# taz.de -- Schengen-Abkommen als Wahlkampfthema: Sarkozy und die Immigrationsk… | |
> Nicolas Sarkozy macht weiter Wahlkampf von rechtsaußen: Der Franzose | |
> stellt das Schengen-Abkommen offen infrage und fordert schärfere | |
> Sanktionen für lasche Grenzkontrollen. | |
Bild: Balsam für die gestresste Präsidenten-Seele: Nicolas Sarkozy umringt vo… | |
VILLEPINTE taz | Es war eine Machtdemonstration, wie sie Staatspräsidenten | |
Nicolas Sarkozy dringend benötigte: Aus ganz Frankreich sind am Sonntag | |
etwa 50.000 Anhänger des Kandidaten in das immense Ausstellungsgelände von | |
Villepinte im Norden von Paris geströmt. Sarkozy liegt in allen Umfragen | |
bisher hinter seinem sozialistischen Herausforderer François Hollande | |
zurück. Sarkozy hatte gar Defätismus verbreitet, als er in diesen Tagen | |
ankündigte, wenn er die Wiederwahl verpasse, höre er mit der Politik ganz | |
auf. Was ihm seine Gegner innigst wünschen, zieht er selber keine Sekunde | |
lang ernsthaft in Betracht. Die scheinbare Drohung, sich aus der Politik | |
zurückzuziehen, war nur ein Mittel, seine zögernden Anhänger zu | |
mobilisieren. | |
Unterstützung hat er von Bernadette Chirac, der Gattin des früheren | |
Präsidenten, aber auch vom Schauspieler Gérard Depardieu bekommen. Dieser | |
sagte von seinem Freund: „Ich höre viel Schlechtes von einem Mann, der nur | |
Gutes getan hat.“ Zu seiner eigenen Rechtfertigung erklärte der Präsident, | |
dessen Bilanz sehr umstritten ist, er habe alles versucht und sein Bestes | |
gegeben. Da er bei seinen Reformen aber auf Widerstände seitens „gewisser | |
Gewerkschaften“ gestoßen sei, wolle er künftig Volksabstimmungen gegen | |
solche Blockierungen organisieren. | |
Sarkozy machte sich bei seiner größten Wahlveranstaltung vor dem ersten | |
Urnengang für die „europäische Zivilisation“ stark, die er in Gefahr sieh… | |
Die EU werde zu einem „Synonym für Ohnmacht“ und verrate so die Ideale der | |
europäischen Gründerväter. Darum fordere er Neuverhandlungen über das | |
Schengen-Abkommen. Die Frage der Immigrationskontrolle könne nicht weiter | |
Technokraten und Richtern überlassen werden. Es brauche eine politische | |
Aufsichtsinstanz der Regierungen. Insbesondere müsse es möglich werden | |
Staaten, welche die Grenzkontrollen venachlässigten, zu sanktionieren oder | |
auszuschließen. Falls binnen zwölf Monaten die Verhandlungen darüber | |
scheitern sollten, werde er nicht zögern, die Teilnahme Frankreichs am | |
Schengen-Abkommen suspendieren. | |
## „La France forte“ | |
Ein zweites ähnliches Ultimatum stellte der Kandidat der EU zum Schutz der | |
europäischen Unternehmen und vor allem der Klein- und Mittelunternehmen. | |
Analog zu den USA müsse die EU mit einem „European Buy Act“ in Europa | |
produzierte Güter für öffentliche Aufträge und Märkte bevorzugen. Wenn die | |
EU dies nicht in den nächsten zwölf Monaten beschließe, werde Frankreich | |
eine solche (protektionistische) Vorzugsbehandlung im Alleingang einführen. | |
Auch werde er nicht zögern, staatliche Mittel zu investieren, um die | |
Abwanderung der Industrie zu stoppen und bespielsweise den Standort der | |
Stahlproduktion in Frankreich zu verteidigen. Mit solchen Vorschlägen will | |
Sarkozy seinen patriotischen Wahlslogan „La France forte“ (ein starkes | |
Frankreich) illustrieren und ihn in seiner Wahlkampagne verkörpern. | |
UMP-Parteichef Jean-François Copé sagte in Villepinte: „Ich bin in meinem | |
Innersten überzeugt, dass Nicolas Sarkozy am 6. Mai von der schweigenden | |
Mehrheit in diesem Land gewählt wird.“ François Fillon, der seit fünf | |
Jahren sein Premierminister ist, hat versichert, wie Sarkozy in Libyen, in | |
der Euro-Krise, aber auch in der Innenpolitik bewiesen habe, sei er der | |
„Präsident, der Risiken eingeht“. | |
Sarkozys Anhänger hoffen, dass noch oder wieder alles möglich ist. „Es wird | |
so oder so knapp werden“, meint der 24-jährige Student Alexis Pelletier, | |
der als Mitglied der UMP-Jugend „Jeunes Populaires“ in seinem Departement | |
Seine Saint-Denis im Norden der Hauptstadt auf dem Markt Flugblätter | |
verteilt und seinen Worten zufolge nicht nur Positives zu hören bekommt. An | |
einen Sieg ihres Präsidenten glaubt felsenfest die pensionierte | |
Direktionssekretärin Chantal Nélet: „Sarkozy ist ehrlich und arbeitsam. | |
Darum glaube ich an ihn. Wie wollen Sie, dass er in viereinhalb Jahren | |
machen konnte, was seit 1981 (seit dem Sieg des Sozialisten François | |
Mitterrand) nicht getan wurde?“ | |
12 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
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