# taz.de -- Piraten und Grüne im Duell auf dem tazlab: Angreifen, bis die Blas… | |
> Der Höhenflug der Piratenpartei setzt besonders den Grünen zu, auch | |
> Winfried Kretschmann. Sie suchen verzweifelt den richtigen Umgang mit der | |
> Partei. | |
Bild: Das kontroverse Piraten-Panel und sein Publikum. | |
Leicht haben es die Piraten nicht auf dem tazlab. Das Publikum überwiegend | |
grünenaffin, das Wissen über Inhalte der Piraten gering, die Skepsis daher | |
groß. Inhaltlich lassen sich die Piraten Christopher Lauer, Mitglied im | |
Berliner Abgeordnetenhaus, und Christiane Schinkel, Vizeparteichefin in | |
Berlin, bei der Veranstaltung „Warum sind die Piraten so cool?“ trotzdem | |
auf fast nichts ein. Verfahrensfragen stehen im Mittelpunkt. Liquid | |
Feedback und Transparenz. Crews, squads und pads statt Bildungspolitik und | |
Finanzmarkt. | |
Für viele Besucher, die distanziert, aber interessiert wirken, eine fremde | |
Welt. „Ich verstehe euch nicht“, tönt es aus dem Publikum. Dass Lauer | |
häufiger auf sein Smartphone sieht, um via Twitter seinen Unmut über die | |
Veranstaltung kundzutun, als seinen Gesprächspartnern in die Augen zu | |
schauen, bringt ihm wenig Sympathien ein. | |
Gespielte Coolness. „Um Coolness geht es aber nicht, sondern um die | |
richtigen politischen Konzepte“, sagt Konstantin von Notz, netzpolitischer | |
Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, auf dem Podium. In politisch | |
schwierigen Zeiten würden Hoffnungen auf die Piraten projiziert. | |
„Langfristig wird interessant, ob die Piraten diese Hoffnungen auch | |
erfüllen können.“ Seine Hoffnung, vielleicht seine Prognose: Das Vertrauen | |
werde zwangsläufig enttäuscht. Die Piraten als ein sich selbst lösendes | |
Problem also? Lauer reagiert pragmatisch. „Natürlich werden wir auch viele | |
enttäuschen.“ Es könne den Piraten durchaus ergehen wie der FDP, sagt er. | |
Größenwahn wenigstens kann man ihnen nicht unterstellen. | |
Dennoch: Besonders die Grünen muss der aktuelle Höhenflug der Piraten | |
schmerzen. In Umfragen liegen beide Parteien fast gleichauf. In den Ländern | |
werden so alle rot-grünen Fantasien torpediert. Bei Erstwählern sind die | |
Piraten teils stärkste Kraft. Zwei Drittel ihrer möglichen Wähler sind | |
unzufrieden mit den herkömmlichen Parteien und gelangweilt von deren | |
Spitzenpersonal. Gerade das ist eine Gefahr für die Grünen. Ihre Promis – | |
Trittin, Künast, Roth – sind seit gefühlt ewig im Geschäft. Neue Gesichter | |
ihrer Partei sind kaum nachgewachsen. | |
## In den Nahkampf | |
Letztlich liegt darin aber auch eine Chance für die Grünen. Denn jetzt | |
müssen sie sich von ihren selbstgerecht wirkenden Allüren verabschieden. | |
Noch scheinen sie den richtigen Umgang mit der Piraterei nicht gefunden zu | |
haben. Löst sich das alles von alleine oder muss man in den Nahkampf | |
ziehen? | |
Für Letzteres plädiert Boris Palmer, grüner Oberbürgermeister von Tübingen. | |
Die gewohnte Strategie, Piratenwähler etwa mit einer besseren Netzpolitik | |
oder Sozialthemen zurückzuholen, lahme. „Stattdessen müssen wir auf | |
Konfrontationskurs gehen, sie viel härter angreifen, indem wir die | |
grundsätzlichen Schwächen ihrer Konzepte aufzeigen“, sagt er am Rande des | |
tazlabs. Die Idee von Liquid Feedback etwa sei völlig verquer. Drastischer | |
noch: Die Piraten zerstörten ein funktionierendes Staatswesen. Das sei | |
gefährlich. „Ihre gespielte Naivität regt mich zutiefst auf.“ | |
Deutlich gelassener reagiert Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident | |
in Baden-Württemberg. „Das ist alles nur eine Momentaufnahme. Was ist denn | |
das Programm der Piraten? Ich sehe keines“, sagt er am Samstag, ehe er | |
Richtung Berliner Hauptbahnhof eilt. Transparenz und Demokratie forderten | |
die Grünen seit 30 Jahren. Auf diesen Feldern „müssen wir angreifen, bis | |
die Blase platzt“. | |
Hofft er das nur oder weiß er das bereits? Kretschmann spricht über die | |
Piraten wie die SPD vor 30 Jahren über die Grünen. So sagt er, der Erfolg | |
der Piraten beruhe vor allem auf Protestwählern. Solche Protestwellen gebe | |
es immer wieder. Sie gingen auch vorbei. | |
16 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Paul Wrusch | |
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