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# taz.de -- Aufklärung der NSU-Morde: Alternativer Ausschuss zum Naziterror
> Das „Bündnis gegen das Schweigen“ fordert Konsequenzen aus den Morden des
> „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Parlamentsausschüsse sollen
> beobachtet werden.
Bild: Neonazis im Urlaub: Beate Zschäpe und die beiden Uwes (Mundlos und Böhn…
BERLIN taz | Es war der Beginn von einer Art alternativem
Untersuchungsausschuss zum „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU). Rund
ein Dutzend linker Organisationen luden am Samstag zu einer Anhörung in die
Akademie der Künste in Berlin, um zu erörtern, welche Konsequenzen es haben
müsste, dass die neonazistische Terrorgruppe über Jahre neun Migranten und
eine Polizistin ermorden konnte – und erst im November 2011 aufflog.
Gekommen waren Vertreter von angesehenen Einrichtungen wie dem
Antifaschistischen Pressearchiv apabiz oder dem in Ostdeutschland gegen
Rechtsextremismus aktiven Verein Miteinander, aber auch Betroffene des
NSU-Terrors oder deren Anwälte.
Kutlu Yurtseven, Rapper der Band Microphone Mafia, wohnte in der Kölner
Keupstraße, als dort im Juni 2004 die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe
Böhnhardt einen der Bombenanschläge verübten. Im Verdacht hatten die
Ermittler aber nicht Rechtsextremisten, sondern die Bewohner der Straße
selbst: die türkischstämmige Community. „Sie haben uns jahrelang im Glauben
gelassen, dass wir es selber waren“, sagte Yurtseven. Und nachdem dieser
Verdacht ständig wiederholt worden sei, habe man irgendwann selber daran
geglaubt. „Sie haben Familien kaputtgemacht.“
Yavuz Narin, Anwalt der Witwe des im Juni 2005 von den rechtsextremen
Terroristen erschossenen Theodoros Boulgarides, kritisierte die „zum Teil
abenteuerlichen, dilettantischen Ermittlungen“ in der Mordserie. Seine
Mandantin sei „enttäuscht, verbittert und fassungslos“ – auch dass bisher
keiner, der in Politik oder Behörden noch aktiv sei, Verantwortung für das
Versagen übernommen habe.
Inzwischen wurden im Bundestag und in drei Landtagen
Untersuchungsausschüsse eingesetzt, um die Vorgänge aufzuarbeiten. Doch bei
dem von rund 250 Zuhörern besuchten Hearing in der Akademie am
Brandenburger Tor kamen Zweifel auf, ob mit solchen Instrumenten das
Versagen wirklich voll aufgeklärt und die richtigen Konsequenzen gezogen
werden können. So bestehe bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen
immer die Gefahr der parteipolitischen Instrumentalisierung, sagte der
Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck.
Wie es anders geht, hat eine unabhängige Kommission in Großbritannien
gezeigt. Sie sollte von 1997 bis 1999 den Mord an einem schwarzen Teenager,
Stephen Lawrence, aufarbeiten, der von der Polizei nicht als rassistisch
erkannt wurde. Kommissionsmitglied Richard Stone berichtete – auch Jahre
nach dem Mord immer noch sichtlich berührt – in Berlin, dass man damals zum
Ergebnis gekommen war, „institutioneller Rassismus“ habe zum Versagen der
Polizei geführt.
Die Kommission habe außerdem einen ganzen Katalog von Empfehlungen
abgegeben. Eine solche Kommission hielten auch in Deutschland einige
Experten für ein gutes Modell, darunter die Ombudsfrau der Bundesregierung
für die NSU-Opfer, Barbara John.
Das [1][„Bündnis gegen das Schweigen“], das die Veranstaltung in Berlin
organisiert hatte, fängt eine Nummer kleiner an. Es soll nun eine
unabhängige Beobachtungsgruppe der parlamentarischen
Untersuchungsausschüsse geben, heißt es in einer Resolution, die auch von
den Spitzen der Türkischen Gemeinde, des Zentralrats der Juden und des
Zentralrats der Sinti und Roma unterschrieben wurde. Darin werden auch
„personelle und strukturelle Konsequenzen in den Reihen der zuständigen
Geheimdienste, Ermittlungsbehörden und an den politisch verantwortlichen
Stellen“ verlangt.
3 Jun 2012
## LINKS
[1] http://buendnis-gegen-das-schweigen.de/
## AUTOREN
Wolf Schmidt
## TAGS
Schwerpunkt Rechter Terror
Schwerpunkt Rechter Terror
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