# taz.de -- Bildband und Ausstellung „Metalheads“: So schön zärtlich aggr… | |
> Jörg Brüggemann hat Metalfans in der ganzen Welt fotografiert. | |
> „Metalheads“ zeigt die Codes und die Politik einer heimlichen Gemeinde. | |
Bild: Metalheads – nicht so stereotyp, wie man gern annimmt. | |
Metaller sind hässlich, Metaller sind stumpf. Metaller sind Proleten und | |
Metaller haben sich alle lieb. Jörg Brüggemann versucht mit seinem Fotoband | |
„Metalheads“ gar nicht erst, diese Klischees zu widerlegen, sondern er | |
zeigt die Realität einer globalen Musikszene als Massenphänomen und dessen | |
Geist in Bildern. | |
Die Stars bleiben wohlgemerkt außen vor. Es sind weder Poserfotos aus dem | |
Backstagebereich noch die opernhaften Inszenierungen von Metalbands auf der | |
Bühne oder auf Plattencovern, die Brüggemann interessieren. Viel mehr | |
möchte er durch seine Bilder unterstreichen, was die Metalfans dieser Welt | |
gemeinsam haben: ihre Leidenschaft für harte und schnelle Musik. | |
Dabei ist es vollkommen müßig, die unzähligen Bands mit ihren kryptischen | |
Schriftzügen in den unterschiedlichen Metal-Subgenres von Speed- über | |
Death-, Black-, Dark-, Glam-, Heavy-, Thrash- bis hin zu Viking-Metal zu | |
verhandeln. Auch funktioniert die Rezeption regional sehr verschieden. | |
Während in Europa und den USA zu Metalmusik seit Jahrzehnten in Stadien, | |
Hallen oder auf großen Festivals geheadbangt wird, ist Metal in Ägypten | |
oder Malaysia eine Subkultur mit antireligiösen Texten. Dort sind Metalfans | |
zum Teil staatlichen Verfolgungen ausgesetzt und somit wirklich noch Teil | |
des Undergrounds. | |
Metal, das ist Brüggemanns Message, lebt also vor allem durch seine Fans. | |
Auch wenn es sich dabei um einen florierenden, gut geölten Zweig der | |
Musikindustrie handelt, so ist Metal in Wahrheit in der Hand von | |
Mattenträgern. Brüggemanns Fotos, über drei Jahre in Europa, Malaysia, | |
Indonesien, Ägypten, USA, Argentinien und Brasilien aufgenommen, erzählen | |
die Geschichte eines internationalen Glaubensbekenntnisses. | |
Metal ist dabei das, was um ein Konzert herum passiert. Mutter und Sohn in | |
der ersten Reihe, Freund und Freundin auf dem Zeltplatz, totale | |
Verausgabung, Einkaufen im Supermarkt und Prügeleien im Moshpit. | |
## Trennung zwischen Realität und Kunst | |
Die zwei Kerle, die sich auf einem von Brüggemanns Bildern in den Haaren | |
liegen, sind vermutlich die besten Freunde. Denn Metalheads vermögen sehr | |
gut zu trennen zwischen Realität und Kunst, sie lassen ihren Aggressionen | |
auf den Konzerten freien Lauf und gehen ansonsten fast zärtlich miteinander | |
um. Sie sind eine Familie, die einen klaren, offenen Blick auf das | |
eindeutige Ding im Leben richtet: den Tod. | |
Es ist eine internationale Vereinigung gegen das bürgerliche, | |
geschmäcklerische Pussytum, das versucht, diesen Blick zu verklären und in | |
den Feuilletons dieses harte und laute, inzwischen auch „Weltmusik“ | |
genannte Massenphänomen Metal dünkelhaft zu ignorieren oder zu | |
romantisieren. „Wir werden sterben, eher früher als später und am besten | |
mit einem Dosenbier in der Hand und einem Gitarrenriff im Ohr“, steht in | |
den Augen der von Brüggemann fotografierten Fans. | |
„Drastik“ nennt Dietmar Dath diese Haltung in seinem 2005 erschienenen | |
Roman „Die salzweißen Augen“. Ein Geleitwort von ihm zum Thema Metal in | |
Brüggemanns Buch wäre vielleicht passender gewesen als das abgedruckte, | |
etwas oberflächliche Interview mit einem Metal-Band-Sänger, ein | |
entfremdet-dozierender Text oder die Bekenntnisse eines der Szene | |
Entwachsenen in Form von Jugenderinnerungen. So etwas in Rezensionen oder | |
Begleittexten zu lesen erinnert an die Beerdigung von jemandem, den niemand | |
wirklich kannte, in dessen Grabreden sich die Bekannten aber überschlagen | |
und versuchen, sich gegenseitig zu übertrumpfen. | |
Metal aber wird nicht sterben, denn sie lebt schon seit 40 Jahren in den | |
hintersten Winkeln der Welt und in den wunderlichsten Farben und Formen. | |
Bei Brüggemann ist nichts inszeniert. Es ist ein realer Querschnitt durch | |
ein von Codes und Modediktaten verschontes Popgenre – alles was es braucht, | |
sind Jeans und ein schwarzes Band-T-Shirt mit dem Bandlogo. Selbst lange | |
Haare sind kein „Muss“, allein die vereinte Energie zählt. Das ist | |
befreiend und nicht ganz unpolitisch. | |
Jörg Brüggemann: "Metalheads - The Global Brotherhood". Gestalten Verlag, | |
Berlin 2012, 39,90 Euro | |
Ausstellung "Metalheads: Photography by Jörg Brüggemann", bis 21. April, | |
"Gestalten Space", Sophie-Gips-Höfe, Berlin | |
4 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Julia Niemann | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |