# taz.de -- Mögliche Terrorhelfer der NSU: Internationale der Nationalisten | |
> Der NSU pflegte enge Verbindungen zu militanten Nazirockern. Mundlos, | |
> Böhnhardt und Zschäpe vollstreckten die Ideen, die „Blood and Honour“ | |
> propagierte. | |
Bild: Am 12. September 2000 verbot das Bundesinnenministerium „Blood & Honour… | |
Im Frühjahr 1998 sitzen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe in | |
ihrer ersten Wohnung im Untergrund, ein Altbau im Chemnitzer Westen. Sie | |
sind knapp bei Kasse, erst eineinhalb Jahre später werden die Neonazis | |
anfangen, Banken und Postfilialen auszurauben. Zu dem Zeitpunkt versuchen | |
sie noch anders, an Geld zu kommen. „Pogromly“ heißt ein von dem Trio | |
selbst entworfenes Spiel, an dem die drei in der Wohnung in der Limbacher | |
Straße 96 basteln. | |
So berichten es heute zwei mutmaßliche Terrorhelfer in ihren Vernehmungen. | |
Es ist die Neonazivariante von Monopoly, mit SS-Runen, Hakenkreuzen und | |
einem Adolf-Hitler-Feld auf dem Spielbrett. Auf den Ereigniskarten stehen | |
Texte wie: „Du hattest auf ein Judengrab gekackt. Leider hattest Du Dir | |
hierbei eine Infektion zugezogen.“ | |
Noch brisanter als diese düsteren Details aus der Frühphase des | |
„Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) sind die Umstände, unter denen | |
das Trio damals in Chemnitz aufgenommen wurde. Denn sie offenbaren, wie | |
wichtig das militante „Blood and Honour“-Netzwerk (B & H) für die drei in | |
den ersten Jahren im Untergrund war. | |
Zu ihrer Wohnung in Chemnitz gebracht haben soll das Trio zwar ein | |
18-jähriger Skinhead. Doch die Ermittler glauben, dass ein anderer hinter | |
der Aktion steckte oder zumindest im Bilde war: Der damals einflussreiche | |
Neonazi Thomas S. Auf einem Konzert soll er dem Mann, der die drei in | |
seiner Wohnung versteckte, „anerkennend die Hand geschüttelt“ haben. | |
## Rohrbomben in der Garage | |
Und wenn stimmt, was ein weiterer mutmaßlicher Helfer des Trios aussagte, | |
dann hatte jener Thomas S. auch maßgeblich mit dem zu tun, weshalb Mundlos, | |
Böhnhardt und Zschäpe überhaupt in den Untergrund gingen: den Rohrbomben, | |
die im Januar 1998 in einer von Zschäpe angemieteten Garage in Jena | |
gefunden wurden. | |
Den Sprengstoff dafür, so berichtete der in Untersuchungshaft sitzende | |
Holger G., habe Thomas S. beschafft. Eine Zeit lang sollen Beate Zschäpe | |
und S. sogar „liiert gewesen“ sein, erfuhr der Thüringer Verfassungsschutz. | |
Es sind nur einige von vielen Verbindungen zu „Blood and Honour“, die sich | |
bei den Ermittlungen zum NSU ergeben haben. Wie aus den Akten hervorgeht, | |
war das Trio viel stärker in das im Jahr 2000 offiziell verbotene Netzwerk | |
eingebunden als bisher bekannt. | |
Sie kannten seit Mitte der 90er führende Köpfe, schrieben in Fanzines der | |
B-&-H-Szene – und vollstreckten die mörderischen Ideen, die in dem Netz | |
offen propagiert wurden. „Blood and Honour“ war weit mehr als nur eine | |
internationale Neonazirockbewegung (siehe Kasten). Ziel sei es, die | |
„Patrioten“ zu einen, „nicht nur in der Musik, sondern im Kampf“, besch… | |
der deutsche Ableger im Oktober 1998. Was damit gemeint war, konnte man | |
schon 1996 in einem Heft der „Division Deutschland“ lesen. | |
Dort wurde der „führerlose Widerstand“ in kleinen, unabhängigen Zellen | |
propagiert. „Die Patrioten von heute müssen sich auf den größten aller | |
Kriege, den Rassenkrieg, vorbereiten“, hieß es dort, „und dafür muss man | |
geheime Strukturen schaffen und bereit sein, sein Leben zu opfern.“ Im | |
Rückblick klingt es wie eine Blaupause für den „Nationalsozialistischen | |
Untergrund“. | |
## Kontakte zu „Blood and Honour“ seit 1996 | |
Enge Kontakte zu „Blood and Honour“ pflegten Mundlos, Böhnhardt und Zschä… | |
seit mindestens 1996. Mundlos, so erfuhr der Thüringer Verfassungsschutz | |
später, soll mit zwei sächsischen B-&-H-Mitgliedern seit jenem Jahr | |
regelmäßig auf Konzerte gegangen sein. Die beiden waren Teil jener | |
Chemnitzer Skinheads, die sich auch die „88er“ nannten – der Neonazicode | |
für „Heil Hitler“. Es war eine Szene, in der man Bomberjacke und | |
Springerstiefel trug und sich gegenseitig derbe Namen wie „Kicke“ und | |
