# taz.de -- Frauen in der Piratenpartei: Progressiv? Ja! Postgender? Nö! | |
> Die Piratenpartei stellt Ergebnisse einer parteiinternen Umfrage vor. | |
> Thema – Gender. Das Ergebnis zeigt: In der Partei muss noch viel | |
> Aufklärung geleistet werden. | |
Bild: Frauen sind selten zu sehen: Bundesparteitag der Piratenpartei. | |
BERLIN taz | Die Piratenpartei lädt zum Gender-Talk ein, und das Internet | |
funktioniert die ersten zehn Minuten nicht. „Willkommen bei der | |
Piratenpartei“, schreit jemand aus der hinteren Ecke. Wie immer bei Treffen | |
der Piratenpartei sind überall Laptops aufgeklappt, die Veranstaltung wird | |
live gestreamt und zwischendurch wird noch schnell getwittert. | |
Zum Weltfrauentag stellt die Gruppe „Kegelklub“ die Ergebnisse ihrer | |
Umfrage zum Thema vor. Der Kegelklub ist ein loses Netzwerk, das sich mit | |
Genderfragen in der Piratenpartei beschäftigt. Denn: Die Partei stand lange | |
in der Kritik, zu wenig weibliche Mitglieder zu haben. Das soll nun anders | |
werden. | |
Insgesamt haben 1.431 „Umfrageteilnehmer_Innen“ einen vollständigen | |
Fragebogen ausgefüllt – davon stammen 1.254 aus der eigenen Partei. Wegen | |
der Methodik ist die Umfrage nach wissenschaftlichen Kriterien nicht | |
repräsentativ. Sie soll aber die Debatte unter der Piraten anregen. | |
Die Ergebnisse überraschen nicht. Frauen seien häufiger durch „Shitstorms“ | |
– das ist die öffentliche Beleidigung im Netz – demotiviert, sich politisch | |
zu engagieren. Außerdem gibt ein Viertel der Piratinnen an, schon selbst | |
Sexismus in der Partei erlebt zu haben. Einig ist man sich über die | |
Regelung zur Frauenquote: 89 Prozent der Männer und 73 Prozent der Frauen | |
sprechen sich dagegen aus. „Feminismus und keine Quote zu wollen, schließen | |
sich nicht aus“, sagt Lena Rohrbach vom Kegelklub. | |
## Frauenquote als symbolischer Akt | |
## | |
Simon Kowalewski, Mitglied des Abgeordnetenhauses und genderpolitischer | |
Sprecher der Piraten, wollte noch kein Fazit zur Umfrage geben. Stattdessen | |
gibt er einen kurzen Überblick über die Situation in Berlin. Er spricht vom | |
hochgelobten „Gender-Budgeting“, das Einnahmen und Ausgaben mit dem Ziel | |
restrukturiert, die Gleichstellung der Geschlechter zu fördern. "Es zeigt | |
Missstände auf, beseitigt aber nicht das Problem", sagt Kowalewski. Und | |
auch die Frauenquote sei ein symbolischer Akt. Damit wäre die Frage der | |
politischen Repräsentanz von Frauen grundsätzlich nicht zu lösen | |
Die Umfrage zeigt eines deutlich: Auch in der Piratenpartei ist noch einige | |
Basisarbeit zu leisten. Ein Drittel der männlichen Mitglieder beschäftigt | |
sich kaum mit Feminismus. Und noch ein Märchen, das sich immer wieder gegen | |
die Piratenpartei richtet, wurde beim Gender-Talk ausgeräumt: Nur 6 Prozent | |
sehen die Partei als absolut „postgender“ an – das steht für die Ablehnu… | |
von Geschlechterzuschreibungen. | |
Dazu scheint auch Julia Schramm zu gehören, die im April für den | |
Bundesvorsitz kandidieren will. „Postgender ist eine erstrebenswerte | |
Utopie“, sagt sie. „Aber da sind wir noch nicht.“ Viel Aufklärungsarbeit | |
ist also noch zu leisten. | |
Am Donnerstag gab es schon mal den Anfang – als das Geschlechter- und | |
Familienprogramm der Piratenpartei bekräftigt wurde: Die Erfassung des | |
Geschlechts durch staatliche Behörden lehnen die Piraten ab, schon allein | |
um die Diskriminierung von Trans- und Intersexuellen zu vermeiden. Außerdem | |
fordern sie die Abschaffung des Ehegattensplittings, weil es nur | |
heterosexuelle Ehen fördert – und nicht die eintragene Lebenspartnerschaft. | |
8 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Enrico Ippolito | |
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