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# taz.de -- Staatliche Zuschüsse: Regierung kürzt Integrationskurse
> Die Bundesregierung fordert mehr Integration, streicht aber im Gegenzug
> bei den entsprechenden Angeboten. Teilweise gibt es Listen mit 9.000
> Bewerbern.
Bild: 140.000 Menschen nehmen derzeit an Integrationskursen teil.
BERLIN taz | Das Angebot an Integrationskursen ist geschrumpft, die Zahl
der Neuanmeldungen gesunken. Das geht aus einer Antwort der Bundesregierung
auf eine kleine Anfrage der Linken-Abgeordneten Sevim Dagdelen hervor, die
der taz vorliegt. Demnach ist die Zahl derer, die sich zu einem
Integrationskurs angemeldet haben, zwischen 2009 und 2010 um 23,6 Prozent
zurückgegangen - von 116.052 auf 88.629.
Zurückzuführen ist das auf Einsparungen, die zu einer Verschlechterung des
Angebots geführt haben. Gespart wurde vor allem bei der
Fahrtkostenerstattung und der Kinderbetreuung, die stark eingeschränkt
wurde, auch bei den sehr beliebten Teilzeitkursen wurde gekürzt. Weil die
Nachfrage trotzdem hoch war, mussten zeitweise bis zu 9.000 Bewerber auf
einer Warteliste vertröstet werden.
"Diese Regierung handelt scheinheilig", kritisiert Sevim Dagdelen:
"Einerseits werden Migranten permanent und in vorwurfsvollem Ton zum
Deutschlernen aufgefordert. Zugleich aber wird das Angebot an Sprachkursen
verschlechtert." Auch Memet Kilic, der integrationspolitische Sprecher der
Grünen, findet: "Diese Regierung will sparen, nicht integrieren. Sie tut
alles, um die Kurse unattraktiver zu machen."
Eingeführt wurden die Integrationskurse im Jahr 2005. Sie bestehen aus 600
Stunden Deutschunterricht sowie 45 Stunden zu Geschichte und Kultur in
Deutschland.
## Teilnahme an den Kursen oft verpflichtend
Derzeit nehmen bundesweit etwa 140.000 Menschen an einem Integrationskurs
teil, rund ein Drittel von ihnen sind Neuzuwanderer. Sie müssen an einem
Kurs teilnehmen, wenn die Ausländerbehörde das für nötig hält. Etwa zwei
Drittel der Teilnehmer leben bereits längere Zeit in Deutschland und nehmen
meist freiwillig teil. Sie können aber auch dazu verpflichtet werden, wenn
sie Hartz IV beziehen. Wer sich drückt, muss fürchten, dass seine
Hartz-IV-Bezüge gekürzt werden oder die Aufenthaltsgenehmigung nicht
verlängert wird.
Nach ihrem vierten "Integrationsgipfel" im vergangenen November gab
Bundeskanzlerin Angela Merkel die Devise aus, man wolle bis 2015 "das
schaffen, was 30 Jahre lang versäumt wurde". Bis zu 1,8 Millionen Migranten
sollten bis dahin an einem Integrationskurs teilgenommen haben, so ihre
optimistische Forderung.
Davon ist man noch weit entfernt. Unter Experten ist unbestritten, dass die
bisherigen Mittel des zuständigen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge
(Bamf) dafür nicht ausreichen. Nicht nur der Deutsche Volkshochschulverband
oder die Grünen, auch konservative Vertreter der Länder und Kommunen wie
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) oder die Präsidentin des
Deutschen Städtetags, Frankfurts Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) haben
bereits mehr Geld für Integrationskurse verlangt.
Auch an der Entlohnung der Lehrkräfte gibt es Kritik: Die Honorare der
Kursleiter reichen in vielen Fällen kaum zum Leben und sind seit 2005 teils
stark gesunken. Grund ist der Festbetrag von 2,35 Euro pro
Unterrichtsstunde und Teilnehmer, die das Bamf zahlt. Die Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft fordert stattdessen ein festes Honorar von
mindestens 30 Euro pro Unterrichtseinheit und ordentliche Arbeitsverträge.
Ein Netzwerk für Lehrkräfte in Integrationskursen hatte deshalb im Mai alle
Dozenten zu einer bundesweiten Protestaktion vor dem Sitz des Bundesamt für
Flüchtlinge und Migration in Nürnberg aufgerufen. Die Bundesregierung hat
darauf nicht reagiert und wollte gestern keine Stellung nehmen.
7 Sep 2011
## AUTOREN
Daniel Bax
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