Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Integrationsgipfel: Symbolische Gesten reichen nicht aus
> Der Integrationsgipfel droht zur Karikatur seiner selbst zu werden. Damit
> er keine bloße Showveranstaltung wird, muss die Bundesregierung konkreter
> werden.
Fast sechs Jahre ist es her, dass Angela Merkel den ersten
Integrationsgipfel im Kanzleramt einberief. Das war damals ein großer
Schritt, denn er besiegelte die Abkehr von der Vorstellung, dass
Deutschland kein Einwanderungsland sei. Unter Helmut Kohl hatte vor allem
die Union diese Illusion über Jahrzehnte hinweg hingebungsvoll gepflegt.
Von Anfang an war klar, dass die Versäumnisse nicht auf die Schnelle
aufzuholen waren. Trotzdem ist es enttäuschend, wie wenig in den
vergangenen Jahren passiert ist. Wenn die Bundesregierung jetzt versucht,
mit einer bloßen Anzeigenkampagne um mehr Migranten im öffentlichen Dienst
zu werben, dann ist das fast schon ein Offenbarungseid. Denn dieses Ziel
hatte sie schon vor fünf Jahren ausgegeben. Dass sie seither fast nichts
erreicht hat, zeigt, dass ihre Politik bislang nicht einmal den eigenen
Ansprüchen genügt.
Für die Bundesregierung erschöpft sich Integration vor allem darin,
Einwanderern und deren Kindern das Erlernen der deutschen Sprache zu
erleichtern. Darum ist sie so stolz auf ihre kleinen Erfolge bei der
frühkindlichen Sprachförderung und auf ihre "Integrationskurse", in denen
erwachsene Einwanderer ihre Deutschkenntnisse verbessern. Im Bildungswesen,
auf dem Arbeitsmarkt aber hat sich die Situation für Migranten kaum
verbessert. Im Gegenteil: Von populistischen Debatten getrieben, kam Merkel
ihren eigenen Bemühungen immer wieder in die Quere. Mal beschloss die
Bundesregierung über die Köpfe der Betroffenen hinweg, die Gesetze zum
Ehegattennachzug zu verschärfen, was vor allem Einwanderer aus der Türkei
diskriminierte. Ein anderes Mal erklärte Merkel kurzerhand "Multikulti" für
gescheitert.
Um den Integrationsgipfel zu retten, muss sich die Bundesregierung von dem
Paternalismus verabschieden, der bisher ihre Vorstellung von Integration
prägt. Niemand muss Migranten "an die Hand nehmen". Weit mehr wäre
gewonnen, würden Strukturen und Vorurteile abgebaut, die eine echte
Gleichberechtigung verhindern.
Symbolische Gesten des guten Willens reichen auf Dauer nicht. Der
Integrationsgipfel muss sich ändern: in einen Teilhabe- und
Partizipationsgipfel - oder er gehört abgeschafft. Eine Showveranstaltung,
bei der jeder bloß seinen guten Willen bekundet, ohne dass etwas daraus
folgt, braucht kein Mensch.
31 Jan 2012
## AUTOREN
Daniel Bax
## ARTIKEL ZUM THEMA
Arbeitsmigranten in der Türkei: Willkommen im Busbahnhof
Ein Daueraufenthalt mit der Aneinanderreihung dreimonatiger Touristenvisa
ist nicht mehr möglich. Tausende Arbeitsmigranten aus den Nachbarländern
sind betroffen.
Gewerkschaftschef über Integration: "Keinen Plan gegen Benachteiligung"
Die Regierung versagt bei der Teilhabe von Einwanderern, sagt GEW-Chef
Ulrich Thöne. Sie müsse mehr Mittel in politische Bildung und
Zweitsprachenunterricht investieren.
Integrationsgipfel im Kanzleramt: Zu viel Rassismus bei der Arbeit
Der DGB hat die Integrationsversuche der Bundesregierung kritisiert. Wegen
Rassismus und Diskriminierung bei der Einstellung landeten Migranten oft in
prekären Jobs.
Fünfter Integrationsgipfel in Berlin: Kaffee statt Qualität
Beim fünften Berliner Integrationsgipfel ging es um Sprachförderung und um
mehr Migranten im öffentlichen Dienst. Der Opposition ist das viel zu
wenig.
Abgeschobene Familie zurückgeholt: "Ein besonderer Einzelfall"
Sie waren mustergültig integriert, doch CDU-Minister Schünemann ließ sie
trotzdem abschieben. Weil es sogar Protest aus der eigenen Partei gab,
holte er sie nun zurück.
Migranten treffen Kanzlerin: Integration? Langweilig!
Vor dem Gipfel im Kanzleramt fordern Migranten und Gewerkschaften eine
andere Themensetzung. Statt über Integration wollen sie über Rassismus
sprechen.
Staatliche Zuschüsse: Regierung kürzt Integrationskurse
Die Bundesregierung fordert mehr Integration, streicht aber im Gegenzug bei
den entsprechenden Angeboten. Teilweise gibt es Listen mit 9.000 Bewerbern.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.