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# taz.de -- Das war das gute Leben auf dem tazlab: Der Gute-Leben-Trip ist erst…
> Erdbeeren auf dem Dach, Ökozigaretten in der Tasche: Auf dem taz-Kongress
> am Samstag suchten 2.000 Menschen das gute Leben. Mit Lust an der
> Debatte.
Bild: Diskutiert wurde genug. Gelacht und getanzt sowieso.
Kann man auf einem Kongress gutes Leben lernen? Indem man die Sonne draußen
Sonne sein lässt und sich dafür im Berliner Haus der Kulturen der Welt
(HKW) von Panel zu Panel schiebt, als einer von fast 2.000 BesucherInnen?
Eher nicht. Aber man kann erfahren, wie es die anderen halten mit dieser
Idee vom guten Leben. Gibt es ein Menschenrecht auf Schnitzel? Nein, sagt
Thilo Bode, Leiter von Foodwatch. Soll man monogam lieben oder lieber doch
nicht? Kommt drauf an, sagt die Sozialwissenschaftlerin Astrid Osterland.
Gehört zum guten Leben ein Spontanflug nach New York? Nicht wirklich, sagt
der Volkswirtschaftler Niko Paech. Jeder und jede definiert Glück selbst.
Und überhaupt: Schluss mit diesem Glücksterror!
Der taz-Kongress mit dem Titel „Das gute Leben: Es gibt Alternativen“ ist
bereits das dritte taz-Laboratorium, gefeiert wurde auch der 20. Geburtstag
der taz-Genossenschaft. Es ist ausverkauft, das Thema zieht sehr.
Lina ben Mhenni schaut von der Leinwand ins Auditorium des HKW. Sie ist aus
Tunis per Skype zugeschaltet. Vergangenen Montag hatten sie Polizisten
verdroschen, ihre Teilnahme am tazlab musste sie absagen. „Wie ist dein
Leben in Tunis, über ein Jahr nach der Revolution? Besser?“, fragt
taz-Redakteurin Doris Akrap. „Nein“, antwortet die 27-Jährige. „Dass mich
die ganze Welt kennt, schützt mich nicht. Im Gegenteil. Ich werde von der
Polizei auch sexuell angegriffen, erhalte Morddrohungen auf meinem Blog.“
Sie redet wie vor einem Jahr, als sie ebenfalls bei der taz zu Gast war:
leidenschaftlich. Aber die Hoffnung nach einem guten Leben scheint einen
Knacks bekommen zu haben.
Im Laufe des Mittags wird es echt voll im HKW, doch das Publikum verdrießt
das nicht, man lässt sich den guten Tag nicht verderben und bleibt auch in
Warteschlangen freundlich.
## Froschkuttel-Liebhaber
Und dann sitzt er da, der Froschkuttel-Liebhaber aus dem Ländle, in grauem
Anzug und der unverwechselbaren Bart-Simpson-Frisur in Grau: Winfried
Kretschmann, einer der Politprominenzen an diesem Tag. Das Auditorium des
HKW ist gut gefüllt. „Sie sind der erste baden-württembergische
Ministerpräsident auf einem taz-Kongress“, sagt Peter Unfried, einer der
Moderatoren und taz-Chefreporter. „Ich habe keine Ahnung, woran das liegt.“
Nach den Wahlen vor einem Jahr habe Kretschmann die rot-grüne Regierung
gebildet.
„Grün-rot!“, kreischt es unisono aus dem Publikum. „Na, das geht ja
interaktiv los“, sagt tazlab-Leiter und Mitmoderator Jan Feddersen. „Ist
ein gutes Leben in Stuttgart tatsächlich möglich?“, fragt Unfried.
Kretschmann lächelt: „Ich will jetzt nicht sagen: Wo sonst? Aber ja doch,
auf den zweiten Blick ist das sehr gut möglich.“ Schwäbischer Zungenschlag,
natürlich – und vielen im Publikum geläufig. Es lacht. Die Veranstaltung
bleibt kurzweilig, heiter und interessant.
Später, als es um den Bau des Stuttgarter Bahnhofs geht, wird Kretschmann
doch ernster. „Dass man die Leute so enttäuschen muss, ist die Härte dieses
Amtes. Das ist wirklich nicht lustig.“ Und was hat er, was Renate Künast
nicht hat? „Nun“, sagt Kretschmann. „Wer in Berlin überall Tempo 30
einführen will, will in der Opposition bleiben.“
Dort, wo Salbei, Thymian und Erdbeeren gepflanzt sind, oben auf dem Dach,
hatte vor kurzem noch Christian Rätsch taz-Chefredakteurin Ines Pohl und
dem Publikum erklärt, wie ein guter Trip geht. Jetzt sitzt er, seine
Lederhosen-Beine gekreuzt, auf der Brust ein Tigerkopf, auf der Wiese am
Wasser, seine langen grauen Haare hängen ihm wie Vorhänge ins Gesicht. Was
war Ihr bester Trip bisher? „Dass mir Konkurrenzdenken fremd geblieben
ist.“
Haben Sie was dabei gerade? Er greift in die Tasche und pult eine Packung
Ökozigaretten heraus. Haben Sie heute schon was genommen? „Ich würde
niemals vor so einer Veranstaltung …“ Was nehmen Sie grad besonders gern?
„Ich weiß nicht, ob ich darauf antworten muss.“ In welchem Ambiente lassen
sich Trips besonders gut erleben? „In einer sicheren und schönen Umgebung,
ohne Handy, nicht auf Partys.“
## Sicher und schön im Garten
Sicher und schön ist es auch im Garten des schönen HKW. Die Veranstaltung
mit Carolin Emcke wurde ins Sonnige nach draußen verlegt, ein Raum hätte
die an ihr Interessierten nicht fassen können. Die Journalistin liest aus
ihrem sehr persönlichen Buch „Wie wir begehren“, in dem sie unter anderem
über die Entdeckung ihrer Homosexualität schreibt. Darüber, wie es sich
anfühlt, bei einer Hochzeit an den „Tunten-Tisch“ gesetzt zu werden, über
den Geschmack von Frauen, und über Fremdheitsgefühle in der Pubertät.
Dieser Moment, in der Sonne im Gras, mit Carolin Emckes Erzählungen im Ohr,
kommt an diesem Samstag schon sehr nah ran an das ersehnte gute Leben.
Zu lachen gibt es auch, die taz kann sehr komisch sein. Etwa die
Sportredaktion. Vor allem Andreas Rüttenauer. Der war bis 1994 Kabarettist,
und kurz vor Beginn der großen Party bringt er sein Programm „Vom Leben
nach dem Bioladen“ auf die Bühne. In 30 Minuten erzählt er von seiner
konservativen Kindheit, der WG, in die er irgendwann zog und wo, trotz
zweier Mitbewohnerinnen, kein Essen auf dem Tisch stand. Und seiner Mutter,
die eines Tages beim Autofahren abbremste und zur Seite schrie: „Jetzt
fahren die Neger auch schon Auto!“
Ein gutes Ende dieses Kongresses. Die Party danach, auf der GenossInnen,
RedakteurInnen und alle anderen Gäste gemeinsam tanzten, ging bis tief in
die klare Nacht.
15 Apr 2012
## AUTOREN
Emilia Smechowski
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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