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# taz.de -- Von der Wikipedia in die Wissenschaft: 1829 trifft aufs 21. Jahrhun…
> Ein U-Boot für die Online-Enzyklopädie will er nicht sein: Marcus Cyron
> ist der erste Wikipedianer in Deutschland, der in einem
> wissenschaftlichen Institut angestellt ist.
Bild: Unabhängig soll auch Marcus Cyron weiterhin sein und nicht fürs Deutsch…
In der Wikipedia tätig zu sein ist nicht mehr nur Berufung, sondern auch
Beruf. Ab Freitag arbeitet beim Deutschen Archäologischen Institut in
Berlin (DAI) der erste „Wikipedian in Residence“. Marcus Cyron, 36 Jahre
alt, wird das 1829 gegründete Institut mit der Enzyklopädie des 21.
Jahrhunderts verbinden.
In Zeiten, in denen immer mehr Unternehmen eigens Mitarbeiter mit der
Präsenz in sozialen Medien wie Facebook, Twitter und Co. beauftragen, ist
die Wikipedia für Firmen und andere Organsiationen immer noch ein
Minenfeld. In den Richtlinien werden die Wikipedianer deutlich. Zum
[1][Interessenkonflikt:Thema Eigendarstellung] schreiben sie: „Unser
Ratschlag: Tun Sie es nicht.“ Wikipedia basiert auf dem Prinzip der
Freiwilligkeit: bezahlte oder interessengeleitete Änderungen sind verpönt.
Kommt heraus, dass ein Mitarbeiter etwa Kritik an einem Unternehmen aus der
Wikipedia entfernt ist, ist die Empörung groß. Der so genannte
[2][Streisand-Effekt] setzt ein, der dafür sorgt, dass das Bemühen um das
Unterdrücken eines Skandals mehr Schaden anrichtet als der ursprüngliche
Anlass. Selbst banale Änderungen reichen für [3][klickträchtige
Skandalisierungen].
Marcus Cyron legt Wert darauf, dass er kein bezahltes U-Boot im Sinne des
Instituts ist. „Das Schreiben von Artikeln gehört ausdrücklich nicht zu
meinem Aufgabengebiet.“ Zwar will er im kommenden halben Jahr weiterhin
Wikipedia-Artikel schreiben, aber das nur in seiner Freizeit. Seine Aufgabe
sei nicht, dass das Institut in möglichst gutem Licht dargestellt werde,
sondern dass möglichst gute Artikel zur Arbeit des DAI und zur
archäologischen Arbeit entstehen.
## Dialog mit der Community
Den Job hat sich Cyron selbst organisiert. Er hatte einst Archäologie und
Geschichte studiert, wurde aber durch eine chronische Krankheit daran
gehindert, seinen Abschluss zu machen. Durch die freiwillige Arbeit in der
Wikipedia konnte er dennoch sein Wissen einsetzen – wenn auch unbezahlt.
Dabei kam er auch mit den Mitarbeitern des Instituts in Berührung,
organisierte eine Konferenz unter dem Titel „Wikipedia trifft Altertum“.
Seine Aufgabe als vom DAI befristet angestellter Wikipedianer beschreibt
Cyron als Verbindungsstück zwischen den beiden Institutionen. In der
Wikipedia wird er Mängel identifizieren, welche Artikel im Themengebiet der
DAI noch Überarbeitungen gebrauchen können und den Dialog mit der Community
in Gang bringen.
Auf der anderen Seite soll er die Mitarbeiter des Instituts lehren, wie man
bei der Online-Enzyklopädie richtig beiträgt ohne gegen Neutralitätsregeln
oder andere Formalia zu verstoßen. „Gewisse Dinge sind für Wissenschaftler
gewöhnungsbedürftig“, sagt Cyron im Gespräch mit taz.de. Dass Laien
komplexe Sachverhalte einfach umschreiben, ist für Akademiker oft schwer
verdaulich. Bei Wikipedia gehört diese Offenheit aber zu den wichtigsten
Grundprinzipien.
Weiteres Ziel für für Wikipedianer sind Bilder, Filme, Zeitdokumente. Für
viele Institutionen ein heikles Feld: Denn die Wikipedia nimmt nur Bilder
auf, wenn sie unter [4][einer freien Lizenz] stehen, die auch kommerzielle
Verwertung erlaubt. Wer also der Wikipedia Material zur Verfügung stellt,
muss es jedem zur Verfügung stellen.
International haben bisher schon 17 Institutionen Wikipedianer eingestellt,
um die Zusammenarbeit mit der Enzyklopädie zu fördern: Den Beginn machte im
Sommer 2010 das British Museum in London, gefolgt vom Château de Versailles
und dem New Yorker Museum Of Modern Arts. Es ist eine PR-Aktion: In dem das
eigene Gebiet und die eigenen Exponate in der Wikipedia auftauchen,
versichern die Institutionen der Welt ihre eigene Relevanz im 21.
Jahrhundert.
Mögen Wikipedia-Artikel in wissenschaftlichen Kreisen als Referenz verpönt
sein, die Links in der Online-Enzyklopädie verschafft ihnen mehr Besucher
als die meisten Fachaufsätze.
1 Jun 2012
## LINKS
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Streisand-Effekt
[3] http://www.spiegel.de/wirtschaft/wikipedia-das-geschoente-bild-vom-daimler-…
[4] /Creative-Commons-auf-der-Republica/!92734/
## AUTOREN
Torsten Kleinz
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