# taz.de -- Saarland klebt am Bergbau-Erbe: Erzverbunden in die Zukunft | |
> Das kleinste deutsche Flächenland sucht nach einer neuen Ausrichtung | |
> jenseits der Kohle. Die CDU will Zechen aber als Kulturerbe weiter nutzen | |
> – touristisch. | |
Bild: Lange Bergbautradition: Gedenken an das Grubenunglück von Luisenthal vor… | |
SAARBRÜCKEN taz | Auf dem Turmgestänge zweier riesiger Fördertürme wehen | |
zwei schwarz-rot-goldene Fahnen, eine mit dem Wappen des Saarlandes, beide | |
auf halbmast und mit Trauerflor. Zum Gedenken an das Grubenunglück von | |
Luisenthal, bei dem vor 50 Jahren 299 Bergleute starben, haben sich die | |
Teilnehmer im Zechensaal der aufgelassenen Grubenanlage versammelt. | |
Unter ihnen führende Politiker des Landes: CDU-Ministerpräsidentin Annegret | |
Kramp-Karrenbauer, SPD-Chef Heiko Maas, Linken-Chef und früherer | |
SPD-Ministerpräsident Oskar Lafontaine. Nicht nur wegen des Wahlkampfs sind | |
die Bergleute sich der Aufmerksamkeit der Politiker gewiss: Das Saarland | |
ist bis heute von Kohle und Stahl geprägt. | |
Nun fällt das Gedenkjahr für die verunglückten Bergmänner zusammen mit dem | |
für Juni terminierten Ende des Kohlebergbaus an der Saar. 1.500 | |
Saar-Bergleute werden sukzessive ins nordrhein-westfälische Ibbenbüren | |
verlegt, wo die den Saarkohlebergbau betreibende RAG noch aktiv ist. | |
Neue Arbeitsplätze jenseits des Bergbaus werden gesucht. Die seit August | |
amtierende Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer verweist im | |
Gespräch auf einen sich seit Jahren vollziehenden Strukturwandel, auf die | |
Spitzenforschung der Saarbrücker Universität und auf die Autoindustrie, | |
deren Zulieferer im aktuellen Autoboom nun wieder auf Ausbau setzen. „Das | |
Saarland liegt vorne beim Wirtschaftswachstum, noch über dem des | |
Bundesdurchschnitts“, betont die CDU-Vorsitzende stolz. | |
## Deutlicher Einbruch von 0,5 Prozent | |
Tatsächlich stieg die Summe der in dem Land produzierten Waren und | |
Dienstleistungen 2010 um 4,7 und 2011 um 3,6 Prozent – einen | |
beziehungsweise einen halben Prozentpunkt stärker als die Wirtschaft in | |
Deutschland insgesamt. Allerdings sieht die Arbeiterkammer Saarland für das | |
laufende Jahr bereits wieder einen deutlichen Einbruch auf 0,5 Prozent. | |
Kramp-Karrenbauers Vorgänger Peter Müller (CDU) hatte nach der Absage an | |
die Atomkraft den Ausbau der regenerativen Energien auf den Weg gebracht, | |
dem auch die amtierende Ministerpräsidentin folgen will. Dabei dürfe aber | |
die industrielle Basis nicht gefährdet werden. | |
Etwas anders stellt sich das die frühere Umweltministerin Simone Peter vor, | |
die nun als Spitzenkandidatin der Grünen antritt. Während ihrer Amtszeit | |
hatte sie einen „Masterplan Energie“ für das Saarland ausarbeiten lassen, | |
mit dem sie die Energiewende für die heimische Wertschöpfung voranbringen | |
und den im Vergleich zum Bundesdurchschnitt doppelt so hohen Ausstoß an CO2 | |
massiv senken wollte. „Die Klimabelastung aus Verkehr, Industrie und | |
Haushalten ist im Saarland sehr hoch“, sagt sie. Daher mache es „wenig | |
Sinn, weiter auf Kohlekraftwerke zu setzen und noch mehr Straßen zu bauen, | |
für die zudem das Geld fehle. Vielmehr müsse man den Ausbau des ÖPNV, von | |
Fahrrad- und Fußwegen, der Elektromobilität, mehr Energieeffizienz in den | |
energieintensiven Unternehmen, etwa der Stahlindustrie, und die | |
Energieeinsparung in den Privathäusern fördern. | |
## „Lebendiges Ausstellungskonzept“ | |
Bereits ausgerufene Nullemissionsgemeinden und -landkreise sowie neue | |
Energiegenossenschaften böten „große Chancen, die regionale Wertschöpfung | |
und den Klimaschutz voranzubringen“. Trotzdem ist das finanziell permanent | |
klamme Flächenland mit der Kohle noch nicht fertig. Denn beide | |
Politikerinnen fordern auch eine ökologische Aufarbeitung und kulturelle | |
Auseinandersetzung mit dem Ende des Bergbaus in dem demografisch | |
schrumpfenden Bundesland. | |
Kramp-Karrenbauer möchte die frei werdenden Flächen über und unter Tage | |
nach einer genauen Begutachtung sowohl als Wirtschafts- und Energieflächen | |
der Zukunft nutzen als auch für ein „lebendiges Ausstellungskonzept“ | |
vorsehen. In grenzüberschreitender Zusammenarbeit etwa mit dem „Carreau | |
Wendel“ im benachbarten Lothringen sollen einige Baudenkmäler als | |
Landmarken die Prägung des Saarlandes durch den Bergbau als Erbe sichtbar | |
machen – ähnlich der Völklinger Hütte, die nach ihrer Stilllegung mit | |
Ausstellungen als Unesco-Weltkulturerbe Schlagzeilen macht. | |
Die Grüne Simone Peter fordert neue Perspektiven für die ehemaligen | |
Bergbauflächen und -stollen mit ökologischem Ansatz. Renaturierung und | |
touristische sowie energetische Nutzung etwa der Abraumhalden und die | |
Überprüfung der Schächte für geothermische oder Energiespeicheranwendungen | |
seien hier notwendig. | |
20 Mar 2012 | |
## AUTOREN | |
Markus Bauer | |
## TAGS | |
Heiko Maas | |
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