„Kacke“ gab. | |
Als Chef der Gruppe galt B-&-H-Mann Thomas S. Der heute 44-Jährige habe | |
damals rechte Konzerte organisiert und sei in der Skinheadszene „ein großes | |
Licht“ gewesen, berichten frühere Gefährten. Auch ihn kennen Mundlos, | |
Böhnhardt und Zschäpe seit mindestens 1996. Am 1. November marschierten sie | |
mit S. in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald auf. Mundlos und Böhnhardt trugen | |
dabei eine SA-ähnliche Uniform, die ganze Truppe erhielt Hausverbot. | |
Doch die Bande zu „Blood and Honour“ ermöglichten offenbar nicht nur den | |
ersten Unterschlupf des Trios im Februar 1998. Sie hielten auch in der | |
Illegalität. Einige Monate später erscheint im Neonazi-Fanzine White | |
Supremacy, das laut Impressum „zu 100% die B&H-Bewegung unterstützt“, ein | |
anonymer Artikel. | |
Mit Konzerten allein sei keine Schlacht zu gewinnen, beklagt sich der | |
Autor: Wer sich nicht „aktiv am Kampf“ beteilige, der unterstütze „passiv | |
alles, was sich gegen unser Volk“ richte. Geschrieben haben soll den Text | |
einer der beiden Uwes im Untergrund, wahrscheinlich Mundlos. | |
## Szeneintern hieß er „Dackel“ | |
Als Kontaktadresse für White Supremacy war das Postfach 18 in 01720 | |
Wilsdruff angegeben – das nutzte auch der heute 37-Jährige Jan W. für ein | |
von ihm betriebenes Neonazilabel. W. war bei B & H nicht irgendwer, sondern | |
Chef der sächsischen „Sektion“ des Neonazinetzes. Szeneintern nannten sie | |
ihn den „Dackel“. | |
Auch mit ihm sollen die NSU-Terroristen Kontakt gehabt haben. Seinem ersten | |
Gastgeber im Untergrund erzählte Mundlos, er habe den „Dackel“ getroffen, | |
der sei aber zu bekannt, um bei ihm unterzutauchen. Mundlos soll sogar ein | |
T-Shirt für Jan W. entworfen haben: „The Skinsons“ stand darauf, dazu ein | |
Bild von Bart Simpson. Die T-Shirts sollen dann in der Szene verkauft | |
worden sein, um das Trio zu unterstützen. | |
Doch all das ist nichts im Vergleich zu dem, was der Brandenburger | |
Verfassungsschutz im September 1998 auf einem Konzert der B-&-H-Sektion | |
Südbrandenburg bei Lauchhammer erfuhr: Jan W. soll mit dem Trio in Kontakt | |
stehen und den Auftrag haben, sie mit Waffen zu versorgen – für einen | |
Überfall. | |
Ein gutes Jahr später erfährt der Thüringer Geheimdienst von einer Äußerung | |
des anderen „Blood and Honour“-Manns im Umfeld des Trios, Thomas S. Der | |
soll auf einem Konzert in Schorba bei Jena am 13. November 1999 gesagt | |
haben, die drei bräuchten kein Geld mehr, weil sie jetzt „jobben“ gingen. | |
Im Monat davor hatte der NSU zum ersten Mal eine Postfiliale ausgeraubt. | |
## Alter Bekannter für die Karlsruher Ermittler | |
Ende Januar 2012 ließ die Bundesanwaltschaft die Wohnungen der beiden | |
früheren B-&-H-Männer, Jan W. und Thomas S., durchsuchen. Sie gehören nun | |
zum Kreis der möglichen Terrorhelfer. Ob man ihnen Straftaten nachweisen | |
kann, die noch nicht verjährt sind, ist aber unklar. | |
Jan W. ist auch für die Karlsruher Ermittler ein alter Bekannter. 2000 | |
hatte er beim Herstellen und Verteilen der CD „Ran an den Feind“ der | |
bekanntesten deutschen B-&-H-Band geholfen: Landser. Auf Betreiben der | |
Bundesanwaltschaft wurde die Neonaziband 2003 in Berlin als kriminelle | |
Vereinigung verboten. | |
Im Brandschutt der letzten Wohnung des NSU in Zwickau haben die Ermittler | |
nun ein Dokument aus genau jenen Zeiten gefunden: Eine Kopie der Vernehmung | |
von Jan W. im „Landser“-Verfahren vom Januar 2002. Was hat das zu bedeuten? | |
Wie ist sie dahin gekommen? Darüber rätseln auch die Ermittler. | |
Doch nicht alle scheinen brennend interessiert daran zu sein, die | |
Verbindungen zwischen dem NSU und „Blood and Honour“ aufzuklären. Im | |
sächsischen Landtag hat die Linkspartei gerade einen Antrag an die | |
Staatsregierung gestellt, die Entwicklung des Netzwerks seit 1995 zu | |
untersuchen. Der Antrag sei „zu großen Teilen auf die Vergangenheit | |
ausgerichtet“, antwortete der Landesinnenminister. Die „aktuellen | |
Prioritäten“ seien andere. | |
9 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
W. Schmidt | |
A. Speit | |
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