# taz.de -- AKW-Rückbau in Obrigheim: Vorausschauende Öffentlichkeit | |
> Eine Bürgerinitiative in Obrigheim will per einstweiliger Verfügung den | |
> Abriss des Kraftwerks stoppen. Sie beklagt mangelnde Transparenz beim | |
> Verfahren. | |
Bild: Der Atommeiler in Obrigheim ging 2005 vom Netz. | |
STUTTGART taz | Anwohner des stillgelegten Atomkraftwerks Obrigheim haben | |
am Freitag einen Eilantrag zum sofortigen Stopp der Abbaumaßnahmen | |
gestellt. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatten sie beim | |
Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gegen den weiteren Abbau geklagt. Nun | |
wollen sie verhindern, dass bis zur Verhandlung Fakten geschaffen werden. | |
Doch dabei geht es ihnen längst nicht nur um Obrigheim. Für die künftig | |
bundesweit anstehenden Abbaumaßnahmen wollen sie eine verpflichtende | |
Beteiligung der Öffentlichkeit erzielen. Im Mai 2005 war der Atommeiler im | |
Norden Baden-Württembergs vom Netz genommen worden. | |
Dreieinhalb Jahre später, im Herbst 2008, wurde mit dem Abbau begonnen, der | |
in drei Stufen erfolgt. Für alle drei Stufen muss eine Stilllegungs- und | |
Abbaugenehmigung (SAG) erteilt werden. Im Vorfeld der ersten Genehmigung | |
hatte es 2007 eine öffentliche Beteiligung gegeben. | |
Allerdings, so die Meinung der Initiative AtomErbe Obrigheim, seien die | |
ausgelegten Unterlagen lediglich für die erste Abbaustufe aussagekräftig | |
gewesen, nicht jedoch für die Gesamtmaßnahmen. Trotzdem hat es die | |
öffentliche Beteiligung nur vor der ersten Genehmigung gegeben. Und genau | |
dagegen will die Initiative vorgehen. | |
## Strategisches Vorgehen | |
Für Ingrid Behner von der Initiative war das ein klares strategisches | |
Vorgehen. Schließlich würde es in der ersten Phase „nur um harmlose Teile“ | |
gehen. „Erst dann wird es gefährlicher.“ Die Planungen seien dafür jedoch | |
mangelhaft gewesen. In ihrer Begründung schreiben die Anwohner, dass es | |
„eine Vielzahl relevanter Aspekte“ gebe, die im Rahmen einer | |
Öffentlichkeitsbeteiligung zu erörtern gewesen wären. | |
Dazu gehörten unter anderem die Durchführung der Umgebungsüberwachung oder | |
etwa die Freigabe von gering radioaktiven Stoffen in den konventionellen | |
Stoffkreislauf mit der Gefahr der Akkumulation. Bestätigt fühlen sie sich | |
von der damaligen Stellungnahme der Reaktorsicherheitskommission (RSK). | |
Darin hieß es 2007: „Die detaillierte Beurteilung des Gesamtkonzeptes zu | |
Stilllegung und Abbau des Kraftwerk Obrigheim ist auf Basis der | |
vorliegenden Unterlagen aus Sicht der RSK nicht möglich, da über | |
Abbaumaßnahmen, ihre vorgesehene Reihenfolge und über Abbaumethoden während | |
des zweiten Genehmigungsschrittes nur sehr allgemeine Aussagen vorliegen | |
(…).“ | |
Die neue grün-rote Landesregierung reagierte auf den Streit und hat für die | |
dritte Phase ein freiwilliges Anhörungsverfahren angeboten. Für die zweite | |
SAG jedoch erteilte das Umweltministerium im Oktober 2011 die Genehmigung. | |
Ein Ministeriumssprecher sagte, dass ein Anhörungsverfahren nun einmal | |
nicht zwingend vorgeschrieben sei und auch Zeit koste. | |
## Den Obrigheimern geht es um mehr | |
Mit dem freiwilligen Verfahren habe man versucht, den Bürgern | |
entgegenzukommen. „Wir haben aber auch ein Interesse daran, dass das | |
Kraftwerk zurückgebaut wird.“ Planmäßig bis 2020. Nun geht es den Anwohnern | |
aber nicht nur um das AKW vor Ort. | |
„Es werden ja künftig viele Abbau-Maßnahmen bundesweit anstehen“, sagt | |
Behner. Und auch da vermutet sie das Bestreben, die Maßnahmen in kleine | |
Schritte aufzuteilen. „Es geht uns um mehr als um Obrigheim.“ Schließlich | |
gehe es um ein enormes Risiko beim Rückbau. | |
20 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Nadine Michel | |
Nadine Michel | |
## TAGS | |
Atommüll | |
Schwerpunkt Anti-AKW | |
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