| # taz.de -- Bremer Militärforschung: Im Auftrag der Luftwaffe | |
| > Obwohl sie sich selbst eine Zivilklausel auferlegt hat, arbeitete die Uni | |
| > Bremen jahrelang für die Bundeswehr. Jetzt entbrennt ein Streit über | |
| > Kontrolle. | |
| Bild: Wie sendet so ein Flugzeug möglichst schnell seine Daten an die Bodensta… | |
| BREMEN taz | Die Uni Bremen hat drei Jahre lang zusammen mit dem Bremer | |
| Technologiekonzern OHB im Auftrag des Verteidigungsministeriums geforscht. | |
| Das räumte Rektor Wilfried Müller gestern ein und bestätigte Berichte von | |
| Radio Bremen. | |
| Die Uni verstieß damit offenkundig gegen die Zivilklausel von 1986, die sie | |
| im Januar fast einstimmig bestätigt hat. Die lehnt „jede Beteiligung“ von | |
| Wissenschaft und Forschung mit militärischer Nutzung oder Zielsetzung ab – | |
| und fordert WissenschaftlerInnen auf, Projekte abzulehnen, die | |
| Rüstungszwecken dienen können. | |
| Das Institut für Telekommunikation und Hochfrequenztechnik (ITH) der Uni | |
| hat offiziellen Angaben zufolge zwischen 2003 und 2006 gleichwohl 100.000 | |
| Euro von OHB bekommen. Bei dem Projekt geht es um die schnelle Übermittlung | |
| großer Datenmengen aus Flugzeugen – also darum, wie etwa Bilder aus der | |
| Luftaufklärung an eine Bodenstation gesandt werden. Die | |
| Forschungsergebnisse gelten laut OHB für Kampfjets ebenso wie für zivile | |
| Flugzeuge. „Es gab keine Spezifizierung auf einen bestimmten Flugzeugtyp“, | |
| so OHB-Sprecher Steffen Leuthold. | |
| Das sei „Grundlagenforschung“, sagte Uni-Sprecher Eberhard Scholz. Dennoch | |
| räumte er Fehler ein: „Das ist ein Projekt, das auf jeden Fälle hatte | |
| geprüft werden sollen.“ Hat die Uni aber nicht, obwohl sie vom ITH | |
| rechtzeitig und korrekt informiert worden war, wie der Rektor gestern | |
| sagte. Scholz verweist darauf, dass jährlich über 700 Vorhaben mit | |
| Drittmittelfinanzierung bei der Uni-Spitze angemeldet würden. „Mit der | |
| aktuellen Sensibilität“ wäre das Projekt 2003 aber „mit Sicherheit intens… | |
| diskutiert worden“. | |
| Der neuerlichen Bestätigung der Zivilklausel war eine lange, heftige | |
| Debatte vorausgegangen. Sie entzündete sich an den Plänen von OHB, der Uni | |
| eine Stiftungsprofessur zu finanzieren. Sie soll sich laut Müller der | |
| Gravitationsphysik widmen. Das sei „Grundlagenforschung im tiefen Weltall“ | |
| und „ohne militärische Relevanz“. Derzeit laufen die | |
| Bewerbungsverhandlungen. | |
| ## „Zwei oder drei“ weitere Projekte? | |
| Unterdessen prüft die Uni, ob es in den vergangenen zehn Jahren weitere | |
| Forschungen mit militärischem Charakter gab. Ergebnisse liegen noch nicht | |
| vor. Scholz geht derzeit jedoch davon aus, dass es „zwei oder drei“ weitere | |
| Projekte gab, die der Zivilklausel widersprechen. | |
| Gegner solcher Forschung hatten in der Vergangenheit mehrfach kritisiert, | |
| die Einhaltung der Zivilklausel werde nicht ausreichend kontrolliert. | |
| „Bislang kann jeder versichern, was er will“, sagt Andreas Fischer-Lescano, | |
| Professor für Öffentliches Recht, Europa- und Völkerrecht an der Uni Bremen | |
| und Zivilklausel-Befürworter. Er fordert deshalb ein „durch den | |
| Akademischen Senat eingesetztes unabhängiges Kontrollgremium“, das | |
| Forschungsvorhaben auf ihre Vereinbarkeit mit der Zivilklausel überprüfen | |
| soll. | |
| Ansonsten bleibe die Selbstverpflichtung „blumig“ und „zahnlos“. Zwar k… | |
| auch ein Kontrollgremium einzelne Forschungsvorhaben nicht einfach | |
| verbieten, so Fischer-Lescano. Das könne die Wissenschaftsfreiheit | |
| beeinträchtigen. Finanzielle Sanktionen seien aber denkbar: Die | |
| „Mittelausstattung“ seitens der Uni im Einzelfall „zu kürzen“ und „d… | |
| Annahme von Drittmitteln zu untersagen“, sei rechtlich möglich, so der | |
| Jura-Professor. | |
| Die Uni-Spitze lehnt ein solches Kontrollgremium jedoch ab – sie setze | |
| stattdessen auf die „Eigenverantwortung“ der Institution, so Scholz. Die | |
| Linke hatte bereits zu Jahresanfang beantragt, ein unabhängiges | |
| Kontrollgremium einzurichten und die Zivilklausel gesetzlich zu verankern, | |
| war jedoch an der rot-grünen Mehrheit in der bremischen Bürgerschaft | |
| gescheitert. | |
| Die Grünen wollen das Thema nun zumindest erneut debattieren. Sie | |
| verlangten gestern ebenso wie die SPD „klare Regularien“ zur effektiven | |
| Einhaltung der Zivilklausel. Deren gesetzliche Verankerung lehnen Grüne und | |
| Uni-Spitze weiter ab – im Gegensatz zur SPD. | |
| 15 May 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Jan Zier | |
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