# taz.de -- Karmakars "Angriff auf die Demokratie": Die Märkte und die Politik | |
> In "Angriff auf die Demokratie - eine Intervention" werden neun | |
> intellektuelle Statements zur Krise des Euro und des Politischen zum Film | |
> montiert. Zum Augen schließen. | |
Bild: Im Kino verwandeln sich die dokumentarischen Bilder in ein theatralisches… | |
Im Dezember 2011 traten in Berlin zehn Publizisten und Intellektuelle auf, | |
um über die Krise des Euro und des Politischen zu reden. "Angriff auf die | |
Demokratie - eine Intervention" war ein doppeltes Experiment: Jeder redete | |
zehn Minuten, es gab keine Absprachen, keine Vorgaben. Die Befunde der | |
linksliberalen Meinungsmacher von Franziska Augstein bis Roger Willemsen, | |
verstärkt von derzeit kapitalismuskritischen FAZ-Feuilletonisten, klangen | |
ähnlich: Die Marktlogik frisst die Demokratie, die Finanzmärkte zerstören | |
mit ihrem Zeitdiktat die Politik, Sachzwänge regieren, Regierungen werden | |
überflüssig. | |
Fast alle Reden sind im Gestus der Anklage vorgetragene analytische | |
Beschreibungen. Eine Theorie der Krise des globalen Finanzkapitalismus, die | |
zitierbar wäre, existiert offenbar nicht. Nils Minkmar (FAZ) verwies knapp | |
auf Naomi Kleins "Schock-Therapie", aber auch das ist eine Kritik | |
neoliberaler Machtstrategien, kein umfassender Erklärungsversuch. Die | |
Nischenexistenz der Intellektuellen und Mangel einer komplexen | |
Krisentheorie scheinen zwei Seiten des Gleichen zu sein. | |
Romuald Karmakar hat aus diesem Versuch, die Figur des eingreifenden | |
Intellektuellen wieder zu beleben, einen Film montiert: neun Statements, | |
ein paar Schnitte, starre Kameraeinstellung, redende Gesichter, eine leere | |
Bühne, sonst nichts. Ist das ein Film? | |
## Film im erdigen Sinne | |
Ja, in einem ursprünglichen, erdigen Sinn. Er zeigt ein Ereignis, das damit | |
allgemein zugänglich und dokumentiert ist. Man mag fragen, ob es 2012 nicht | |
naheliegender ist, die Statements auf Youtube zu veröffentlichen. Ja, das | |
ist es. Aber im Kino sind diese Bilder und Töne etwas anders als im Netz. | |
Ihnen wächst ein Effekt zu, mit dem Karmakar schon in "Das Himmler-Projekt" | |
und "Hamburger Lektionen" arbeitete. In beiden Filmen sprach der | |
Schauspieler Manfred Zapatka Texte von Himmler und einem islamistischen | |
Hassprediger. In "Angriff auf die Demokratie" ist die Sprechsituation | |
anders, kein nachinszenierter Text, kein Schauspieler. Oder vielmehr: neun | |
Schauspieler. | |
Der Effekt, der sich nach einer Weile einstellt, ist ähnlich wie in den | |
Zapatka-Performances: Verfremdung und Verdichtung. Man sieht die | |
narzisstische Lässigkeit von Harald Welzer, den nervösen Ernst von Carolin | |
Emcke, die unaufdringliche Sachlichkeit von Ingo Schulze, die sich | |
überschlagende Dringlichkeit von Roger Willemsen, überlebensgroß auf der | |
Leinwand. | |
Man sieht und hört rhetorische Kniffe, überspielte Unsicherheiten, | |
aufblitzende Eitelkeiten, einen Wettstreit unterschiedlicher rhetorischer | |
Temperamente. Wenn eine Rede beendet ist, zeigt die Kamera kurz das | |
Mikrofon, Spielgerät der Akteure. Wie eine Umbaupause zwischen zwei Szenen. | |
Im Kino verwandeln sich die dokumentarischen Bilder in ein theatralisches | |
Ereignis. "Angriff auf die Demokratie" ist ein Film, in dem man die Augen | |
schließen kann. | |
## 15. 2., 14.30 Uhr, CineStar 7 | |
14 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Stefan Reinecke | |
Stefan Reinecke | |
## TAGS | |
House | |
tazlab 2012: „Das gute Leben“ | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Musikdoku im Kino: Geist in der Maschine | |
Fünf DJs und eine ideale Tonspur: Davon handelt Romuald Karmakars filmische | |
Dokumentation „Denk ich an Deutschland in der Nacht“. | |
Buchautorin Carolin Emcke: "Ich will mich nicht verkleiden müssen" | |
Carolin Emcke hat ein kluges und gänzlich unkitschiges Buch über das | |
Begehren geschrieben. Es handelt streng genommen von nichts als dem guten | |
Leben. | |
"Captive" im Berlinale-Wettbewerb: Der Einsatz zahlreicher Sprengmittel | |
Perfekt für den Festivalparcours: "Captive" von Brillante Mendoza ist eine | |
internationale Koproduktion mit Isabelle Huppert und nach wahren | |
Begebenheiten (Wettbewerb). | |
Berlinale Staralbum: Isabelle Huppert: Die sich Einlassende | |
"Ich weiß selber nicht, wie ich das mache", antwortet Isabelle Huppert auf | |
die Frage nach ihrem Erfolgsgeheimnis. "Ich denke nicht zu viel." | |
Vielleicht sei das das Geheimnis. | |
Berlinale 2012: Srdjan Dragojevics "Parada": "Die Aggression ist brutaler gewor… | |
Kann man über Homophobie und Nationalismus in Serbien eine Komödie machen? | |
In "Parada" versucht Regisseur Srdjan Dragojevic Unterhaltung als Therapie. | |
Berlinale Special: Die Dokumentation "Marley": Er glaubte sich näher bei Jah | |
Der britische Regisseur Kevin Macdonald zeichnet die Karriere der Legende | |
"Marley" nach. Er tut das methodisch genau und mit dem Segen von Marleys | |
Familie. | |
Berlinale Special: Herzogs "Death Row": Das Gefühl von Regen auf der Haut | |
Auch Täter sind Menschen: In seiner Dokumentation "Death Row" interviewt | |
Werner Herzog fünf Todeskandidaten und erklärt sich höflich als Gegner der | |
Todesstrafe. |