# taz.de -- Drogenkonsum in Lateinamerika: Straße frei für Kokser und Kiffer | |
> Weil Guatemalas Präsident den Krieg gegen die Kartelle für gescheitert | |
> hält, will er den Gebrauch von Rauschmitteln erlauben. Die USA reagieren | |
> verschnupft. | |
Bild: Mohnblüten in Guatemala (Archivbild). | |
SAN SALVADOR taz | Bislang waren es nur die Expräsidenten Brasiliens, | |
Fernando Henrique Cardoso, und Kolumbiens, César Gaviria, sowie Literaten | |
wie der peruanisch-spanische Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa, die | |
vorsichtig über eine mögliche Legalisierung von Drogen in Lateinamerika | |
diskutierten. Jetzt hat ein amtierender Präsident diese Debatte an sich | |
gerissen: Otto Pérez Molina, seit Januar Staatschef Guatemalas, will, dass | |
Drogenkonsum legal wird. Die Strategie des militärischen und polizeilichen | |
Kampfs gegen die Drogenkartelle sei gescheitert. "Wir führen diesen Krieg | |
seit 30 Jahren", sagte Pérez Molina bei einem Treffen mit seinem | |
salvadorianischen Kollegen Mauricio Funes letzte Woche. "In allen | |
betroffenen Ländern ist die Zahl der Toten gestiegen und die Korruption | |
schlimmer geworden." | |
Guatemalas Präsident überraschte nicht nur seine Amtskollegen in | |
Zentralamerika und Kolumbien, mit denen er seine Initiative diskutieren | |
will. Auch seine Landsleute wundern sich. Im Wahlkampf hatte Pérez Molina | |
abgelehnt, was er jetzt fordert. Kaum im Amt, schickte der Exgeneral | |
Militärs ins Grenzgebiet zu Mexiko, wo die Landhäuser und Landepisten der | |
Drogenhändler versteckt sind. Die gefürchtete Eliteeinheit der Kaibiles | |
ernannte er zu Speerspitze in seinem Krieg gegen die Kartelle. Sein | |
gesamtes Sicherheitskabinett besteht aus Militärs. | |
Heute sagt Pérez Molina: "Trotz aller Technologie und der Millionen von | |
Dollars aus den USA ist das Problem nicht kleiner geworden." Selbst der von | |
US-Politikern oft gelobte "Plan Kolumbien", der rund 5 Milliarden Dollar | |
US-Hilfe verschluckte, sei ein Reinfall. "Die großen Kartelle haben ihn | |
neutralisiert." | |
## Noch genügend andere kriminelle Aktivitäten | |
Die US-Botschaft in Guatemala-Stadt war vor den Kopf gestoßen. Würden | |
Drogen in Zentralamerika legalisiert, würden sich Jugendbanden und das | |
internationale Verbrechen trotzdem weiter illegalen Machenschaften widmen, | |
heißt es in einer Erklärung. Es gebe noch genügend andere kriminelle | |
Aktivitäten: "Menschen- und Waffenhandel, Entführung und Erpressung, | |
Bankraub, Diebstahl von geistigem Eigentum und Geldwäsche." | |
Antonio Mazzitelli, Vertreter der UN-Drogenbehörde in der Region, sprang | |
den US-Diplomaten zur Seite. Eine Legalisierung der Drogen würde die Zahl | |
der Toten nicht senken, aber die der Drogenabhängigen erhöhen. Dabei | |
stellte die UN selbst in ihrem Drogenbericht 2010 fest, dass trotz großer | |
Anstrengungen "die mit Drogen in Verbindung stehende Gewalt in Guatemala, | |
Honduras und El Salvador schlimmer geworden ist" und zu "Mordraten geführt | |
hat, die weit über der von Mexiko liegen." | |
In Honduras werden derzeit jedes Jahr 82,1 Menschen pro 100.000 Einwohnern | |
ermordet. In Mexiko sind es 18,7. Dort führte die von Präsident Felipe | |
Calderón initiierte militärische Bekämpfung der Drogenkartelle zu mehr als | |
50.000 Toten. Die großen Kartelle machen sich seither vor allem in | |
Guatemala, Honduras und El Salvador breit. | |
Es war Mexikos blutiger Drogenkrieg, der vor einem guten Jahr die eher | |
akademisch geführte Debatte auslöste, die jetzt von Pérez Molina auf die | |
Agenda gesetzt wurde. Akademisch ist sie entschieden. "Es gibt keinen | |
anderen Weg als die Legalisierung", sagt der Schriftsteller Vargas Llosa. | |
"Das ist ein schwieriger und riskanter Weg, aber wir haben gesehen, wohin | |
Repression führt: zu mehr Produktion, mehr Handel und mehr Drogenkonsum." | |
19 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Cecibel Romero | |
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