| # taz.de -- Konflikt in Zentralasien: Gas, Gleise, Grenzen | |
| > Tadschikistan und Usbekistan stehen möglicherweise vor einer | |
| > militärischen Auseinandersetzung. Für die Nato könnte dies den Abzug aus | |
| > Afghanistan erschweren. | |
| Bild: 1998 eskalierte der Konflikt zwischen Usbekistan und Tadschikistan schon … | |
| BERLIN taz | Zwischen Tadschikistan und Usbekistan könnte es zu einer | |
| militärischen Auseinandersetzung kommen. Seit Jahren liefern sich die | |
| beiden zentralasiatischen Staaten an der Grenze zu Afghanistan eine Fehde | |
| um Grenzverläufe und Wassernutzungen. Jetzt hat sich die Konfrontation | |
| verschärft. | |
| Usbekistan will die Fertigstellung des gewaltigen Wasserkraftwerkes Rogun | |
| in Tadschikistan verhindern. Als Unteranrainer der zentralasiatischen | |
| Ströme sorgt sich Taschkent um den ungehinderten Wasserzufluss. Am 1. April | |
| drehte Usbekistan Tadschikistan deshalb den Gashahn zu. | |
| Die Nato versucht den Konflikt auf der Nordversorgungsroute | |
| herunterzuspielen, obwohl über Zentralasien und vor allem über diese beiden | |
| Länder ein Großteil des Rückzuges aus Afghanistan ablaufen soll. „Uns | |
| beeinträchtigt das nicht“, beruhigt eine Nato-Mitarbeiterin, „wir mischen | |
| uns da nicht ein“. | |
| Noch Anfang März hatte der deutsche Außenminister Guido Westerwelle | |
| versucht, den Konflikt zu entschärfen und hochrangige Vertreter der | |
| zentralasiatischen Staaten zu einer Wasserkonferenz nach Berlin geladen. | |
| Über die blaue Diplomatie sollte die regionale Zusammenarbeit gefördert | |
| werden. | |
| ## Aluminiumproduktion ist bedroht | |
| Die Regierungen in Duschanbe und Taschkent liefern sich wenige Wochen nach | |
| dem Treffen jedoch einen harschen Schlagabtausch. „Usbekistan setzt den | |
| Kurs der Konfrontation fort“, empört sich in einem der taz vorliegendem | |
| Bericht die tadschikischen Regierung über die Einstellung der Gaslieferung. | |
| „Die Position der Regierung Usbekistans ist begründet“, kontert der | |
| usbekische Premierminister Schafkat Mirsijew in einem offenen Brief auf der | |
| Webseite der staatlichen Agentur Jahon am Mittwoch. | |
| Ein Ende der Gaslieferung ist für die tadschikische Wirtschaft fatal. | |
| „Weitere Gaslieferungen nach Tadschikistan sind nicht mehr möglich“, heißt | |
| es in einem der taz vorliegendem Brief des usbekischen Vizepremier Rustam | |
| Asimow vom 18. März 2012. Die Aluminiumfabriken, deren Produktion von | |
| 500.000 Tonnen im Jahr 70 Prozent des tadschikischen Exports ausmacht, | |
| mussten den Betrieb deutlich herunterfahren. Es besteht die Gefahr, dass | |
| der wichtigste Industriezweig, der noch aus Sowjetzeiten stammt, in | |
| Tadschikistan für immer still gelegt werden muss. | |
| Der Streit betrifft auch Verkehrswege. Usbekistan baut die Gleise ab, die | |
| die tadschikische Südprovinz mit den internationalen Eisenbahnnetz | |
| verbindet und über die auch Waren nach Afghanistan transportiert wurden. | |
| Aus Usbekistan führen drei Schienenstränge nach Tadschikistan, der südliche | |
| nun unterbrochene Strang verläuft in der Nähe der 2006 errichteten | |
| Autobrücke über den Grenzfluss Pjansch nach Afghanistan. Von dort ist es | |
| eine knappe Autostunde zum Bundeswehrlager in Kundus. | |
| ## Nato gibt sich gelassen | |
| Ohne den Gleisstrang ist die Versorgung eines Großteil der tadschikischen | |
| Bevölkerung gefährdet. Zudem sinken die Chancen Tadschikistans bei dem | |
| Abzug der Nato eine wichtigere Rolle zu spielen. Zwar hat das Land mit | |
| Hilfe von internationalen Krediten einen Großteil des Straßennetzes | |
| repariert, die Schiene ist jedoch der sicherste und preisgünstigere Weg. | |
| Auch hier erklärt die Nato, dass sie der Konflikt nicht tangiere. „Wir | |
| transportieren keine Güter über diese zwischenstaatliche Grenze“, wiegelt | |
| eine Mitarbeiterin der Nato in Brüssel ab. Doch langfristig schaltet | |
| Usbekistan einen lästigen Konkurrenten auf dem Rückzugsweg der Nato aus, | |
| analysierte das amerikanische Journal Foreign Policy bereits im Dezember. | |
| Das westliche Verteidigungsbündnis gerät so immer mehr in größerere | |
| Abhängigkeit zu Usbekistan – ungeachtet der von dem Regime zu | |
| verantwortenden Menschenrechtsverletzungen. Durch das Land verläuft die | |
| einzige Eisenbahnstrecke direkt in die nordafghanische Stadt | |
| Masar-e-sharif. | |
| Seit Anfang des Jahres geben sich die Außenminister der Nato in Taschkent | |
| die Klinke in die Hand, um sich den Herrscher Islam Karimow für den Rückzug | |
| gewogen zu halten. Sollte die Rolle Tadschikistans als Partner der | |
| Nordversorungsroute gemindert werden, könnte Usbekistan die Preise für den | |
| Transit hochschrauben. | |
| Die vorgebliche Gelassenheit der Nato angesichts des | |
| usbekisch-tadschikischen Zwistes könnte sich rächen. Schon einmal | |
| eskalierte der Konflikt militärisch. 1998 überfiel aus Usbekistan eine | |
| tadschikische Renegatenarmee die tadschikische Nordprovinz Chodschent. Noch | |
| immer genießt dessen Anführer Machmud Chuderbedijew den Schutz des | |
| usbekischen Präsidenten. | |
| 5 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Marcus Bensmann | |
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