# taz.de -- Attentat auf usbekischen Imam: Menschenjagd auf Regimegegner? | |
> In Schweden ist ein Attentat auf einen usbekischen Imam verübt worden. | |
> Die Exilgemeinde befürchtet, der usbekische Geheimdienst stecke dahinter. | |
Bild: Seine Gegner werden regelmäßig liquidiert: Usbekistans Präsident Karim… | |
BERLIN taz | Ein Attentat auf den usbekischen Imam Obidchon Kori Nasarow in | |
Schweden hat in der usbekischen Exilgemeinde in Deutschland Ängste | |
geschürt, dass der usbekische Geheimdienst nun auch in Europa auf | |
Menschenjagd geht. Am 22. Februar hatten Unbekannte im nordschwedischen | |
Örtchen Strömsund auf den Imam vor dessen Haus geschossen. | |
Der Usbeke überlebte das Attentat schwer verletzt. Zurzeit wird er in einer | |
örtlichen Universitätsklinik behandelt. Die schwedische Polizei hat einen | |
Rucksack mit der vermutlichen Tatwaffe gefunden und der schwedische | |
Geheimdienst wurde aufgrund möglicher internationaler Verbindungen | |
eingeschaltet. | |
"Wenn sich herausstellen sollte, dass der usbekische Geheimdienst hinter | |
diesem Anschlag steht, dann muss die Europäische Union scharf reagieren", | |
sagte die grüne Bundestagsabgeordnete Viola von Cramon der taz. Die EU ist | |
enger Partner Usbekistans. Durch das autoritär beherrschte Land in | |
Zentralasien führt die Nordversorgungsroute für den Afghanistankrieg der | |
Nato. Die Bundeswehr unterhält im usbekischen Termes eine Luftwaffenbasis. | |
Für die usbekische Staatsmacht ist Nasarow, der seit 2005 in Schweden im | |
Exil lebt, ein Terrorist. Kurz nach dem Attentat titelte eine regimenahe | |
Webseite, dass der Drahtzieher von Terroranschlägen selber Opfer eines | |
Anschlages wurde. Seit 2010 strahlt das usbekische Fernsehen einen Film | |
aus, der Nasarow als Terrorfürsten denunziert. | |
Bis zu seiner Flucht 1998 war Nasarow der angesehenste Prediger in | |
Taschkent und nach dem Zerfall der Sowjetunion einer der Begründer der | |
islamischen Renaissance in Usbekistan. Der Imam hat sich stets von | |
terroristischen Aktivitäten distanziert. | |
## Mitglied einer Oppositionsgruppe | |
Der islamistische Gelehrte, der von Schweden über YouTube zur Einhaltung | |
der religiösen Regeln aufruft und eine fundamentalistische Auslegung des | |
Islam predigt, ist Mitglied der im Mai 2011 in Berlin gegründeten | |
usbekischen Oppositionsgruppierung "Volksbewegung Usbekistan" (NDU). | |
Die NDU vereint religiöse und weltliche Gegner des usbekischen Regimes und | |
fordert den Sturz des seit 1989 herrschenden Präsidenten Islam Karimow. Das | |
Regime in Taschkent lässt im Lande keine Opposition und freie Presse zu. | |
Die NDU agiert daher aus dem Ausland. | |
Der Imam schickte zu dem Gründungstreffen nach Berlin Emissäre. Deutschland | |
verweigert Nasarow, wie aus Sicherheitskreisen zu erfahren ist, die | |
Einreise. Sofort nach der Gründung der NDU geriet die Oppositionsbewegung | |
ins Fadenkreuz. Eine Gruppe usbekischer Flüchtlinge in Deutschland verließ | |
die Bewegung wieder. Zuvor soll die usbekische Botschaft in Berlin gedroht | |
haben, dass andernfalls deren Verwandte in Usbekistan verhaftet würden. | |
Die Usbeken waren nach dem Massaker von Andischan von Deutschland | |
aufgenommen wurden. Im Mai 2005 hatte Karimow in der usbekischen | |
Provinzstadt einen Volksaufstand niedergeschlagen. Im September 2011 wurde | |
in Russland einer der Anführer der NDU erschossen. Auch dieser war in | |
Berlin bei dem Gründungstreffen gewesen. | |
Die usbekische Macht liquidiert immer wieder Gegner des Regimes. 2005 | |
entführte der usbekische Geheimdienst Islamisten und Führer des | |
Andischanaufstandes aus dem benachbarten Kasachstan, wohin diese geflüchtet | |
waren. Nasarow entkam dem Zugriff nur knapp und setzte sich nach Schweden | |
ab. 2006 starben unter bisher ungeklärten Umständen zwei | |
Andischan-Flüchtlinge in den USA. | |
2007 wurde im südkirgisischen Osch der usbekische Journalist Alischer | |
Saipow erschossen. Er hatte sich einer Oppositionsbewegung angeschlossen. | |
Kurz vor der Tat hatte das usbekische Fernsehen Hetzfilme über den | |
Journalisten gezeigt. | |
26 Feb 2012 | |
## AUTOREN | |
Marcus Bensmann | |
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