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# taz.de -- Angeklagter Banker Jérôme Kerviel: Der unwirkliche Lehrbuch-Trader
> Er soll seiner Bank einen Schaden von fast fünf Milliarden Euro
> verursacht haben. Dafür wurde er bereits verurteilt. Jetzt geht der
> frühere Risiko-Trader Jérôme Kerviel in Berufung.
Bild: Ob's an seinem leichten Silberblick lag, dass er mit den Zahlen durcheina…
PARIS taz | Noch in ein paar Jahren werden die Lehrbücher für angehende
Bankfachleute oder Wirtschaftsjournalisten vom Phänomen Jérôme Kerviel
reden. Vor allem wegen der Rekordsumme von 5 Milliarden Euro, die sein
Arbeitgeber 2008 durch sein Verschulden verloren hat. Noch rückblickend
werden die Studenten den Kopf schütteln und sich fragen, wie dies denn
möglich gewesen sei, dass ein einzelner Trader die Termingeschäfte mit
einem Roulettetisch im Spielkasino verwechselt. Und umgekehrt wird man noch
lange staunen, dass eine so große Bank wie die französische Société
Générale (Socgen) angeblich nicht in der Lage war, zu verhindern, dass ein
einzelner Mitarbeiter das Risikolimit in so massiver Weise und so lange
anscheinend unbemerkt überschritten hat.
Unwirklich erscheint auch, dass Kerviel der Bank den Schaden von fast fünf
Milliarden Euro zurückzahlen soll. Er wurde zudem wegen Betrugs zu fünf
Jahren Haft, davon drei ohne Bewährung, verurteilt. Dennoch bleibt der
Verdacht, dass doch Vorgesetzte involviert oder informiert waren, die
Kerviel spekulieren ließen, solange alles gut ging. Das ist die Version des
Angeklagten zu Beginn der Berufungsverhandlung.
Der heute 35-jährige Kerviel sah beim Betreten des Gerichtssaals aus wie
ein idealer Schwiegersohn: sehr gepflegt und gut aussehend. Aufgrund seines
Werdegangs fällt es schwer, zu glauben, dass er allein ein ausgeklügeltes
System ausgetrickst haben soll. Er hat an Provinzschulen studiert und
seinen Master für Finanzmärkte berufsbegleitend gemacht. Zwar war er laut
seinen Eltern schon immer begabt in Mathematik, doch als Informatikgenie
galt er nicht bei seinen Kollegen, die ihn heute fast alle als Unperson
meiden.
Im Nachhinein rechnen einige noch ab mit diesem Einzelgängertypen und
Karrieristen, der das Pech hatte, am Ende die ganze Berufsgattung der
Trader zu diskreditieren. Denn mit Kerviel steht der geplatzte Traum vom
Traderglück der „Golden Boys“ und eine Epoche waghalsiger Geschäfte mit
Derivaten und Optionen vor Gericht. Wenn heute in der Politik über eine
Beschränkung der Einkommen von Spitzengehältern, Boni und anderen
Gewinnzulagen diskutiert wird, dann ist auch das ein klein wenig die Schuld
von Kerviel. Nach dem Prozessende am 28. Juni wird man sehen, ob das die
Richter eher strafverschärfend oder als einen mildernden Umstand
betrachten.
4 Jun 2012
## AUTOREN
Rudolf Balmer
## TAGS
Schulden
Greenpeace
Schwerpunkt Frankreich
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