steier (Joachim Król) und Conny Mey (Nina … | |
taz: Frau Kunzendorf, bisher haben Sie im Fernsehen vor allem | |
verschlossene, geheimnisvolle und düstere Charaktere gespielt. Als neue | |
Frankfurter "Tatort"-Kommissarin Conny Mey dürfen Sie von der ersten Szene | |
an ganz anders sein, nämlich charmant, schlagfertig und zugänglich. Wie | |
froh sind Sie, dass Sie sich von einer neuen Seite zeigen können? | |
Nina Kunzendorf: Das klingt ja, als wäre ich bislang wahnsinnig unglücklich | |
mit meinen Filmen gewesen, aber das Gegenteil ist der Fall. Ich habe tolle | |
Rollen spielen dürfen, und wenn ich durch diese in einer Schublade gelandet | |
bin, dann habe ich gerne darin gesessen. Aber weil ich meine Figur beim | |
"Tatort" von Anfang an mitgestalten durfte, habe ich mir zweierlei | |
überlegt: Was für eine Art von Kommissarin würde sich ein bisschen absetzen | |
von den Ermittlerinnen, die es im Fernsehen bereits gibt? Und wo habe ich | |
ganz persönlich eine schauspielerische Neugierde? | |
Wie viel von der Rolle stand bereits fest, und welche Ihrer Ideen sind in | |
die Figur eingeflossen? | |
Als ich zugesagt habe, war alles noch sehr offen. Vielleicht war ich ein | |
bisschen naiv, aber ich habe mir gedacht, es wird schon gut gehen und | |
meinen Wünschen entsprechen. Bei den ersten Treffen mit der Redaktion gab | |
es zwar noch Ideen wie "alleinerziehende Mutter, die Job und | |
Kindererziehung irgendwie hinkriegt" - aber da habe ich Einspruch | |
eingelegt, weil das für mich nichts Neues gewesen wäre. | |
Mir war von Anfang an wichtig, eine saftige Figur zu spielen. Eine Frau, | |
die ein bisschen zu schnell ist, ein bisschen zu direkt, die vorm | |
Reinkommen nicht anklopft, die einen zu tief ausgeschnittenen Pullover | |
trägt, die eher proletarisch ist und eine hohe emotionale Intelligenz hat. | |
Das gibt auch die Möglichkeit, vom Versagen zu erzählen. Mir liegt ja | |
überhaupt nicht daran, eine stets sonnige, allseits beliebte Frau zu | |
spielen. Ich möchte auch gern irgendwann zeigen, wo ihre | |
kumpelhaft-bodenständige Art nicht funktioniert, wo ihre Kleidung ein | |
Problem ist oder so etwas. | |
Eine kumpelhaft-bodenständige Prolette mit emotionaler Intelligenz und | |
tiefem Ausschnitt - was sagt die Figur der Conny Mey über den Stand der | |
Emanzipation der Frau in Deutschland aus? | |
Ha! Toll! Ich hatte gehofft, dass so eine Frage kommt. Zunächst mal: Es | |
gibt ja bekanntlich tatsächlich Frauen, die nicht besonders emanzipiert | |
sind. Die mausimäßig ihre Stimme eine Oktave höher setzen, sobald ein Mann | |
im Raum ist, nicht eigenverantwortlich sind und sich Männern unterordnen. | |
Wenn man eine solche Frau spielt, heißt das ja nicht, dass man diese | |
Haltung gut findet. Bei Conny Mey ist die Sache ohnehin noch mal ein | |
bisschen anders: Ich rechne zwar damit, dass von einigen Frauen der Vorwurf | |
kommt, die Rolle wäre frauenfeindlich und klischiert und reaktionär, weil | |
die Kommissarin mit knallarschengen Jeans herumrennt und ihren Busen zur | |
Schau stellt. | |
Ich hätte aber auch im realen Leben kein Problem mit einer Frau wie ihr, | |
weil Conny Mey so ein enorm starkes Selbstbewusstsein an den Tag legt. Wenn | |
da eine toughe und kompetente Kommissarin ist, die gern zeigt, was sie hat | |
und "Hab ich da was?" fragt, wenn ihr jemand in den Ausschnitt starrt, dann | |
ist das eine Form von Emanzipation, gegen die ich überhaupt nichts | |
einzuwenden habe. | |
Ist es eine ökonomische Erleichterung, wenn man die Unterschrift unter den | |
hochdotierten "Tatort"-Vertrag setzt? So übertrieben gut verdienen | |
Schauspieler hierzulande ja nicht. | |
Ich finde, dass Schauspieler gut bezahlt sind. Da habe ich schon den Groll | |
von einigen Leuten auf mich gezogen, weil man das anscheinend nicht sagen | |
sollte. Aber ich fühle mich sehr gut bezahlt - was vielleicht auch damit | |
zusammenhängt, dass ich lange am Theater gearbeitet habe und mich an die | |
Gagen dort gut erinnern kann. Wenn dann so ein Angebot für den "Tatort" | |
kommt, ist das Thema Geld natürlich ein Faktor - auch wenn mich die Anfrage | |
zu einem Zeitpunkt erreichte, an dem es mir beruflich sehr gut ging. | |
Ich könnte ohne weiteres zwei schöne Filme pro Jahr machen, die mir mein | |
Leben finanzieren würden - das sage ich ganz selbstbewusst. Realistisch | |
