# taz.de -- Nationalisierung in Argentinien: Spanier einig gegen Enteignung | |
> Spanien und die EU kritisieren Kirchners Pläne für die Enteignung eines | |
> spanischen Ölkonzerns. Da sind sie Oppositionen und Regierung in Madrid | |
> sogar mal einig. | |
Bild: Antonio Brufau, Vorstand der spanischen Repsol, ist fassungslos. | |
MADIRD/BRÜSSEL taz | Spanien kennt keine Rechte und keine Linke mehr, | |
sondern nur noch Patrioten. Seit der Ankündigung der Verstaatlichung von 51 | |
Prozent des Erdölkonzerns YPF, Tochter der spanischen Repsol, durch die | |
argentinische Präsidentin Cristina Kirchner, übt sich die zerstrittene | |
spanische Politik im nationalen Schulterschluss, etwas, was nicht einmal | |
die heimische Wirtschafts- und Finanzkrise bewirkt hat. | |
„Wo es ein spanisches Unternehmen gibt, dort ist auch die Regierung und | |
verteidigt dessen Interessen wie die eigenen“, erklärte der konservative | |
Ministerpräsident Mariano Rajoy. Und der Chef der Sozialisten Alfredo Pérez | |
Rubalcaba sicherte Repsol-Chef Antonio Brufau die „volle Unterstützung“ zu. | |
Repsol ist eines der großen Unternehmen Spaniens. Nach der Ankündigung aus | |
Buenos Aires gab der Aktienkurs von Repsol-YPF am Dienstag an der Madrider | |
Börse deutlich nach. Der Wert sank nach Handelsbeginn um 6,2 Prozent auf | |
16,34 Euro pro Papier. | |
## Völliger Abbruch der Beziehungen | |
Repsols Präsident Antonio Brufau warf Argentinien vor, eine Kampagne gegen | |
den Aktienkurs des Unternehmens zu fahren, um bei einer Enteignung | |
geringere Entschädigungsleistungen zahlen zu müssen. Er kündigte rechtliche | |
Schritte gegen die geplante Verstaatlichung an. Repsols-YPF Aktienpaket | |
habe einen Umfang von 10,5 Milliarden Dollar (7,9 Milliarden Euro), sagte | |
Brufau. | |
„Maßnahmen kündigt man nicht an, man ergreift sie“, droht die spanische | |
Regierungssprecherin Soraya Sáenz de Santamaría. „Das Schlimmste aller | |
Szenarien wäre der völlige Abbruch der Beziehungen“, erklärt Außenminister | |
José Manuel García-Margallo, nachdem er den argentinischen Botschafter | |
einbestellt hatte. | |
## Sehr negatives Signal | |
Während Regierungschef Rajoy nach Mexiko und Kolumbien unterwegs ist, | |
erzielte Spaniens Diplomatie einen ersten Erfolg. Die EU sagte ein Treffen | |
mit Argentinien für Donnerstag ab. Der Streit wird auch von der | |
EU-Kommission in Brüssel beobachtet. Die Sprecherin von | |
Kommissionspräsident José Manuel Barroso machte am Dienstag in Brüssel | |
klar, dass die EU eindeutig auf der Seite Spaniens steht und „alle | |
Optionen“ zur Gegenwehr prüft. Barroso sei „schwer enttäuscht“ von dem | |
„sehr negativen Signal“, so die Sprecherin. Eine Enteignung ohne | |
Entschädigung wäre illegal, fügte sie hinzu. | |
Allerdings sind der Brüsseler Behörde zunächst die Hände gebunden, da ein | |
bilaterales Investitionsabkommen zwischen Spanien und Argentinien Vorrang | |
hat. EU-Handelskommissar De Gucht wurde daher beauftragt, sich erst | |
schriftlich zu beschweren, jedoch keine Vergeltungsmaßnahmen einzuleiten. | |
Die sind dann geplant, wenn die Drohgebärden wirkungslos bleiben. Laut dem | |
EU-Vertrag von Lissabon ist die EU-Kommission auch für Handel und | |
Investitionen zuständig; Sanktionen gegen Argentinien wären denkbar. | |
Rajoy will das Problem bei seiner Lateinamerikareise in Mexiko und | |
Kolumbien sowie beim Weltwirtschaftsforum im mexikanischen Jalisco zum | |
Thmea machen. Er wird von Mexikos Präsident Felipe Calderón unterstützt. | |
Dieser hat noch bis Jahresende den Vorsitz der G 20 inne. | |
Kirchner beeindruckt das nicht. Sie verlangt von weiteren spanischen | |
Unternehmen, die in ihrem Land tätig sind, die Gewinne künftig in | |
Argentinien zu investieren. Sie droht damit vor allem der spanischen | |
Telefongesellschaft Telefónica und den großen spanischen Banken, der BBVA | |
und der Santander. Argentinien war eines der wichtigsten Länder, als | |
spanische Konzerne in den 1990er Jahren damit begannen, sich auf dem | |
Weltmarkt umzuschauen. | |
17 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
R. Wandler | |
E. Bonse | |
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