# taz.de -- Wer soll den Klimawandel bezahlen?: In Rio will keiner über Geld r… | |
> Der Klimawandel kostet Unsummen, immer mehr Umweltprojekte in armen | |
> Ländern könnten anlaufen. Doch denen fehlen die Mittel. Und die | |
> Industrieländer müssen sparen. | |
Bild: Entwicklungsländer haben kein Geld für die Ökowende. Ein Mann in Ost-I… | |
BERLIN taz | Die Ökowende verschlingt viel Geld – Geld, das gerade die | |
ärmsten Länder der Welt nicht haben. Das war den Teilnehmern des ersten | |
Erdgipfels durchaus klar. „Die entwickelten Staaten erkennen die | |
Verantwortung an, die sie bei dem weltweiten Streben nach nachhaltiger | |
Entwicklung tragen“, heißt es in der Rio-Erklärung über Umwelt und | |
Entwicklung von 1992. | |
Deshalb bekräftigten sie das von den Vereinten Nationen gesetzte Ziel, | |
wonach die Geberländer 0,7 Prozent ihres jeweiligen Bruttoinlandsprodukts | |
(BIP) für Entwicklungshilfe aufwenden sollen. Und sie werteten die Globale | |
Umweltfazilität (GEF) auf, ein Mechanismus, mit dem internationale | |
Umweltprojekte finanziert werden. | |
Und heute, 20 Jahre später? „Noch nie gab es eine UN-Konferenz, auf der so | |
wenig über Geld geredet wurde, obwohl das so dringend nötig wäre“, wundert | |
sich Jens Martens, Entwicklungsexperte der internationalen | |
Nichtregierungsorganisation Global Policy Forum. Die Industrieländer | |
wollten kostspielige Zusagen vermeiden, und der Süden habe resigniert. | |
Im sogenannten nullten Entwurf der Rio+20-Erklärung wird nur einmal mehr | |
das 0,7-Prozent-Ziel erwähnt. „Man zieht sich auf bloße Worthülsen zurück… | |
so Martens. „Wobei alle wissen, dass das Ziel eh nicht erreicht wird.“ So | |
haben die Geberländer innerhalb des Industrieländerclubs OECD im | |
vergangenen Jahr zusammen 133,5 Milliarden US-Dollar Entwicklungshilfe | |
gezahlt. | |
## Die Mittel wurden nicht aufgestockt | |
Das waren im Schnitt 0,31 Prozent ihres BIPs. Deutschland bringt es auf 0,4 | |
Prozent. Weil viele Industrieländer derzeit selbst mit Schulden zu kämpfen | |
haben, geht überdies der Trend dahin, eher weniger als mehr zu zahlen: Im | |
Vergleich mit dem Vorjahr schrumpfte 2011 die öffentliche Entwicklungshilfe | |
um fast 3 Prozent. | |
Mit der Umweltfazilität GEF sieht es nicht viel besser aus. Ursprünglich | |
sollte sie über die laufende Entwicklungshilfe hinaus zusätzliche Mittel | |
für eine nachhaltige Entwicklung mobilisieren. Ihre Aufgaben wurden immer | |
weiter ausgeweitet – so fungiert sie auch als Finanzierungsmechanismus für | |
die UN-Konventionen über Klima, Biodiversität, Ozon, organische Schadstoffe | |
und Wüstenbildung –, ihre finanziellen Mittel aber wurden nicht | |
aufgestockt. | |
Insgesamt 9,7 Milliarden US-Dollar haben Geberländer in den letzten zwei | |
Jahrzehnten der GEF zur Verfügung gestellt. Finanziert wurden fast 3.000 | |
Projekte, die von Naturschutzgebieten in Argentinien über Küstenschutz in | |
Kambodscha bis zum Forstmanagement in Vietnam reichen. | |
Ein Klacks etwa im Vergleich zu den 100 Milliarden Dollar, die die | |
Industrieländer für den auf der UN-Konferenz 2010 in Cancún beschlossenen | |
Grünen Klimafonds zusagten. Entsprechend gering ist die Rolle, die die GEF | |
noch spielt. So ist schon als Erfolg anzusehen, dass sie fast 39 Milliarden | |
Dollar Kofinanzierung erhielt, größtenteils vom Privatsektor. | |
## Ausbeutung von Rohstoffen | |
Auf Letzterem ruht zunehmend die Hoffnung der internationalen Gemeinschaft, | |
nicht nur der GEF, die unter dem hochtrabenden Titel „Earth Fund“ ein | |
Pilotprogramm für Partnerschaften mit der Privatwirtschaft betreibt. Auch | |
der Vorentwurf der Rio+20-Gipfelerklärung betont nun im Abschnitt über die | |
Finanzierung „die Schlüsselrolle des Privatsektors“. | |
Wie die Konzerne allerdings dazu gebracht werden können, ihr | |
Investitionsverhalten künftig umweltfreundlicher zu gestalten, darüber | |
schweigt das Dokument. Bislang jedenfalls fließt das Gros der privaten | |
Investitionen in Afrika allein in die Ausbeutung von Rohstoffen. | |
Und erst kürzlich hatte die Umwelt- und Entwicklungsorganisation Urgewald | |
das finanzielle Engagement der Allianz-Versicherung in der chinesischen | |
Kohlebranche angeprangert. | |
„Die größte Kohlefirma, in die die Allianz in China investiert hat, baute | |
vorletztes Jahr 350 Millionen Tonnen Kohle ab“, sagte Calvin Quek von | |
Greenpeace East Asia anlässlich der Allianz-Hauptversammlung. „Wenn diese | |
verbrannt werden, führen sie zu CO2-Emissionen, die die gesamten deutschen | |
Kohlendioxidemissionen bei Weitem überschreiten.“ | |
3 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Nicola Liebert | |
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Konferenz | |
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