| # taz.de -- Ausstellung „in progress“: Performance ist Kunst | |
| > Das Zentrum für Kunst und Medientechnologie (ZKM) in Karlsruhe versucht | |
| > sich an der Geschichte und Kunst der Performance mit einer Ausstellung | |
| > „in progress“. | |
| Bild: Kunst in Bewegung: „City Dance“, 1976-1979, ein Videostill von Anna H… | |
| Performance ist Kunst. Eine flüchtige, situationsbezogene, ortsgebundene | |
| Kunst. Eine Kunst, bei deren Aufführung man dabei sein muss, sonst hat man | |
| sie verpasst. Natürlich kann man wie beim Tanz die „Choreografie“, den | |
| Handlungsablauf, die Anweisungen und Schritte aufschreiben, aber auch nur | |
| teilweise, denn manches passiert spontan. | |
| Man kann fotografieren oder sie abfilmen. Aber die Atmosphäre kann man | |
| nicht einfangen, die immer neuen Reaktionen der Teilnehmer und Zuschauer. | |
| So wird oft eine Performance später zu einem mythischen Ereignis, als zum | |
| Beispiel Joseph Beuys in einer New Yorker Galerie mit einem Kojoten tanzte | |
| oder John Lennon und Yoko Ono im Bett lagen. | |
| Dennoch: Performance ist Kunst, und Kunst wird gesammelt. Was gesammelt | |
| wird, muss auch eingefangen, konserviert, verkaufbar aufbereitet werden. | |
| Bei Bildern ist das einfach, bei alten Experimentalfilmen der sechziger und | |
| siebziger Jahre hat das Karlsruher Zentrum für Kunst und Medientechnologie | |
| (ZKM) erfolgreich Ansätze entwickelt, diese zu restaurieren und mit | |
| Originalgeräten aufzuführen. Jetzt hat sich das ZKM der Performances | |
| angenommen. | |
| Dabei besteht die erste theoretische Schwierigkeit schon darin, dass diese | |
| häufig kleinen Aktionen oft politisch gemeinte, manchmal auch poetische | |
| Eingriffe in das Alltagsleben oder den Kunstbetrieb waren. Dass sie sich | |
| auch vehement gegen die Institutionen gerichtet haben, Kunst wieder auf die | |
| Straße bringen wollten, gegen das Festfrieren der Kunst waren, gegen das | |
| Herausreißen aus dem alltäglichen Kontext. Dass sie die Flüchtigkeit, die | |
| verstreichende Zeit als konstituierendes Moment mitbenutzt haben. | |
| ## Bewegungslose Museen | |
| Deshalb sind sich die Museen noch nicht recht schlüssig, wie sie mit diesen | |
| Kunstwerken, die doch auf Bewegung, direkte Aktion und Reaktion angelegt | |
| sind, umgehen sollen. Einfach die Videos von Lennons und Onos „Bed-in“ | |
| abspielen? Die Fotos von Beuys an die Wand hängen? Das Karlsruher ZKM ist | |
| ja immer für eine Überraschung gut. Und hat deshalb seine Ausstellung | |
| „Moments. Eine Geschichte der Performance in 10 Akten“ erst einmal fast | |
| ohne Bilder eröffnet. Nur ein paar flache Bühnen sind aufgestellt, ein paar | |
| Leiterregale, zwei riesige Tische, ein paar Bildschirme und Beamer. | |
| Die achtwöchige Ausstellung ist eine „in progress“, eine fantasievolle | |
| Erforschung von Neuem, mit Künstlerinnen, Kuratoren und Studenten zusammen. | |
| Und sie muss wirklich noch wachsen und Form annehmen. Bisher sind die | |
| „Ausstellungobjekte“ der zehn Künstlerinnen leider noch so unglücklich auf | |
| den Tischen verteilt, dass man sie nicht lesen kann: Briefe, Notizen, | |
| Videos, Fotos. Auf den Bildschirmen laufen Filme oder Diashows von | |
| Performances von Simone Fortis „Face Tunes“ (1967), Reinhild Hoffmanns | |
| „Bretter“ und „Steine“ (1980), Sanja Ivekovic’ „Inter Nos“ (1977). | |
| Aber: Diese zehn Künstlerinnen wurden eingeladen, vor den Augen des | |
| Publikums ihre eigenen Exponate, Erinnerungen, Anleitungen zu präsentieren. | |
| So konnte man schon Künstlergespräche mit Graciela Carnevale und der Tanz- | |
| und Performance-Ikone Simone Forti führen, die auch einen zweistündigen | |
| Workshop leitete: Bewegungen ausprobieren, den Körper spüren, kurze, | |
| spontane und sich schnell verändernde Körperskulpturen bauen. Kommen werden | |
| noch Reinhild Hoffmann, Lynn Hershmann, Sanja Ivekovic, Channa Horwitz und | |
| Adrian Piper, die ein ganzes Seminar über „The connection between Truth and | |
| Goodness“ halten wird: „Exploring Kant’s Metaethics“. | |
| Außerdem werden in einem Labor unter der Leitung des Choreografen Boris | |
| Charmatz, der in Rennes ein „Musée de la danse“ gegründet hat, Künstler … | |
| Wissenschaftler über die historischen Performances diskutieren, sie | |
| theoretisch oder künstlerisch neu interpretieren. Die israelische | |
| Künstlerin Ruti Sela wird dieses Labor wiederum mit der Kamera | |
| dokumentieren und den Film dann öffentlich bearbeiten und vorführen. Und | |
| das Publikum selbst und einige ausgewählte junge Künstler als „Zeugen“ | |
| werden den gesamten Prozess begleiten und darüber berichten. Darüber äußert | |
| sich das ZKM allerdings noch mehr als vage. Alle zwei Wochen geht die | |
| Ausstellung in eine neue Phase. | |
| Mit diesem Ansatz will das ZKM auf die Probleme aufmerksam machen, die sich | |
| aus der Konservierung einer auch zeitlich definierten Kunst ergeben, aber | |
| auch aus den Wiederaufführungen und Wiedererschaffungen, den Re-Enactments | |
| unter ganz anderen politischen und musealen oder theatralischen | |
| Bedingungen. Ob es gelingt, wird man Ende April sehen. | |
| ## Ohne Theorieansatz | |
| Erstaunlich ist, dass es trotz dreijähriger Vorbereitung der Ausstellung | |
| noch nicht einmal einen Ansatz einer Theorie gibt, mit der das ZKM unter | |
| Peter Weibel, selbst ein Urgestein der performativen Kunst, sonst so | |
| freigiebig umgeht. Es heißt nur, dass „neue Formate und Methoden einer | |
| aktiven Darstellung von Performance-Geschichte im Museum“ erarbeitet werden | |
| sollen, „eine Wechselbewegung zwischen Geschichte, medialer Dokumentation | |
| und Neuinterpretation, zwischen Zeugenschaft und Erinnerung“. | |
| Und das ist sehr dünn. Auch ein Katalog, in dem man solche theoretischen | |
| Überlegungen nachlesen könnte, erscheint erst nach Ende der Ausstellung, im | |
| Herbst. Was leider im ZKM üblich geworden ist, zum Leidwesen des | |
| interessierten Publikums. | |
| 12 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Georg Patzer | |
| ## TAGS | |
| Yoko Ono | |
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