| # taz.de -- Fanrechte im Fußball: Ohren dicht, Augen zu | |
| > Anhänger von Hansa Rostock dürfen ihren Klub in St. Pauli nicht anfeuern. | |
| > Nun soll gerichtlich geprüft werden, ob solche Polizeiverbote | |
| > grundsätzlich rechtens sind. | |
| Bild: Gerichtlich untersagt: Auf die Unterstützung ihrer Fans in Hamburg müss… | |
| Hamburg steht ein heißer Fußball-Sonntag bevor: Denn es bleibt dabei, dass | |
| das Zweitliga-Nordderby zwischen FC St. Pauli und FC Hansa Rostock | |
| definitiv ohne Hansa-Fans am Millerntor stattfindet. | |
| Obwohl die Kiezkicker nach dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts (OVG) | |
| weiter rechtlich gegen die polizeiliche Aussperrungs-Verfügung von 2.500 | |
| Hansa-Fans vorgehen wollen, ist auf ein Eilverfahren vor dem | |
| Bundesverwaltungsgericht verzichtet worden. | |
| „Die Zeit war zu weit fortgeschritten“, sagt St.-Pauli-Sprecher Christian | |
| Bönig. Ob die von der Polizei prognostizierten Fankrawalle, die es in der | |
| Vergangenheit bei Spielen der Nordrivalen gegeben hat, nun ausbleiben, ist | |
| fraglich. Denn Hansa-Fans haben eine Demonstration durch St. Pauli unter | |
| dem Motto „Blau-Weiß-Rot gegen polizeiliches Kartenverbot“ angemeldet. Die | |
| Route ist von der Polizei verboten worden. Über das Verbot wird derzeit vor | |
| dem Verwaltungsgericht gestritten. | |
| Die St.-Pauli-„Ultras“, die größte Fangruppe der Kiezkicker, hat indes zum | |
| Boykott des Stadions aufgerufen. Sie wollen sich vor der Südtribüne | |
| versammeln und das Spiel im Radio anhören, um so gegen den polizeilichen | |
| Eingriff auf die Reisefreiheit und die Fankultur zu protestieren. Die | |
| Stadtteile rund um das Stadion sind von der Polizei zum „Gefahrengebiet“ | |
| erklärt worden, wo verdachtsunabhängige Personenkontrollen und | |
| Aufenthaltsverbote ausgesprochen werden können. | |
| Der FC St. Pauli wird den Rechtsweg gegen die Aussperrung nun im | |
| Hauptverfahren weiterverfolgen. Denn obwohl das OVG die Polizeianordnung | |
| passieren ließ, sieht der Verein gute Chancen. Zwar hatte das Gericht | |
| verfügt, dass die wirtschaftlichen Interessen des Vereins sowie das | |
| immaterielle Interesse von Hansa Rostock, mit Unterstützung seiner | |
| Anhängerschaft zum wichtigen Auswärtsspiel zu kommen, als „nachrangig“ | |
| gegenüber den erheblichen Gefahren des „Hochrisiko-Spiels“ für Dritte | |
| angesehen werden, dennoch hegte das Gericht Bedenken. | |
| ## „Hochrisiko-Spiel“ | |
| Es äußerte erhebliche Zweifel, ob die Polizei auf Basis des Polizeigesetzes | |
| „den FC St. Pauli als ’Nichtstörer‘ zur Gefahrenabwehr in Anspruch nehme… | |
| dürfe. Die Richter empfehlen, dies im Hauptsachverfahren zu klären. „Das | |
| war ja immer unser Anliegen, mit der Klage grundsätzlich zu klären, ob die | |
| Polizei mit Kartenverkaufsverboten in das Ligageschäft eingreifen darf“, | |
| sagt St.-Pauli-Sprecher Bönig. | |
| In der Fußballwelt stößt der „einzigartige Eingriff in die Hoheit des | |
| Deutschen Fußball-Bundes“ (DFB) auf ein geteiltes Echo: „Das Urteil stellt | |
| einen massiven Eingriff in die Selbstverwaltung des Ligaverbandes dar“, | |
| sagt der Präsident der Deutschen Fußball-Liga (DFL), Reinhard Rauball. | |
| Rauball räumt allerdings ein, dass ein Schulterschluss mit Politik, Polizei | |
| und Justiz angesichts der „gravierenden Vorfälle in der letzten Zeit“ | |
| zwingend erforderlich war, auch wenn die Mehrheit der friedlichen Fans | |
| darunter leide. | |
| „Wir haben immer wieder davor gewarnt, dass es zu derartigen Maßnahmen | |
| kommen kann, falls die unverbesserlichen Krawallmacher nicht eingefangen | |
| werden können“, sagt Rauball. Der Kriminologe Thomas Feltes von der | |
| Ruhr-Universität Bochum, der mehrere Forschungsprojekte zum Fanverhalten | |
| durchführte und bei der DFL eine „Task-Force“ leitet, ist anderer Meinung. | |
| „Repression ist die schlechteste Variante“, sagt Feltes, und man wisse, | |
| dass sie langfristig nichts nütze. | |
| „Tatsächlich werden die Fans weiter aufgestachelt, wenn man ihnen die Tür | |
| vor der Nase zuschlägt.“ Der DFB und die DFL müssten sich grundsätzlich mit | |
| der „Gewaltspirale im Stadion und der Fußballgewalt als soziales Problem“ | |
| wissenschaftlich auseinandersetzen. „Dem verweigert sich der DFB nach dem | |
| Motto: Ohren dicht, Augen zu, die Saison ist bald zu Ende“, sagt Feltes. | |
| „Doch die nächste Saison kommt.“ | |
| 20 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Kai von Appen | |
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| Schwerpunkt Fußball-EM 2024 | |
| FC Hansa Rostock | |
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