Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Energieversorgung in Japan: Ab April ohne Atomstrom
> Die letzten fünf Atomkraftwerke werden routinemäßig heruntergefahren. Der
> Neustart von anderen Meilern verzögert sich. Japan steigert deshalb
> seinen Rohölimport.
Bild: Gefährliche Ruine: Mit einer ferngesteuerten Kamera wurde das Innere des…
TOKIO taz | Kein Kühlwasser und kein geschmolzener Brennstoff in Sicht -
der erste Blick in das Innere eines Fukushima-Reaktors enttäuschte und
erschreckte zugleich. Die düsteren Bilder eines ferngesteuerten Endoskops
aus dem Sicherheitsbehälter von Reaktor 2 kommen für die Regierung zu einem
ungünstigen Zeitpunkt.
Seit vergangener Woche bereitet sie die Bevölkerung darauf vor, die
stillgelegten Atomkraftwerke wieder zurück ans Netz zu holen. "Ohne
Atomstrom können wir nur extrem schwer durch den Sommer kommen", warnte
Industrieminister Yukio Edano. Sonst müsse der Verbrauch wie im Vorjahr
erneut eingeschränkt werden.
Nur 5 der 54 Atomkraftwerke erzeugen derzeit noch Strom. Aber auch der
letzte Reaktor wird schon im April für seine routinemäßige Wartung
abgeschaltet. In Japan laufen Atomkraftwerke nicht länger als 13 Monate am
Stück. Bis zum Fukushima-GAU deckten die Anlagen 30 Prozent des
Strombedarfs, derzeit sind es weniger als 3 Prozent.
Die Versorger haben deswegen eingemottete Thermalkraftwerke hochgefahren.
Allerdings verursacht der Import der Brennstoffe hohe Zusatzkosten. Im
Dezember führte Japan viermal so viel Rohöl ein wie ein Jahr zuvor. Daher
müssen Tepco-Großkunden wie Supermärkte und Autohersteller ab April 17
Prozent mehr für Strom bezahlen.
## Stresstest für 14 Reaktoren abgeschlossen
Vor diesem Hintergrund wollen die Stromkonzerne so bald wie möglich ihre
Atomkraftwerke wieder anschalten. Für 14 Reaktoren haben sie bereits den
Stresstest abgeschlossen, der im Herbst von der Regierung angeordnet wurde.
Dabei sollen die Versorger nachweisen, dass ihre Meiler ein Erdbeben und
einen Tsunami der Fukushima-Stärke unbeschadet überstehen. Das soll die
Bevölkerung von der Sicherheit der Kraftwerke überzeugen.
Doch der Genehmigungsprozess ist so zeitaufwendig, dass Japan wohl
monatelang atomstromfrei bleiben wird. Dennoch will Minister Edano keinen
Termin für die Neustarts festlegen. "Das würde ja bedeuten, dass wir die
Sicherheit nicht wirklich prüfen", gestand der Politiker.
Eigentlich wollte die Atomaufsicht Nisa die ersten Neustarts genehmigen,
noch bevor in dieser Woche eine Delegation der Wiener UN-Atombehörde Japan
besucht. Doch am vergangenen Mittwoch stürmte ein Dutzend Atomkraftgegner
das erste Treffen der Experten, die die Testresultate für zwei Reaktoren in
Fukui bewerten sollten. "Schande über euch", riefen die Demonstranten. Sie
verlangten eine öffentliche Sitzung und warfen den Experten eine
Pro-Atom-Haltung vor. Am 8. Februar gibt es nun ein zweites Treffen.
## Ursachen der Kernschmelze bisher nicht aufgeklärt
Die größte Hürde für die Betreiber wartet jeweils vor Ort, weil auch die
lokalen Behörden dem Hochfahren der Atomkraftwerke zustimmen müssen. In
vielen Gemeinden ist die Atomskepsis unverändert groß, obwohl viele
Arbeitsplätze an den Kraftwerken hängen. "Die Regierung sollte neue
Sicherheitsstandards einführen und dabei die Erkenntnisse von Fukushima
berücksichtigen", verlangte etwa ein Beamter in Fukui.
Bisher seien die Ursachen der Kernschmelze aber nicht aufgeklärt. Auch
Rebecca Harms, Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Europaparlament,
kritisierte vor Kurzem bei einem Japanbesuch die Tests als Farce. Die
Regierung manage nur ihren eigenen Stress, meinte Harms.
In den Gemeinden rund um die Reaktoren herrscht Verärgerung über ein neues
Gesetzesvorhaben zur Laufzeit der Reaktoren. Umweltminister Goshi Hosono
hatte zunächst angekündigt, die Laufzeit auf 40 Jahre zu beschränken. Eine
Verlängerung auf 60 Jahre sollte die Ausnahme bleiben. Inzwischen will die
Regierung dies nach dem Vorbild der USA zur Regel machen. Atomkritiker
vermuten dahinter die Absicht, die vorhandenen Meiler so lange wie möglich
zu nutzen. AKW-Neubauten sind derzeit politisch nicht durchsetzbar.
23 Jan 2012
## AUTOREN
Martin Fritz
## ARTIKEL ZUM THEMA
Ein Jahr nach Fukushima: Der Kampf um die Deutungshoheit
Hat erst der Tsunami die Atomkatastrophe in Fukushima verursacht oder war
es das Erdbeben? Die Antwort darauf hat schwerwiegende Konsequenzen.
Aufräumarbeiten in Japan: Der gute Mann von Fukushima
Kurze Zeit waren die Atomsamariter von Fukushima in aller Munde. Heute
herrscht Schweigen rund um die Reaktorruine. Ausgerechnet ein Arbeiter der
Mafia spricht jetzt.
Tepco redet Zwischenfälle klein: Temperatur in Fukushima-Meiler steigt
An den japanischen Unglücks-Reaktoren häufen sich bedenkliche Vorfälle,
immer wieder entweicht Strahlung. Die Regierung und Tepco beteuern, alles
sei "unter Kontrolle".
Weltweites Anti-AKW-Treffen in Japan: Sayonara, Atomkraft
In Japan treffen sich 10.000 Anti-AKW-AktivistInnen aus aller Welt. Die
japanische Bewegung hat viel Zulauf und Zuspruch und will sich besser
vernetzen.
Im Nord-Osten des Landes: Schweres Erdbeben in Japan
Die Häuser in Tokio schwankten am ersten Tag des neuen Jahres. Das
Epizentrum des Erdbebens der Stärke 7.0 lag 560 Kilometer südlich der
Hauptstadt. Berichte über Verletzte lagen nicht vor.
Kommentar Fukushima: Zeitnot für die Atombranche
Ob Tepco nun verstaatlicht wird oder nicht, ist egal. Der Atombranche in
der westlichen Welt läuft die Zeit davon. Denn die regenerativen Energien
werden immer billiger.
Fukushima-Zwischenbericht: Tepco hat komplett versagt
Mangelhafte Kommunikation und ein unkoordiniertes Vorgehen. Der
Zwischenbericht zum Super-GAU in Fukushima fällt für den Betreiber Tepco
und die Regierung verheerend aus.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.