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# taz.de -- Präsidentschaftswahlen in Frankreich: "Ich liebe die Leute, nicht …
> François Hollande startet seinen Wahlkampf in Le Bourget nördlich von
> Paris. Der Kandidat der Sozialisten schickt sich an, Sarkozy im Frühjahr
> herauszufordern.
Bild: François Hollande lässt sich in einem Hangar im französischen Le Bourg…
LE BOURGET taz | Der Saal des Ausstellungsparks neben dem Flugplatz von Le
Bourget platzte mit mehr als 10.000 Anhängern aus allen Nähten. Ein Teil
der Leute, die gekommen waren, um François Holland live zu hören und zu
sehen, musste die Show auf einem Bildschirm verfolgen. Im Inneren heizte
Yannick Noah mit seiner Band die Stimmung auf karibische Temperaturen an:
"Bonjour, meine Freunde, bonjour, meine Familie", rief der Ex-Tennisstar
den Besuchern zu, die sich wie er zu den Unterstützern des sozialistischen
Kandidaten zählen. Sein Lied "Donne-moi une vie, un espoir, une envie"
(„Gib mir Leben, Hoffnung, Lust“) dürfte wohl zu Hollandes Kampagnenhymne
werden.
Der Mann, der Hoffnungsträger der Nation sein möchte, musste sich Küsschen
verteilend und Hände schüttelnd einen langen Weg durch die Menge der Fans
bahnen. Nichts war bei der Organisation dieser politischen Show dem Zufall
überlassen worden. Zu viel stand auf dem Spiel bei dieser entscheidenden
Etappe des Starts der Kampagne. Zwar ist Hollande seit Langem laut Umfragen
der klare Favorit der Wahlen vom 22. April und 6. Mai. Aber es sind nicht
die Meinungsforscher, die wählen.
Wer ist François Hollande? Nicht nur im Ausland, sondern auch für die
meisten seiner Landsleute ist dieser Sozialist, der alle Chancen hat,
anstelle des Konservativen Nicolas Sarkozy Frankreichs nächster
Staatspräsident zu werden, noch ein fast unbeschriebenes Blatt. Er war
lange Parteichef sowie Abgeordneter und hat eine Karriere als
Lokalpolitiker in der ländlichen Corrèze hinter sich. Er war nie Minister
oder gar Regierungschef. Ob er wirklich das Zeug zum Staatsoberhaupt hat,
fragten sich bis gestern noch manche seiner Freunde und Genossen.
## Weichling ohne Härte
Seine Gegner karikierten ihn wegen seiner Jovialität als Kompromissler, ja
gar Weichling, dem die nötige Härte und Entschlossenheit abgehe. Hollande
hat am Sonntag gezeigt, dass er sich für einen harten Wahlkampf ohne
Bandagen gerüstet hat. In den Zeitungen steht, am Sonntag habe Hollande in
Le Bourget einen erfolgreichen Start hingelegt. Wer über Frankreich wie ein
gewählter Monarch herrschen will, muss dieses Land und seine Bürger aber
auch verkörpern.
Hollande will den Wechsel personifizieren. Ohne Sarkozy je beim Namen zu
nennen, beschrieb er sich unter tosendem Applaus als exaktes Gegenstück:
"Ich liebe die Leute. Nicht – wie andere – das Geld." Als Erstes werde er
das Salär des Staatschefs um 30 Prozent kürzen, um in diesen schweren
Zeiten beispielhaft zu sein. "Präsidieren, das bedeutet, Frankreich zu
dienen", sagt er. Er wolle das "Ende der Privilegien" in diesem Land, in
dem sich Armut ausbreite. Er versichert, er werde seine Macht nicht zu
persönlichen Zwecken missbrauchen. "Mein wahrer Gegner ist kein Kandidat,
er hat keine Partei, und doch ist er an der Macht: die Finanzwelt, welche
die Kontrolle der Wirtschaft übernommen hat."
## "Ist das gerecht oder nicht?"
Er verspricht einschneidende Gesetze zur Kontrolle. Bei jedem Gesetz und
jeder Reform werde er sich nur eine Frage stellen: "Ist das gerecht oder
nicht?". Im Namen der Gerechtigkeit werde er darum eine große Steuerreform
einleiten. Falls ihm die Chance gegeben werde, Präsident zu sein, wolle er
in fünf Jahren indes nur an einem Kriterium gemessen werden: ob die jungen
Menschen dank eines gesamtgesellschaftlichen Engagements ein besseres Leben
führen können als heute. Investitionen in die Bildung und ein "Vertrag der
Generationen" sollen der Jugend deutlich größere Chancen einräumen.
In der Kürnummer des Kandidaten konnte auch die unvermeidliche Hommage an
Frankreichs Nationalstolz nicht fehlen: "Franzose ist der schönste Name,
den ein Weltbürger haben kann. Frankreich ist nicht das Problem, Frankreich
ist die Lösung!". Es folgte, aus Tausenden von Kehlen angestimmt, die
Marseillaise. "Wer gewinnen will, braucht Charisma, aber auch eine
kontrollierte Emotion und eine Geschichte, die erzählt werden kann", meint
der Politologe Marc Lazar. François Hollande berief sich mehrfach auf das
Erbe seiner Vorgänger, auf François Mitterrand und Lionel Jospin, stellte
aber eines klar vor den Genossen, die sich so oft zerstritten hatten:
"Heute bin ich es, der euch repräsentiert, der euch verteidigt". Dazu habe
er es nicht nötig, sich zu wandeln. Er sei direkt und einfach, das aber sei
"die authentische Autorität". In Le Bourget hat Hollande seine
Bewährungsprobe als Kandidat der Sozialisten bestanden und seine politische
Familie hinter sich geschart. Am kommenden Donnerstag muss er mit der
detaillierten Publikation seines Programms die Wähler überzeugen.
23 Jan 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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