# taz.de -- Hinrichtungen in Weißrussland: Todesnachricht im Briefkasten | |
> Der angebliche U-Bahn-Attentäter Wladislaw Kowaljow ist hingerichtet | |
> worden. Auch das Todesurteil des zweiten angeblichen Täters Dmitri | |
> Konowalow ist wohl vollstreckt worden. | |
Bild: Gedenken an den angeblichen Täter Wladislaw Kowaljow am Eingang einer U-… | |
„Sie haben ihn umgebracht. Es war alles umsonst, es war alles umsonst“ | |
stammelte Tatjana Kowaljowa, die Schwester des zum Tode verurteilten | |
Wladislaw Kowaljow am Telefon mit einem russischen Reporter. Soeben hatte | |
Ljubow Kowaljowa, die Mutter von Wladislaw Kowaljow, der im November wegen | |
angeblicher Beteiligung am Terroranschlag vom 11. April 2011 in der Minsker | |
U-Bahn zum Tode verurteilt worden ist, ihren Briefkasten geöffnet und ein | |
Schreiben des Obersten Gerichts der Republik Belarus/Weißrussland geöffnet. | |
„Ich teile hiermit mit, dass das Urteil des Obersten Gerichts der Republik | |
Belarus vom 30. November 2011 bezüglich Ihres Sohnes Wladislaw Jurjewitsch | |
Kowaljow vollstreckt wurde. Die Todesbescheinigung erhalten Sie im | |
Standesamt der Verwaltung des Rayons Perwomajsk der Stadt Witebsk. Der | |
Stellvertretende Vorsitzende W.L. Kalinkowitsch“. Der Brief enthält weder | |
Anrede noch Grußformel. | |
Ljubow Kowaljowa hatte gekämpft. Bis zum Schluss. Sie war nicht in eine | |
Depression verfallen, als man ihren Sohn wegen Mitwirkung an dem | |
Terroranschlag vom 11.4.2011 vor Gericht stellte und im November zum Tode | |
verurteilte. Sie kämpfte für ihn, nicht nur weil er ihr Sohn war, sondern | |
„weil er die Wahrheit gesagt hat“, wie sie in einem ersten Interview nach | |
Bekanntwerden der Exekution sagte. | |
Kowaljowa sprach mit Journalisten, Menschenrechtlern, Staatsanwälten, | |
Oppositionspolitikern, der Präsidialadministration. Sie besuchte den | |
Europarat, wandte sich an die Menschenrechtskommission der UN. Und als | |
Präsident Lukaschenko am 14.3. erklärt hatte, er werde dem Gnadengesuch | |
nicht stattgeben, machte Kowaljowa sich sofort von Witebsk auf den Weg nach | |
Minsk, eilte von Behörde zu Behörde, um etwas über den Aufenthaltsort ihres | |
Sohnes zu erfahren. Wahrscheinlich war ihr Sohn zu diesem Zeitpunkt schon | |
tot. Noch einmal bat sie Lukaschenko über die Medien um Gnade. Er solle ein | |
einjähriges Moratorium auf die Todesstrafe erklären, bat die verzweifelte | |
Mutter den Diktator. | |
## Kampf für das Andenken des Sohns | |
Und auch nach Bekanntwerden der Exekution stellt sich Kowaljowa mit Tränen | |
in den Augen vor die Kameras und kämpft für das Andenken an ihren Sohn. Die | |
Behörden, so die Mutter, haben alles so schnell durchgezogen, um Spuren zu | |
verwischen. Kaum sei ihr Sohn tot, müsse sie sich gegen neue Vorwürfe | |
verwehren. Gewisse Medienberichte suggerierten, dass sie an dem Todesurteil | |
mitschuld sei. Man werfe ihr vor, dass sie zum Europarat gefahren sei, | |
Kontakt zur Opposition habe. Sie habe immer mit allen gesprochen, von denen | |
sie sich Hilfe im Kampf für ihren Sohn erhofft habe, wehrt sich die Mutter | |
in dem Interview am Samstag. | |
So habe sie mit den Behörden genauso gesprochen, wie eben | |
Oppositionspolitikern. Doch sie habe immer alleine gekämpft. Die Reise zum | |
Europarat sei nicht von der Opposition finanziert worden. „Ich habe | |
gekämpft, weil mein Sohn die Wahrheit sagte. Aber die haben doch alles so | |
gemacht, wie sie es sich in ihrem Drehbuch schon lange vorher überlegt | |
hatten. Sie haben gedacht, sie können die beiden Jungs einschüchtern. Ja, | |
Dima hat dann auch geschwiegen, aber mein Sohn hat die Wahrheit gesagt.“ so | |
die weinende Mutter. | |
Zum Schicksal des zweiten zum Tode Verurteilen, Dmitrij Konowalow, gibt es | |
unterschiedliche Angaben. Tatjana Rewjako von der | |
Menschenrechtsorganisation „Wjasna“ geht davon aus, dass dieser und auch | |
der Mörder Igor Mjalik ebenfalls in der vergangenen Woche hingerichtet | |
wurde. Auch die belarussischen Internet-Portale „tut.by“ und „telegraf.by… | |
berichten von der Hinrichtung von Kowaljow und Konowalow. Die Erschießung | |
von Kowaljow bedeute nicht zwangsläufig, dass auch Konowalow erschossen | |
wurde, heißt es hingegen in einer Erklärung des belarussischen | |
Innenministeriums, das bisher keine Angaben zur Situation von Konowalow | |
macht. Das weißrussische Staatsfernsehen berichtet am Sonntag, es sei auch | |
das Todesurteil gegen Dmitri Konowalow vollstreckt worden. | |
18 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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