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# taz.de -- Folter in Russland: Polizei soll überwacht werden
> Ein Häftling in der russischen Provinz Tatarstan starb, nachdem er von
> Polizisten schwer misshandelt wurde. Jetzt soll die Polizei stärker
> kontrolliert werden.
Bild: Mit den Oppositionellen hat die russische Polizei alle Hände voll zu tun.
BERLIN taz | In Russland könnte es bald eine Sondereinheit geben, die
ausschließlich in Sachen Amtsmissbrauch von Polizisten und Rechtsorganen
ermittelt. Diese Forderung hatten Vertreter führender
Menschenrechtsorganisationen – darunter Memorial und die Moskauer Helsinki
Gruppe – erst vor wenigen Tagen erhoben.
Auslöser ist ein Folterskandal in Polizeigewahrsam in Kasan, der Hauptstadt
der Republik Tatarstan. Dort war am 9. März der 52-jährige Sergej Nazarow
unter dem Vorwurf des Diebstahls und Rowdytums festgenommen worden. Zwei
Tage später wurde er mit schwersten Verletzungen in ein Krankenhaus
eingeliefert, wo er drei Tage später an einem Darmdurchbruch starb. Kurz
vor seinem Tod konnte Nazarow den Ärzten noch mitteilen, dass er von
mehreren Polizisten geschlagen und mit einer Sektflasche vergewaltigt
worden war.
Am 15. März gingen in Kasan einige Dutzend Menschen mit Luftballons in Form
von Sektflaschen auf die Straße und forderten den Rücktritt des
Innenministers Asgat Safarow. Nicht zuletzt unter dem Eindruck des Protests
zogen die Behörden erste Konsequenzen: Der Chef der Kasaner Polizeistation
wurde entlassen, gegen vier Polizisten läuft ein Ermittlungsverfahren wegen
Amtsmissbrauchs.
Der tödliche Vorfall in Tatarstan ist nur ein Beispiel für die grausame und
erniedrigende Behandlung, der mutmaßliche Straftäter in Russland ausgesetzt
sind. Allein in Kasan meldeten sich unmittelbar nach Bekanntwerden von
Nazarows Tod bei einem örtlichen Menschenrechtsverein zehn Personen, die
ebenfalls in Polizeigewahrsam gefoltert worden waren.
## 78.000 Beschwerden in einem Jahr
Im sibirischen Kemerowo wurden in dieser Woche vier Polizisten
festgenommen, die einen Verdächtigen mit einer Gasmaske zu Tode malträtiert
haben sollen. Der unter Korruptionsverdacht stehende Bürgermeister von
Stawropol gab am vergangenen Mittwoch zu Protokoll, unter Folter zu einem
Geständnis gezwungen worden zu sein.
Angaben von russischen Menschenrechtlern zufolge gingen 2011 landesweit
78.000 Beschwerden über Gesetzesverstöße von Polizisten ein, nur in 4.000
Fällen kam es zu Verfahren. Diese geringe Quote verwundert nicht, denn
Folter gilt als normale und legitime Verhörmethode.
Oder wie Tatarstans Innenminister Asgat Safarow es in seinen Memoiren
formulierte, die Anfang des Jahres erschienen waren: „Ein Krimineller, der
jemandem das Leben genommen hat, muss dafür mit seinem eigenen bezahlen.
Und das ist noch sehr human. Die Grausamkeit des Mittelalters folgte einer
Logik: Da man einen Mörder nicht mehrmals hinrichten kann, muss man dessen
Leben möglichst quälend beenden. Als Beispiel für andere.“
Mittlerweile werden Rufe nach einem Rücktritt des Ministers immer lauter.
Ob das an der Situation grundlegend etwas ändert, ist fraglich. Auch einer
neuen Ermittlungsbehörde trauen Beobachter das nicht zu. „Resultate werden
solange ausbleiben“, schreibt das Internetportal gazeta.ru, „wie die
Vertreter von Behörden meinen, über dem Gesetz zu stehen.“
29 Mar 2012
## AUTOREN
Barbara Oertel
Barbara Oertel
## TAGS
Russland
Memorial
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