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# taz.de -- Internationales Frauenfilmfestival in Köln: Notwendigkeit, Ghetto,…
> Das Internationale Frauenfilmfestival stellte an sechs Tagen das aktuelle
> Schaffen von Filmemacherinnen vor. In diesem Jahr lag der Fokus auf der
> „Arabellion“.
Bild: „Zephyr“ gewann den Preis für den besten Debütspielfilm.
„Schon wieder eine Frau, schon wieder eine andere Sehweise“, wunderte sich
die Schauspielerin Julia Jentsch, eine der Jurorinnen des
Debüt-Spielfilm-Wettbewerbs, in einem Interview. Gemeint war damit, dass
Filme von Frauen auf Festivals oft in der Minderzahl sind, obwohl in Europa
und den USA die Hälfte des Filmnachwuchses weiblich ist.
Geht es so weiter? Das Kölner Festival, einst die Feminale, die vor sechs
Jahren mit dem Dortmunder Frauenfilmfestival fusioniert wurde und nun
alternierend mit ihm stattfindet, macht die Frage immer wieder bewusst.
Selbst vorläufig gut etabliert, präsentierte es im Wettbewerbsprogramm acht
Debütspielfilme und parallel dazu ein breites Spektrum von Dokumentar- und
Spielfilmen aus fast dreißig Nationen. Ein Fokus lag in diesem Jahr auf
Filmen aus Tunesien, Marokko, dem Libanon und anderen arabischen Ländern.
Die Irakerin Maysoon Pachachi wies im Gespräch mit der Kuratorin Irit
Neidhardt auf die lange Tradition arabischer Filme aus Frauenperspektive
hin.
Die Spuren der „Arabellion“, das Interesse der Frauen an politischen
Veränderungen, kündigte sich darin an, bevor die westlichen Medien die
Oberfläche der Revolution in den Mittelpunkt rückten. Der Wert eines
Publikums- und Branchentreffens aus Frauenperspektive, wie ihn das
Filmfestival darstellt, misst sich an solchen Chancen, Gespräche zu führen
und nicht zuletzt auch Networking zu ermöglichen.
Selbst die eigenen Probleme und Perspektiven stellte das Festival zur
Diskussion. Sind Frauenfilmfestivals heute eine Notwendigkeit oder eine Art
Ghetto, ein trügerischer Schutzraum, eine „Girl’s Box“, wie es die
amerikanische Bloggerin Melissa Silverstein ironisch beschreibt?
Filmemacherinnen, Kuratorinnen und Verleiherinnen diskutierten über das
Dilemma, dass das Filmschaffen von Frauen einerseits die eigenständige
Repräsentanz dringend benötigt, um sich gegen männlich dominierte
Strukturen zu behaupten, andererseits wollen alle Regisseurinnen aus der
Girl’s Box heraus, um ihre Filme auf prominente Festivals zu schicken, die
ihnen vermeintlich bessere Verleihchancen ermöglichen. Sollen
Frauenfilmfestivals diese Marktmechanismen bedienen?
## Generationen und Kulturen
Misst sich ihr Erfolg nicht vielmehr daran, Frauen aus unterschiedlichen
Generationen und Kulturen gegenseitig zu bestärken und im intimeren Rahmen
nachzufragen, wie erfolgreiche Regisseurinnen, Kamerafrauen,
Szenenbildnerinnen, Cutterinnen ihre Arbeit verstehen und die Karriere
organisieren?
Den mit 10.000 Euro ausgestatteten Preis für den besten Debütspielfilm
gewann die türkische Regisseurin Belma Bas für „Zephyr“. Die Jury, der
neben Julia Jentsch auch die chinesische Regisseurin und Autorin Xiaolu Guo
und die mexikanische Kritikerin und Festivalkuratorin Lucy Virgen
angehörten, würdigten die leise und eindringliche Weise des Films, mit
konventionellen Sehgewohnheiten aufzuräumen.
„Zephyr“ schildert die Welt eines elfjährigen Mädchens jenseits stereotyp…
weiblicher Rollenbilder, wie sie gewöhnlich türkischen Filmen zugeschrieben
werden. Zephyr, deren Name „westliche Brise“ bedeutet, streift wie ein
Junge durch die waldige Bergregion an der türkischen Schwarzmeerküste, wo
sie die Sommerferien bei den Großeltern verbringt. Das Mädchen wartet auf
seine Mutter, die aber kommt nur, um für lange Zeit Abschied zu nehmen. Die
Arbeit bei einer NGO in einer Krisenregion ist ihr wichtig, Zephyr soll bei
den Großeltern bleiben.
Auf ganz andere Art als Belma Bas’ wortkarge und bildmächtige Geschichte
erzählte der französische Wettbewerbsbeitrag vom Ende der Kindheit.
„Mädchen, die träumen, sind durch nichts aufzuhalten“, lautete das Motto
des Films „17 Filles“ der Schwestern Muriel und Delphine Coulin. Mit
schnellen, schnippischen Dialogen, viel Rockmusik und einer in die
Gesichter und Körper der Protagonistinnen verliebten Kamera, schildert der
Film, wie eine Gruppe unzertrennlicher Freundinnen an einer französischen
Oberschule beschließt, ihre schwangere Freundin zu unterstützen, indem sie
selbst schwanger werden.
Siebzehn Mädchen setzen ihre Schwangerschaft gegen Eltern und Lehrer ein.
Mutterschaft als Protest gegen die Verhaltensregeln der
Leistungsgesellschaft – der Debütfilm basiert auf einer wahren Begebenheit
in der französischen Kleinstadt Lorient. Ohne zu beschönigen, feierte „17
Filles“ die verschwenderische Energie dieser Mädchenpower.
24 Apr 2012
## AUTOREN
Claudia Lenssen
## TAGS
Schwerpunkt Afghanistan
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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