betrachtet ist es aber generell für alle Schauspieler so, dass die Angebote | |
nicht dicker werden. Es werden weniger Filme gedreht, die Gagen eher | |
gedrückt - und ich bin mit fast 40 in einem Alter, in dem die interessanten | |
Angebote vermutlich bald rar werden. Solche Gedanken hatte ich natürlich im | |
Hinterkopf bei meiner Entscheidung für den "Tatort". Ich möchte diesen | |
ganzen Vorgang gar nicht idealisieren und behaupten, dass ich schon immer | |
"Tatort"-Kommissarin werden wollte, egal was passiert. Das wäre Quatsch. Im | |
Moment fühlt sich diese Entscheidung aber gut und richtig an, nicht nur aus | |
pragmatischen Gründen - ich freue mich wie Bolle auf den nächsten Dreh. | |
Der "Tatort" erreicht bis zu zehn Millionen Zuschauer am Sonntagabend, Ihre | |
Bekanntheit wird auf einen Schlag erheblich zunehmen. Haben Sie sich schon | |
damit auseinandergesetzt, was jetzt alles auf Sie zukommt? | |
Der "Tatort" bekommt eine Wahnsinnsaufmerksamkeit, und mit dieser Tatsache | |
wurde ich ziemlich schnell konfrontiert. Schon lange vor dem ersten Drehtag | |
wurde in den Medien ein Riesenbohei veranstaltet. Das ging von sachlichen | |
Meldungen bis zu ganz unangenehmen Geschichten mit einem Nacktfoto von mir | |
in der Bild-Zeitung und der Überschrift "Die scharfe neue TV-Kommissarin". | |
Da war ich mir für einen kurzen Moment sicher, dass ich mit dem "Tatort" | |
einen Riesenfehler gemacht habe. | |
Plötzlich wird die Person hinter der Rolle interessant, und das kann auf | |
dem Boulevard sehr unangenehm werden. | |
Das war mir vorher bewusst. Ich denke aber immer noch, dass ich ein | |
bisschen steuern kann, was über mich berichtet wird: Wenn ich ein Interview | |
mit einem Boulevardmagazin mache, kann ich bestimmen, was ich erzähle und | |
was nicht. Im Falle der Bild-Zeitung war das aber ein ganz anderer, ein | |
ekelhafter Weg. Die haben ja gar nicht mit mir gesprochen. Der Aufhänger | |
des Artikels war ein elf Jahre altes Theaterfoto von mir, auf dem ich nicht | |
besonders viel anhatte. Ich hatte gar nichts mitbekommen, weil ich die Bild | |
nicht lese. Irgendjemand rief mich ein paar Tage später an und informierte | |
mich. | |
Erst habe ich noch versucht, das locker zu nehmen, und Witze gemacht: "Ach, | |
damals war ich noch knackig, das ist in Ordnung." Als ich mir das dann | |
online angeschaut habe, bin ich vor Scham fast vom Stuhl gefallen, weil das | |
wirklich ein aus dem Zusammenhang gerissenes und grauenhaftes Foto war, und | |
dazu gab es einen ganz schmierigen Text, bei dem man hätte denken können, | |
dass ich aus der Porno-Ecke komme. Das fand ich alles extrem widerlich. Ich | |
habe echt nur gedacht: "Oh, Gott! Wenn das jetzt so weitergeht! Das ist ja | |
alles furchtbar!" | |
Und jetzt haben Sie eine schwarze Liste von Zeitungen erstellt, mit denen | |
Sie nicht sprechen? | |
Nein, das nicht. Das war ein kurzer, heftiger Ärger, aber die Geschichte | |
verfolgt mich jetzt nicht mehr. Ich werde über Anfragen im Einzelfall | |
entscheiden. | |
Sie leben mit Ihrem Lebensgefährten und Ihren zwei Kindern in der Nähe von | |
München auf dem Land - sind Sie dorthin gezogen, um dem ganzen Trubel zu | |
entgehen? | |
Wir leben da schon seit zwei Jahren - bei unserem Einzug waren Popularität | |
und Medienrummel keine großen Themen. Aber jetzt bin ich genau aus dem | |
Grund sehr froh, dort zu leben. Ich hoffe, dass die Menschen hier mich ein | |
bisschen kennen und auch in Zukunft als relativ nahbare Frau wahrnehmen, | |
die ihre Kinder morgens in Gummistiefeln zum Kindergarten bringt und | |
dienstags beim Kinderturnen rumhopst. Es wäre schön, wenn sich in meiner | |
ganz unmittelbaren Umgebung nicht so wahnsinnig viel verändern würde. | |
Ich möchte nun aber auch nicht den Eindruck erwecken, Popularität an sich | |
wäre mir ein Gräuel. Wenn jemand auf mich zukommt und sagt "Ich habe Sie im | |
,Tatort' gesehen, und ich möchte Ihnen ein Kompliment machen, ich fand das | |
ganz toll", dann ist das doch etwas Schönes. Wenn ich aber nicht mehr in | |
Ruhe mein Schnitzel in einer Gaststätte essen kann, weil alle Gäste gucken | |
und denken "Die kenn ich doch", dann könnte die Popularität vielleicht doch | |
zum Problem für mich werden. | |
Tatort "Eine bessere Welt", So. 8.5., 20.15 Uhr, ARD | |
8 May 2011 | |
## AUTOREN | |
Sven Sakowitz | |
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