# taz.de -- Verwirrung um Öko-Versand: Übernahmekampf bei Hess-Natur | |
> Genossenschaft ausgebootet: Der hessische Ökomoden-Versand geht wohl an | |
> eine Schweizer Beteiligungsgesellschaft. Der Betriebsrat misstraut dem | |
> Geschäft. | |
Bild: Hier werden die Produkte von Hess Natur verkauft. | |
BERLIN taz | Nach der Meldung, dass der Ökomoden-Hersteller Hess-Natur an | |
die Schweizer Beteiligungsgesellschaft Capvis verkauft wurde, herrscht im | |
Unternehmen Unruhe. Betriebsrat Walter Strasheim-Weitz, der für die | |
Übernahme durch eine Genossenschaft gekäpft hatte, spricht von einem | |
Wirtschaftskrimi und bezweifelt, dass das Geschäft schon vollzogen ist. | |
Capvis-Sprecher Thomas Rentschler sagte der taz hingegen, die Gesellschaft | |
habe Hess-Natur vom Karstadt-Quelle-Mitarbeiter-Trust (KQMT) gekauft. „Die | |
Übernahme wird nur noch vom Kartellamt geprüft.“ Über den Preis sei | |
Stillschweigen vereinbart worden; die Zahl von 30 bis 40 Millionen Euro | |
wurde aber nicht dementiert. | |
Bezahlt worden sei mit eigenem Geld. „Capvis hält Hess für ein Juwel mit | |
einem Stamm von über einer Million Kunden“, so Rentschler. Der Markenkern | |
mache den Wert des Unternehmens aus, er werde nicht angetastet. | |
## Eine Genossenschaft als „natürlicher Käufer“? | |
„Wo ist der Kaufvertrag?“, fragt hingegen Betriebsrat Strasheim-Weitz, | |
Finanzbuchhalter bei Hess und Vorstand der Genossenschaft hnGeno, die den | |
Versandhändler ebenfalls übernehmen will. Der Auftritt von Capvis sei nicht | |
vertrauenserweckend. | |
So sei eine Mitarbeiterversammlung erst einberufen, dann wieder abgesagt | |
worden. Nicht einmal ein Jahresabschluss sei erstellt worden – für einen | |
geordneten Verkauf sei dies zwingend. | |
Im letzten Jahr war der Finanzinvestor Carlyle nach heftigen Protesten der | |
rund 330 Mitarbeiter und zahlreicher Kunden damit gescheitert, Hess-Natur | |
zu übernehmen. Für dessen Zukunft sieht Strasheim-Weitz nun schwarz. Viele | |
Kunden sprängen gerade ab, die Mitarbeiter seien verunsichert. „Wir machen | |
jetzt erst mal auf friedlichen Widerstand“, so der Betriebsrat. | |
„Hier wurde eine Riesenchance vertan“, sagt auch Maik Pflaum von der | |
„Kampagne für saubere Kleidung“. Die Genossenschaft wäre der natürliche | |
Käufer für ein Unternehmen gewesen, dessen Geschäftsmodell die | |
Nachhaltigkeit sei. „Hess-Natur veröffentlicht Ökoberichte, die haben eine | |
Sozialabteilung“, sagt Pflaum, „wir müssen sehen, ob die weiter so arbeiten | |
können.“ | |
## Capvis ist auch bei WMF beteiligt | |
Bernd Rattay von der IG Metall Göppingen kennt Capvis von deren Engagement | |
beim baden-württembergischen Haushaltswarenproduzenten WMF. Der wurde vor | |
sechs Jahren mehrheitlich von dem Private-Equity-Fonds übernommen - und | |
danach "strikt auf Rendite getrimmt", so Rattay, der als Betriebsbetreuer | |
für WMF auch in dessen Aufsichtsrat sitzt. | |
Die Produktion wurde teils nach China verlagert, Servicebereiche | |
ausgelagert. Dort würden keine Tariflöhne mehr gezahlt. Das Besteck werde | |
nun gänzlich in China produziert, Kochgeschirr aber nicht. „Da legen die | |
Kunden Wert auf das Label ,Made in Germany'“, so Rattay. Auf so etwas achte | |
Capvis. | |
Auch habe der Fonds kein Geld aus WMF gezogen, wie in der Branche üblich. | |
„Ich hatte es mir schlimmer vorgestellt“, so Rattay. Schlimmer kommen kann | |
es noch: Capvis stößt seine Beteiligungen stets wieder ab. „Wir machen | |
keinen Hehl daraus, dass wir auch Hess-Natur irgendwann – üblicherweise in | |
fünf bis zehn Jahren – wieder verkaufen“, so Rentschler. | |
5 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
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Verfahren | |
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