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# taz.de -- Beckstein vor NSU-Ausschuss: „Es schmerzt mich“
> Bayerns Ex-Innenminister Günther Beckstein muss vor dem
> Untersuchungsausschuss aussagen. Fehler der bayerischen Behörden sieht er
> nur im Detail
Bild: „Ich bedauere sehr.“ Günther Beckstein vor dem NSU-Untersuchungsauss…
BERLIN taz | Mit dem langjährigen bayerischen Innenminister Günther
Beckstein (CSU) ist am Donnerstag der erste prominente Politiker vor den
Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Nationalsozialistischen
Untergrund (NSU) zitiert worden.
Bei jedem Satz merkte man dem 68-Jährigen an, wie sehr es an ihm nagt, dass
unter seiner Verantwortung die Morde nicht aufgeklärt wurden: „Es schmerzt
mich und ich bedauere sehr“, sagte Beckstein am Ende seines einstündigen
Eingangsstatements, „dass es den Ermittlern nicht gelungen ist, diese
Mörderbande bei Zeiten dingfest zu machen.
Fehler der bayerischen Behörden räumte Beckstein aber nur im Detail ein,
obwohl die Akten und die bisherigen Zeugenaussagen eine miserable
Zusammenarbeit von Polizei und Verfassungsschutz aufgezeigt haben. Die
Befragung Becksteins dauerte bis in den Abend. Verwunderlich bleibt, dass
die bayerischen Ermittler so inkonsequent in Richtung Rechtsextremismus
ermittelten. Hatte doch ihr oberster Dienstherr Beckstein gleich nach dem
ersten Mord gefordert, ein ausländerfeindliches Motiv der Tat zu prüfen.
Am 9. September 2000 war in Nürnberg-Langwasser, keinen Kilometer von
Becksteins Wohnung entfernt, der Blumenhändler Enver Simsek erschossen
worden. Zu einem Zeitungsbericht vermerkte Beckstein drei Tage nach dem
Mord: „Bitte mir genau berichten: Ist ausländerfeindlicher Hintergrund
denkbar?“ Kurz darauf antwortete ihm die Polizei: Dafür gebe es „keine
Anhaltspunkte“. In den Jahren danach ermittelte die Polizei in die falsche
Richtung, als Hintergrund wurde die Drogenmafia oder eine andere kriminelle
Bande vermutet.
Der bayerische Verfassungsschutz hörte zwar in die rechtsextreme Szene
hinein. Da die Morde dort kein Thema waren, ging man davon aus, sie hätten
nichts mit Neonazis zu tun.
Erst im Jahr 2006 wurde die Spur nach rechts systematischer verfolgt. Auch
Beckstein wollte nach den Morden acht und neun noch mal von seinen Behörden
wissen: „Könnte bei den Türken-Morden Fremdenfeindlichkeit das Motiv
sein?“, vermerkte er im Frühjahr 2006. Eine in etwa zum selben Zeitpunkt
erstellte Analyse eines Profilers kam zu einem ähnlichen Ergebnis.
## Ein Image-Problem?
Öffentlich sollte die These eines fremdenfeindlichen Täters aber nicht
bekannt werden. Weil das Image Deutschlands im Jahr der Fußball-WM 2006 im
eigenen Land nicht angekratzt werden sollte, wie einige im Ausschuss
vermuten? Damit habe das nichts zu tun gehabt, sagte Beckstein am
Donnerstag. Ein „Hochschaukeln der Angst“ in der türkischen Community habe
verhindert werden sollen. Im Rückblick sehe er das anders, deutete
Beckstein an.
Als Held steht Beckstein im Zusammenhang mit den Ermittlungen auch aus
einem anderen Grund nicht da. Denn obwohl die bayerischen Ermittler über
Jahre keinen Fortschritt erzielten, wehrte er sich im Frühjahr 2006, dass
die Ermittlungen vom Bundeskriminalamt (BKA) übernommen werden.
Genau das hatte der BKA-Präsident im Vorfeld der Innenministerkonferenz
Anfang Mai 2006 gefordert. Daraufhin ließ Bayerns Innenministerium wissen,
dass man dies als „Kriegserklärung“ auffassen würde. So steht es in den
Akten des Untersuchungsausschusses. Und tatsächlich entschieden die
Innenminister bei ihrem Treffen: Der Fall geht nicht ans BKA.
Diese Entscheidung sei richtig gewesen, sagte Beckstein am Donnerstag. Man
könne nicht „im laufenden Galopp die Pferde wechseln“. Zumal fraglich sei,
ob das BKA in die richtige Richtung ermittelt hätte, die These eines
fremdenfeindlichen Motivs habe man dort nämlich skeptisch gesehen.
Becksteins Fazit: „Man hätte den Blick noch mehr auf den Rechtsextremismus
legen müssen.“
24 May 2012
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
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