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# taz.de -- Anklage gegen Wikileaks-Informant verlesen: Manning schweigt
> "Zusammenarbeit mit dem Feind" wird Bradley Manning vorgeworfen. Einen
> Termin für die offizielle Prozesseröffnung gibt es noch immer nicht.
Bild: Die bei der Verlesung anwesenden Soldaten überragen Bradley Manning.
WASHINGTON taz | Nach 635 Tagen in Militärgefängnissen ist Bradley Manning
am Donnerstag in Fort Meade in Maryland seine förmliche Anklage verlesen
worden. 45 Minuten dauerte die Verlesung, der härteste Anklagepunkt gegen
den 24jährigen ist die "Zusammenarbeit mit dem Feind".
Einen Termin für seinen Prozess hat Manning immer noch nicht. Sein Anwalt
verlangt eine Prozesseröffnung im Frühjahr. Die Militärjustiz will den
Prozess erneut verschieben und "nicht vor August" beginnen. Aus dem fernen
Island hat eine Gruppe von Parlamentariern den Angeklagten für den
diesjährigen Friedensnobelpreis vorgeschlagen.
Zur Anklageverlesung erscheint der 24jährige Manning in der grünen Uniform
der US-Armee. Umgeben von Soldaten, die ihn jeweils um mehrere Köpfe
überragen, sagt er mehrfach "Ja, euer Ehren". Ansonsten schweigt er zu den
Vorwürfen. Antworten auf Fragen des Richters lehnt er ab.
Während der Verhandlung ruft ein älterer Mann als Baltimore, der schon als
Vietnamkriegsgegner Schlagzeilen machte, eine rethorische Frage in den
Raum: "Richter, ist ein Soldat nicht verpflichtet, Kriegsverbrechen zu
melden?" Mannings Anwalt David Coombs besteht auf einem zügigen
Prozessbeginn. Und weist darauf hin, dass Manning schon jetzt fast drei Mal
so lang ohne Verfahren hinter Gittern sitzt, wie es die US-Verfassung
zulässt. Die Verfassung legt fest, dass Angeklagte nach spätestens 120
Tagen der Militärjustiz vorgeführt werden müssen.
Aus Reykjavik hat das "Icelandic Movement of the Icelandic Parliament" in
einem [1][Schreiben an das Friedensnobelpreiskomitee] den Angeklagten
Manning für den diesjährigen Nobelpreis vorgeschlagen: wegen seines
Einschreitens gegen Kriegsverbrechen.
## Ein Jahr Isolationshaft
Seit seiner Gefangennahme in Bagdad im Mai 2010 hat Manning in
verschiedenen US-amerikanischen Militärgefängnissen gesessen. Über ein Jahr
saß er im Isolationstrakt des Militärgefängnis der Marines-Kaserne von
Quantico. Er hatte dort täglich eine Stunde Ausgang und wurde rund um die
Uhr bewacht. Nach monatelangen Protesten von Menschenrechtsgruppen –
insbesondere außerhalb der USA – wurde er im vergangenen Jahr nach Fort
Leavenworth in Kansas verlegt. Für seine Gerichtstermine in Fort Meade wird
Manning jeweils von Kansas an die Ostküste gebracht. Der nächste Termin ist
für Mitte März geplant.
Der ehemalige IT-Fachmann des US-Militärs im Irak Manning wird verdächtigt,
hunderttausende "Geheimdokumente" an das Enthüllungsportal Wikileaks zur
Veröffentlichung weitergegeben zu haben. Darunter das Video "[2][Collateral
Murder]". Der in einem Hubschrauber der US-Militärs aufgenommene Film zeigt
(inklusive O-Töne der Todesschützen), wie aus einem Hubschrauber des
US-Militärs 11 Zivilisten in Bagdad erschossen werden, darunter zwei
Journalisten der Nachrichtenagentur Reuters.
Manning soll ausserdem hunderttausende von Dokumenten über die Kriege im
Irak und Afghanistan, sowie diplomatische Dokumente an Wikleaks
weitergegeben haben. Aus diesen Dokumenten geht unter anderem hervor, wie
gut die US-Regierung über die Korruption des untergegangenen tunesischen
Regimes informiert war. Und dass das US-Aussenminsterium Druck auf Haiti
gemacht hat, damit in dem ärmsten Land von Amerika (Nord und Süd inklusive)
der Mindestlohn nicht angehoben wird.
Eine Todesstrafe gegen Manning – die mit seiner Anklage theoretisch möglich
wäre – haben Sprecher der US-Militärjustiz von vorneherein abgelehnt. Doch
die 22 Anklagepunkte gegen ihn reichen im Falle eines Schuldspruchs, um ihn
lebenslänglich und ohne Bewährung hinter Gittern zu lassen. Sämtliche
Mitglieder der Justiz, die über ihn richten werden, gehören dem US-Militär
an: Vom Richter über den Staatsanwalt bis hin zu seinen
Pflichtverteidigern.
24 Feb 2012
## LINKS
[1] http://joyb.blogspot.com/2012/02/bradley-manning-nobel-peace-prize.html
[2] http://collateralmurder.com/
## AUTOREN
Dorothea Hahn
## TAGS
Wikileaks
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