# taz.de -- "Les Adieux de la Reine" auf Berlinale: Die zwei Körper der König… | |
> Viel duftige Mädchen- und Frauenhaut und Französische Revolution: Mit | |
> "Les Adieux de la Reine" von Benoît Jacquot eröffnet der Wettbewerb der | |
> Berlinale. | |
Bild: Soso: Im Zentrum der französischen Revolution stand eine lesbische Dreie… | |
Benoît Jacquot interessiert sich vor allem für Haut und Stoffe. Das viele | |
Geld, das für den Dreh am Originalschauplatz Versailles draufgegangen ist, | |
amortisiert sich erst nach einer Stunde, wenn der ganze Hofstaat | |
aufgescheucht durch den Spiegelsaal trappelt, wie es sonst die Touristen | |
tun. | |
Dann stehen da plötzlich: der König und seine Brüder, die zurücktretende | |
Regierung und schließlich das große Paar des Films, die Königin Marie | |
Antoinette und ihre Geliebte, die Duchesse de Polignac - Diana Krüger und | |
Virginie Ledoyen. | |
Voilà, ein Bild! Schließlich turteln die zwei mit zusammengesteckten Köpfen | |
wieder aus dem Bild raus. Vorher und nachher werden wieder die nahen | |
Einstellungen präferiert: Haut und Stoff. Sogar über das revolutionäre Volk | |
wird in einer Textilmetapher geredet; es sei ein leicht entzündliches | |
Gewebe. Ein Oskar für die Kostümbildner! | |
Erzählt werden die drei Tage nach dem Sturm auf die Bastille aus der | |
Perspektive der geheimnisvollen königlichen Vorleserin Sidonie, dargestellt | |
von Léa Seydoux. Über sie könnte ich ein dermatologisches Gutachten | |
verfassen. Nach dem Film höre ich zwei junge Männer reden, von denen der | |
eine beklagt, er hätte nichts über die Revolution erfahren. Dass er in Léa | |
Seydoux verliebt sei, wisse er hingegen schon seit "Midnight in Paris". Die | |
Vorstellung, sich durch diesen Film in Léa Seydoux zu verlieben, kommt mir | |
ein wenig unfrei vor, tautologisch fast. S | |
ein Regisseur möchte das so sehr von uns, dass man das Gefühl hat, man sei | |
in eine arrangierte Eheschließung hineingeraten. Wenn die Kamera mal nicht | |
auf Léas Lippen starrt oder ihre Gliedmaßen absucht, sagt garantiert | |
jemand, wie schön sie sei, sie würde strahlen usw. Virgine Ledoyen muss | |
sich klein und hässlich vorgekommen sein. Am Ende muss die Vorleserin auch | |
noch die Herzogin vertreten und so vor dem Mob schützen - und sieht noch in | |
ihrer kindlich stolzen Imitation von Noblesse viel nobler aus als die | |
Adlige. | |
## | |
## Lesbische Dreiecksbeziehung | |
Im Zentrum der Französischen Revolution stand also eine lesbische | |
Dreiecksbeziehung - das wird allerdings eher behauptet als plausibel. Denn | |
der Film oder das höfische Protokoll lassen nicht zu, dass uns | |
unterschiedliche Frauen vorgestellt werden. | |
Eher werden suggestive Aufnahmen duftiger Mädchen- und Frauenhaut | |
angehäuft, die ein weiches, weißes Innen luxuriös ausstattet, dem von | |
draußen eine schmutzige, schlammige Revolution droht. | |
Metonymisch wird dieses Außen mit Ratten und Stechmücken in Verbindung | |
gesetzt. Nur die zum letzten Opfer bereite Liebe hilft noch. Der | |
interessante Punkt ist, dass die Königin verlangt, dass dieses Opfer ihren | |
beiden Körpern gebracht wird, dem sterblichen und dem politischen; aus | |
Liebe und aus Gehorsam. Sidonie, so könnte man meinen, wird darin | |
subversiv, dass sie die Liebe gegen den demütigenden Gehorsam setzt. Das | |
wird aber allenfalls angedeutet. | |
10 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Diedrich Diederichsen | |
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