# taz.de -- Bürgerkrieg in Syrien: "Sie werden uns umbringen" | |
> Seit Wochen hält die Rebellenhochburg Homs im Westen Syriens den | |
> Angriffen der Regierungstruppen stand. Für die Bewohner ist Homs zur | |
> Todesfalle geworden. | |
Bild: In Kellern suchen die Menschen in Baba Amro Schutz. | |
HOMS dpa | Maryam kauert mit ihren zwei Kindern in einem heruntergekommenen | |
Keller in Baba Amro. Zusammen mit etwa zwanzig anderen Müttern und Kindern | |
sucht sie dort Schutz vor den Granaten und Scharfschützen. Das jüngste Kind | |
im Keller ist zwei Monate alt. | |
"Wir haben nichts mehr für die Kinder", sagt Maryam. "Wir haben große | |
Angst, denn wenn sie (die syrischen Regierungstruppen) in die Stadt kommen, | |
dann werden sie uns umbringen. Sie kennen keine Gnade, nicht einmal für | |
Kinder." | |
Die Straßen von Baba Amro sind zu einem Labyrinth geworden, aus dem es kein | |
Entkommen gibt. Für die etwa 28.000 Bewohner des Stadtviertels in der | |
westsyrischen Stadt Homs geht es ums nackte Überleben. Ohne Unterlass | |
beschießen die Truppen des Regimes von Baschar al-Assad Homs. Überall | |
sterben Menschen. Nach Wochen und Monaten von immer neuen Angriffswellen | |
auf die Rebellenhochburg fehlt es mittlerweile an Allem. | |
Seit Samstag feuerten die Regierungstruppen nach Angaben von Augenzeugen | |
mehr als 500 Granaten pro Tag auf den Stadtteil. Dutzende Männer, Frauen | |
und Kinder starben in ihren Häusern. Nichts regt sich auf den Straßen von | |
Baba Amro, denn auf den Dächern lauern Scharfschützen. Sie schießen auf | |
alles, was sich bewegt. Die einzigen Fahrzeuge auf den Straßen sind die, | |
die Tote oder Verwundete transportieren. | |
## Essen und Medikamente werden knapp | |
Die Regierungstruppen haben Homs umzingelt. Mehr als 40 Kontrollposten der | |
Armee kontrollieren alle Zugangstraßen. Seit zehn Tagen haben keine | |
Lebensmittellieferungen mehr die Stadt erreicht, Essen und Medikamente | |
werden knapp. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt gehen auch die | |
Heizölvorräte schnell zur Neige. | |
In ganz Homs, einer Stadt mit mehr als 650 000 Einwohnern, gebe es nur noch | |
drei Ärzte, sagen Aktivisten. Einer von ihnen wurde verletzt, als eine | |
Granate die provisorische Klink traf, in der er arbeitete. Die zwei anderen | |
Ärzte seien sehr müde und erschöpft. Sie hätten seit 72 Stunden | |
durchgearbeitet, erzählen die Aktivisten in Baba Amro. | |
Beim Betreten einer dieser provisorischen Kliniken bietet sich ein Bild von | |
Chaos und Vernachlässigung. Das noch verbleibende Krankenhauspersonal muss | |
über am Boden liegende Leichen steigen, um in die Behandlungsräume zu | |
gelangen. Im Behandlungsraum kümmern sich zwei Krankenpfleger um etwa ein | |
Dutzend Verletzte. Operationen sind nicht möglich, und es fehlt an den | |
notwendigsten Medikamenten. | |
In den Augen der Helfer spiegelt sich die Verzweiflung. Mehr als 274 | |
Menschen seien durch die Angriffe allein in Baba Amro gestorben, sagt | |
Chalid, ein syrischer Aktivist. Mehr als 2000 wurden demnach verletzt. | |
"Das Regime will diese Unruhen so schnell wie möglich beenden, und es weiß, | |
dass Homs das Bollwerk (der Revolutionäre) ist", sagt Chalid. "Aber wir | |
werden nicht aufgeben." Nach Angaben der von Deserteuren gegründeten | |
"Freien Syrischen Armee" hat das Regime Spezialeinheiten von Damaskus nach | |
Homs verlegt. Sie sollen die Erstürmung der Stadt anführen, sagt Walid | |
al-Kader, ein Offizier der Rebellentruppen. "Das haben sie bereits früher | |
versucht, aber wir haben die Offensive gestoppt", sagt er. | |
Doch dieses Mal scheint das Regime entschlossen, die Rebellion ein für alle | |
Mal niederzuschlagen. Den Bewohnern von Baba Amro steht deshalb das | |
Schlimmste vielleicht noch bevor. | |
9 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Mayte Carrasco | |
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