# taz.de -- Wahlkampf der französischen „Linksfront“: Der Rebell stürmt d… | |
> Jean-Luc Mélenchon, der Präsidentschaftskandidat der französischen | |
> „Linksfront“, zieht die meisten Leute an. Er gibt sich als der wahre | |
> Volkstribun aus. | |
Bild: Extrotzkist und Exsozialist Jean-Luc Mélenchon meint es ernst. | |
PARIS taz | Die Gewitterwolken über dem Himmel von Paris passten zum | |
historischen Pathos des Redners Jean-Luc Mélenchon, der am Sonntag auf dem | |
geschichtsträchtigen Pariser Bastille-Platz den Geist der Französischen | |
Revolution beschwor: „Hier sind wir wieder, Frankreichs Volk der | |
Revolutionen und Rebellionen!“ | |
Die Geister, die er rief, waren zahlreich auf diesem Platz, auf dem „der | |
letzte Königsthron verbrannt wurde“, wo alle Revolutionen begannen und vor | |
genau 141 Jahren die Pariser Kommune ausgerufen wurde. Zehntausende | |
Menschen waren aus ganz Frankreich gekommen, um mit dem | |
Präsidentschaftskandidaten der Linksfront (Allianz von Kommunisten und | |
Linkspartei) die Bastille zu stürmen. | |
Er sieht seine Wahlkampagne nur als Beginn eines „Bürgeraufstands“. Das | |
Ziel dieser Volksbewegung soll die Einberufung einer konstituierenden | |
Versammlung sein, die eine „soziale, weltliche, feministische und | |
ökologische Sechste Republik“ proklamiert. Mélenchons Traum mobilisiert. | |
Nach Schätzungen der Linksfront waren es 120.000 Sympathisanten in Paris, | |
die diese Vision mit ihm teilen. Das war die bisher mit Abstand größte | |
Wahlveranstaltung. Der Extrotzkist und Exsozialist Mélenchon, der im | |
November 2008 nach dem deutschen Vorbild seine „Parti de Gauche“ gegründet | |
hatte, gilt als die Entdeckung der Präsidentschaftswahlen. | |
Von Mal zu Mal sind mehr Zuschauer bei seinem Auftritten, die diesen | |
Alleinunterhalter, der den Kapitalisten die Leviten liest, erleben wollen. | |
Die Zeitung Le Parisien hat ihn zum „König der Wahlmeetings“ erklärt. Auch | |
in der normannischen Industriestadt Rouen entfaltete er vergangene Woche | |
sein Rednertalent. | |
## Drohungen gegen Steuerflüchtige | |
„Ihr Damen und Herren Millionäre, ihr werdet blechen!“, trumpft er auf und | |
fordert eine Steuerreform, die noch viel radikaler sein müsse als die des | |
Sozialisten François Hollande, der Millioneneinkommen zu 75 Prozent | |
besteuern will. Den Steuerflüchtlingen, die ihr Geld im Ausland in | |
Sicherheit bringen, droht er mit einer gnadenlosen Verfolgung durch den | |
Fiskus und einem Gesetz, das es diesen vaterlandslosen Millionären | |
verbieten soll, aus ihrem Exil Unternehmen zu leiten. | |
Mélenchon beansprucht für sich, den Siegeszug der extremen Rechten | |
definitiv gestoppt zu haben, indem er den wahren Charakter des Front | |
National entlarvt habe. Die Fremdenfeindlichkeit des FN sei die eigentliche | |
„obsessive Neurose“ dieser Partei und ihre Kandidatin Marine Le Pen sei | |
„halb dement“, was ihr „immerhin noch eine intakte Hälfte“ lasse. Mari… | |
Pen hatte sich wegen solcher Beleidigungen geweigert, mit Mélanchon im | |
Fernsehen zu debattieren. Mélenchon jubiliert noch im Nachhinein bei seinem | |
Auftritt in Rouen: „Wenn ich rede, hält sie den Mund.“ | |
Für die französischen Kommunisten ist die Allianz mit Mélenchon ein fast | |
unverhoffter Glücksfall. Für den PCF, der in der Nachkriegszeit mehr als | |
ein Viertel der Wähler hinter sich geschart hatte, schien der Abstieg in | |
die Bedeutungslosigkeit schier unaufhaltsam. Die Präsidentschaftskandidatin | |
des PCF hatte 2007 weniger als 2 Prozent der Stimmen erhalten. Niemand im | |
PCF hätte auch nur annähernd das Format zum Volkstribun wie Mélenchon. | |
Die Sozialisten hingegen waren es seit Langem nicht mehr gewohnt, von ganz | |
links Konkurrenz zu bekommen. Sie wurden überrascht vom „Phänomen | |
Mélenchon“. Umfragen sehen ihn mittlerweile bei 11 Prozent. Damit wird er | |
zu einem ernsthaften Problem für den bisherigen sozialistischen Favoriten | |
François Hollande, der jetzt den Linkswählern einschärft, sie sollten | |
„nützlich“ wählen, um im ersten Durchgang Ende April ein Debakel wie 2002 | |
zu vermeiden: Damals unterlag der Sozialist Lionel Jospin wegen einer allzu | |
großen Konkurrenz von linken Gegenkandidaten in der ersten Runde. Le Pen | |
zog in die Stichwahl ein. | |
19 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Rudolf Balmer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlkampf in Frankreich: Die Jugend mag es radikal | |
Bei den jüngsten Wählern liegt Marine Le Pen von der Front National noch | |
vor Hollande und Sarkozy. Ihre Sprüche über Finanzmärkte und Ausländer | |
kommen an. | |
Gemeinsames europäisches Manifest: Sozialisten raufen sich zusammen | |
Mit einer Erklärung von Paris wollen die Sozialdemokraten in Europa eine | |
Basis für die kommenden Wahlen schaffen. Im Mittelpunkt steht die | |
Finanzkrise. | |
Sarkozys Wahlkampf im Jahr 2007: Mit Gaddafis Geld ins Präsidentenamt? | |
Muammar Gaddafi soll Nicolas Sarkozys erste Wahlkampagne von 2007 | |
mitfinanziert haben. Ist das die Enthüllung, die den jetzigen Wahlkampf | |
entscheidet? | |
Kommentar Sarkozy im Wahlkampf: In Marine Le Pens offene Arme | |
Zu viele Ausländer in Frankreich? Schengen ist schuld. Solche Sprüche | |
Sarkozys entzücken das nationalstolze Herz, haben aber mit den politischen | |
Realitäten wenig zu tun. | |
Schengen-Abkommen als Wahlkampfthema: Sarkozy und die Immigrationskontrolle | |
Nicolas Sarkozy macht weiter Wahlkampf von rechtsaußen: Der Franzose stellt | |
das Schengen-Abkommen offen infrage und fordert schärfere Sanktionen für | |
lasche Grenzkontrollen. | |
Wahlkampf in Frankreich: Dann eben rechtsradikal | |
Präsident Nicolas Sarkozy sucht im Wahlkampf aus der Defensive zu kommen. | |
Dabei scheut er sich nicht, alle Register zu ziehen, wenn es gegen | |
Ausländer geht. |