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# taz.de -- Streit um Urheberrechte im Netz: Die Piraten wollen verhandeln
> Die Debatte um Urheberrechte im Netz hat sich verschärft – in ihrem
> Zentrum stehen die Piraten. Die Situation scheint verfahren, doch das
> will die Netzpartei nun ändern.
Bild: Digitale Kunst: „Geistiges Eigentum“ oder „kreative Leistung“?
BERLIN taz | Urheberrecht, Verwertungsrecht, Netz – Die Debatte wird
neuerdings schärfer geführt als jemals zuvor. Nach dem [1][Ausbruch von
Sven Regener], dem [2][offenen Brief der Tatort-Drehbuchschreibern], den
100 Prominenten [3][der Handelsblatt-Kampagne „Mein Kopf gehört mir“] und
der [4][Erwiderung von 101 Piraten], bleibt offen, wie es eine gemeinsame
Lösung geben könnte; das wollen die Piraten nun ändern.
„Bisher hatten wir das Problem, dass es bei uns kaum eine echte
Kulturpolitik gab“, sagt Bruno Kramm, selbst Musiker und Produzent und seit
Donnerstag Urheberrechtsbeauftragter der Piraten – eine neugeschaffene
Position, Zeichen dafür, dass sich [5][die Diskussion innerhalb der Partei]
zu institutionalisieren beginnt. „Das und die Tatsache, dass wir als eher
nerdige Partei nicht immer die Sprache und den Tonfall der
Kulturproduzenten treffen, hat zu einigen Berührungsängsten geführt.“
Daraus habe man aber gelernt: die Piratenpartei will in naher Zukunft runde
Tische mit Verwertern und Urhebern organisieren.
Doch schon Begrifflichkeiten könnten bei diesen Begegnungen zum Problem
werden. Beispielsweise lehnen die Piraten den Begriff des „geistigen
Eigentums“ ab: Er gilt ihnen als unscharf, als Propaganda-Werkzeug, in dem
zu viele verschiedene Dinge vermengt werden – vom Urheber- bis zum
Verwertungsrecht, vom Markenschutz bis zum Patent. Ein viel zu weites Feld,
um gezielt darüber diskutieren zu können, wie man mit der aktuellen
technischen und sozialen Entwicklung umgeht.
Stattdessen wollen die Piraten ein Urheberrecht, das Künstlern erlaubt, mit
Werken anderer zu arbeiten. „Uns ist wichtig, nicht das geistige Eigentum
zu fördern, sondern die kreative Leistung“, sagt Andreas Popp, ehemaliger
stellvertretender Vorsitzender der Partei. Dazu fordert er vor allem eine
Verkürzung der jetzigen Schutzfristen für Kunstwerke. 70 Jahre nach dem Tod
des Urhebers sei einfach „viel zu viel“.
Sein Vorschlag: Das Werk eine gewisse Zeit schützen, wobei die Dauer zu
verhandeln sein wird. Und dann sicherstellen, dass ein Urheber über
verpflichtende Lizenzen zwar an einer kommerziellen Bearbeitung
mitverdient, aber nicht mehr bestimmen darf, wer sich an seinem Werk
bedient. „Ich glaube“, sagt er, „dass der Künstler damit leben muss, dass
sein Werk nach einer gewissen Zeit flügge wird und er die Verfügungsgewalt
daran an die Gesellschaft zurückgibt.“
## Die Nutzer als „mündige Menschen“
Die Piraten unterscheidet von den anderen Parteien auch ihr positives,
optimistisches Verbraucherbild. „Man muss mit Nutzern umspringen wie mit
mündigen Menschen“, sagt Popp. Dabei könnten alternative
Finanzierungsmodelle wie Crowdfunding, Flattr und Kulturwertmark helfen –
wenn man sie nicht als allein selig machendes Werkzeug betrachtet.
Popp ist ein Vertreter des Flügels, der die Gründungsthemen der Partei und
damit vor allem das Netz vor Augen hat. Obwohl sein Standpunkt auf dem
Parteitag nicht mehrheitsfähig war und sich beim Bundesparteitag die
gemäßigtere Fraktion mit einem realpolitischen Entwurf durchgesetzt hat,
steht seine schärfere Position für eine Tendenz in der Piratenpartei, der
viele Urheber mit Argwohn begegnen.
Kramm hingegen, der sich selbst in der Mitte der Partei sieht, legt den
Akzent ein wenig anders: Ihm geht es um die gesellschaftliche Teilhabe.
Kulturelle Erzeugnisse sehe er nicht nur als Güter, sondern vor allem als
Mittel, um mit der Welt in Kontakt zu treten.
Auch die Möglichkeiten für den Künstler spielen für ihn eine wichtige
Rolle: Zumindest in der Musikbranche sei es durchaus so, dass durch das
Netz Kleinteiligkeit gefördert würde und es heute viel mehr
unterschiedliche Stile und auch Künstler gebe, weil man nicht mehr durch
das Nadelöhr einiger weniger Gatekeeper durchmüsse. Das sei aber keine
Antwort auf die Bedürfnisse aller Kunstschaffender: „Dazu funktionieren die
Kunstsorten zu unterschiedlich.“
Und deshalb soll die Lösung auch in einem Dialog gefunden werden. „Wir
benennen das Problem. Lösen werden wir es nicht allein, das können und
wollen wir auch nicht“, sagt Popp. Der Satz hätte auch von Kramm kommen
können.
14 Apr 2012
## LINKS
[1] /!90206/
[2] /!90600/
[3] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/urheberrecht-hundert-kreati…
[4] http://www.piratenpartei.de/2012/04/09/101-piraten-sagen-ja-zum-urheber/
[5] http://wiki.piratenpartei.de/Urheberrecht
## AUTOREN
Frédéric Valin
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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